Budenschuster im Bierk(ult)urort Bad Steben
Lorenz, Jahrgang 1982, ist Stuttgarter. Dagobert, ein Jahr älter, ist Karlsruher. Beide sind ausgebildete Brauer. Sie lernen sich in der Berufsschule in Ulm kennen, gehen nach dem Abschluss gemeinsam nach Berlin, um an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauwesen zu studieren. Dann trennen sich die Wege der Diplom-Braumeister: Lorenz Dickmann arbeitet in der Nähe von Bamberg, dann in einer Gasthausbrauerei in Stuttgart: „Der Chef dort hatte keine Ahnung vom Bierbrauen, also konnte ich machen, was ich wollte, und viel Erfahrung sammeln. Mir war aber auch klar, dass ich nicht bis zur Rente in Stuttgart bleibe.“ Dagobert Zahn geht auf Wanderschaft, wie ein Zimmermann, zieht fast vier Jahre lang von Brauerei zu Brauerei. „Stützpunkt, weil man ja nicht nach Hause darf, war das Häuschen von Lorenz.“ Das Häuschen steht in der Friedrichstraße in Bad Steben. Dort leben Lorenz Großeltern väterlicherseits, bis sie in den Sechziger Jahren nach Schwaben ziehen. „Meine Mutter stammt aus einem Dorf weiter, aus der Adelskammer Carlsgrün, dem ältesten Wirtshaus im Frankenwald.“ Die Familie macht manchmal Urlaub in Bad Steben. Und Lorenz feiert als Fünfzehnjähriger mit Kumpels Partys in dem leerstehenden Haus, das den Namen Budenschuster trägt. Nach dem Studium trifft er sich dort immer wieder mit Dagobert und sie beschließen, den Schweinestall zu ihrer eigenen Brauerei umzubauen. Zum Brauhaus Budenschuster. Budenschuster? „Generationen vor mir war einer Postbote, der Bud‘ (im Dialekt: Bote), und irgendwann war einer Schuster“, sagt Lorenz.
Lorenz Dickmann wohnt seit 2014 in Bad Steben, Dagobert Zahn seit 2015. Mit dem Bierbrauen beginnen sie 2016, anfangs läuft im Sudhaus eine Pumpe aus dem Hobbybereich, dann drei, die abwechselnd repariert werden. Als Würzepfanne dient bis heute ein ausrangierter Wurstkessel aus einer insolventen Metzgerei, der mit Holz befeuert wird. „Da steh ich daneben“, sagt Lorenz. „Automatik oder Knöpfchendrücken gibt’s nicht.“ Nach und nach investieren sie in die technische Ausstattung. „Mit 50.000 Euro haben wir eine Brauerei hingestellt. Normalerweise brauchst Du eine Null mehr. Es war alles ein bisschen Punkrock, aber heute betreiben wir eine richtig professionelle Brauerei, halt mit teilweise lustigem Equipment.“ Von Anfang an haben sie mit der Lebensmittelüberwachung des Landkreises Hof zusammengearbeitet. „Das war absolut fair, die haben uns keine Steine in den Weg gelegt und uns erklärt, wo wir nachbessern müssen. Alles war nachvollziehbar und finanziell lösbar.“
Was sind das denn für welche?, fragt sich mancher Stebener, als Dagobert und Lorenz zu werkeln beginnen. Gegen die Skepsis hilft ein Machtwort von Lorenz Onkel Fritz Gebelein, dem Wirt der Adelskammer Carlsgrün. „Das gibt einem natürlich eine gewisse Starthilfe, wenn so eine lokale Größe sagt, die Jungs sind in Ordnung, das Bier schmeckt. Er hat es gleich selbst an den Hahn genommen, ohne zu probieren.“ Hauptprodukt ist ein Lager, wie Lorenz es während seiner Bamberger Zeit kennen- und lieben lernt: „ein süffiges Bier, das aber nicht langweilig wird, hinten raus mit einer schönen Hopfennote, das macht Spaß.“ Dazu wechseln sich übers Jahr Märzen, Doppelbock, Maibock, Pilsner, Weizen und Dunkles ab. „Wir haben uns gegen die Craft-Bier-Schiene entschieden, wollten keinen abgefahrenen Eisbonbon-Hopfen, keine fancy Berlin-Friedrichshain-Biere. Bodenständigkeit war von Anfang an Gesetz. Das bedeutet nicht, dass wir nicht auch irgendwann mal ein IPA (Indian Pale Ale) machen.“ Der Trend zu Regionalem kommt den Budenschustern entgegen. Den Bierbrauer persönlich kennen, ihn hinterm Tresen stehen sehen, wenn man ins Wirtshaus kommt, das gefällt den Leuten wieder. „Wir können uns nicht beschweren, wir sind voll ausgelastet“, sagt Dagobert. Im Frühling 2018 haben sie ihre erste 450-Euro-Kraft angestellt, Lorenz Freundin, und zwei weitere Lagertanks gekauft, um die Kapazität zu erhöhen. „Wenn der Biergarten voll ist, stößt die Brauerei schnell an ihre Grenzen. Im vergangenen Sommer wurden wir fast ausgetrunken; die Adelskammer hat nichts mehr gekriegt, vorübergehend mussten wir den Außer-Haus-Verkauf an Privatleute einstellen.“
Bis 2022 läuft der Ratskeller-Pachtvertrag, den Dagobert und Lorenz mit dem Markt Bad Steben geschlossen haben. Im Gewölbe unter dem Rathaus zapfen sie und verkaufen an Abholer, die aus etwa 20 Kilometern Umkreis kommen. Biertouristen aus England waren schon beim Budenschuster und aus Kurgästen sind Stammgäste geworden: „Das sind Komplimente, die einem in Erinnerung bleiben, dass Leute, die hier zur Kur waren, von der A9 runterfahren, um bei uns eins zu trinken. Manche bleiben sogar über Nacht.“ Kochen können die zwei Braumeister nicht und die Küche im Ratskeller ist winzig. Sie backen Brezeln auf und weisen darauf hin, dass der Verzehr mitgebrachter Speisen ausdrücklich erwünscht ist: „Die Leute gucken immer ein bisschen doof, wenn man’s ihnen erzählt, aber im Endeffekt finden’s alle klasse, bringen sich Döner oder eine Pizza mit oder machen Picknick im Biergarten mit dem eigenen Tischdeckchen.“ Und wenn was fehlt, laufen Gäste und Wirte schnell rüber auf die andere Straßenseite zu Feinkost Ernst – Käse, Limo, Klopapier, gibt’s da alles. „Wir machen ja nichts kaputt“, haben sich Dagobert und Lorenz gesagt, als sie Risiken abgewogen und sich mit ihren Vätern beratschlagt haben. Und was sagen sie heute? „Geil, es funktioniert!“
Ein Kommentar
Subba Sach was ihr auf die Beine gstellt habt. Werden nach einer Höllentalwanderung euer leckeres Bier mal ausprobieren, dass von Dagobert’s Vater wärmstens empfohlen wurde. Haben ihn auf der After Work Party im Casino kennen gelernt und über euch berichtet.