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Projekt Zukunft: Unternehmen aus Hochfranken gehen voran

Wir verbrauchen zu viel. Zu viel Energie, zu viele Rohstoffe, zu viel Fläche. Rechnerisch wären anderthalb Erden nötig, um unseren Bedarf nachhaltig zu decken. Nachhaltigkeit ist eine der zentralen zukünftigen Herausforderungen für die Gesellschaft und für Unternehmen - aber auch eine Chance. Zwei Unternehmen aus Hochfranken gehen voran. Ein Interview mit Dr. Beate Haaser, SÜDLEDER GmbH & Co. KG, und Dr. Stefan Girschik, REHAU Gruppe, über Nachhaltigkeit und unternehmerische Verantwortung.

Frau Dr. Haaser, Herr Dr. Girschik, Nachhaltigkeit ist ein Zukunftsthema. Was können Unternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen?

Dr. Girschik: Nachhaltigkeit ist ein bedeutender Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Es geht nicht darum, heute Schritt halten zu können, sondern darum, unser Denken und Handeln an langfristigen Zielen auszurichten – ökologisch, sozial umsichtig und effizient zu wirtschaften. Clevere Produkte, neue Technologien und auch Geschäftsmodelle gilt es zu erschließen, um Wertschöpfung zu steigern, Ressourcen zu schonen und damit einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dabei nutzen wir bereits heute die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Produkte und Technologien smarter zu machen.

Dr. Haaser: Nachhaltigkeit heißt für uns in erster Linie effiziente Nutzung von Ressourcen. Dazu gehört vor allem der Einsatz erneuerbarer Energien aus Nebenprodukten der Lederherstellung, der Austausch von umweltbelastenden Inhaltsstoffen durch unbedenkliche und die Vermeidung überflüssiger Hilfsstoffe. Wer Ressourcen schont, schont die Umwelt.

Was tun Sie in Ihren Unternehmen konkret?

Dr. Haaser: Wir arbeiten kontinuierlich an der Optimierung unserer Prozesse. Dabei sind Wasser- und Energiesparmaßnahmen genauso wichtig wie der Einsatz von unbedenklichen Hilfsmitteln und die Anschaffung moderner Maschinen. Wir reduzieren die Abfallmengen, indem wir Abfall grundsätzlich vermeiden oder indem wir bei der Produktion entstehende Nebenprodukte weiterverarbeiten oder verwerten. Die Weiterentwicklung des Gerbprozesses ist ein weiterer Baustein. Dabei arbeiten wir mit namhaften Forschungsinstituten und Lieferanten zusammen.

Dr. Girschik: Konkret gibt es viele Beispiele, etwa den Einsatz hochwertiger Rezyklate – vom Kabelschutzrohr bis zum PVC-Fenstersystem. Seit den 1980er Jahren sind wir hier Vorreiter. In den vergangenen drei Jahren haben wir über 40 Millionen Euro in eigene Recyclinganlagen investiert, um den Rezyklat-Anteil in der Fensterprofilproduktion bis 2020 auf 50 Prozent zu erhöhen. Für die Autoindustrie stellen wir Bauteile her, die sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch auswirken, zusätzlich aber wichtige Funktions-, Sicherheits- und Designaspekte berücksichtigen. Oder ein Beispiel aus der Forschung: Aktiv wirken wir an der Ergründung nachwachsender Baurohstoffe wie etwa Bambus mit. Das Feld, auf dem wir tätig sind, ist sehr groß.

Die Aufgabe von Unternehmen ist es in erster Linie, Gewinne zu erwirtschaften. Unternehmen haben aber auch eine besondere Verantwortung für Klima, Umwelt und Gesellschaft. Wie lassen sich wirtschaftlicher Erfolg und Nachhaltigkeit miteinander vereinbaren?

Dr. Haaser: Nachhaltigkeit darf nicht zum Selbstzweck werden. Die Entwicklungen und Veränderungen in einem Unternehmen müssen genauso zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen. Die Reduzierung von Abfallstoffen ist zum Beispiel ressourcenschonend und gleichzeitig eine wirtschaftliche Entlastung für das Unternehmen, insbesondere wenn diese Reduzierung mit der Gewinnung von Energie verknüpft ist.

Dr. Girschik: Effizienz ist ein entscheidender gemeinsamer Nenner. Effiziente Prozesse machen sich in allen Geschäftsbereichen bezahlt. Darauf setzen wir, in Verbindung mit neuen Impulsen; so entstehen nachhaltige Innovationen. Und die nutzen sowohl Umwelt als auch der Gesellschaft.

Herr Dr. Girschik, REHAU ist in mehr als 50 Ländern aktiv. Bedeuten globale Geschäfte auch globale Verantwortung?

Dr. Girschik: Als international tätiges Unternehmen haben wir die Chance, rund um den Globus etwas für den Umweltschutz zu tun. Wir halten nicht nur nachhaltige Standards ein, etwa bei unseren Gebäuden, in der Materialforschung, in der Fertigung oder beim Einsatz unserer Produkte. Es ist uns ebenso wichtig, das Umweltbewusstsein unserer Mitarbeiter zu stärken. Gemeinsam setzen wir uns weltweit ehrgeizige Energieziele, insbesondere beim Wasser- und Stromverbrauch, sowie bei der CO2-Emission. Auch unsere Lieferanten wählen wir anhand der Kriterien ihres nachhaltigen Engagements aus.

REHAU hat seine Geschäftsbereiche neu ausgerichtet - ein Signal, dass sich das Unternehmen für die Zukunft rüstet. Welche Weichen stellt REHAU?

Dr. Girschik: Unsere Kernkompetenz ist die Polymerverarbeitung. Seit sieben Jahrzehnten sind wir hier weltweit sehr erfolgreich. Das allein reicht aber nicht aus, um es auch in Zukunft zu sein. Die Welt verändert sich, neue Trends bestimmen die Bedürfnisse der Menschen, unserer Kunden und unserer Mitarbeiter. Der digitale Wandel ist nur ein Treiber dieser Veränderungen, die wir in allen Bereichen zu spüren bekommen. Über unsere Initiative REHAU 2020 richten wir uns gemeinsam darauf aus, in eine erfolgreiche Zukunft zu steuern. Wir nutzen insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung, um unsere Innovationsführerschaft auszubauen: bei unseren Produkten, bei Serviceleistungen und in der Produktion. Auch das Innovation Lab Unlimited X ist ein entscheidender Hebel, den wir in Bewegung setzen, um Innovationen schneller auf die Straße zu bringen.

SÜDLEDER hat 6,5 Millionen Euro in den Bau einer Bioenergieanlage investiert und ist damit die erste energieunabhängige Lederfabrik der Welt. Wie haben Sie das geschafft?

Dr. Haaser: Die Anlage ging 2012 ans Netz. Dem vorangegangen ist eine jahrelange Entwicklungszeit. Herzstück der Bioenergieanlage sind zwei Fermenter von je 4.000 Kubikmeter Volumen zur Bildung von Methan aus Abwasserinhaltsstoffen und Nebenprodukten der Lederherstellung. Hinzu kam die notwendige Infrastruktur wie eine Gasleitung als Verbindung zwischen Bioenergieanlage und Produktionsanlagen, Vorlage- und Gasbehälter sowie verschiedene Sicherheitseinrichtungen.
Um aus dem gewonnenen Methan Strom und Wärme zu gewinnen, haben wir drei Blockheizkraftwerke mit insgesamt rund 1,3 Megawatt Leistung errichtet. Wir produzieren damit den gesamten Strom, den wir im Unternehmen benötigen. Außerdem werden aus der Abwärme der Blockheizkraftwerke etwa 50 Prozent der in der Produktion benötigten Wärme erzeugt. Die restliche Wärmeenergie wird in einer eigens entwickelten Anlage durch die Verbrennung von Fett, gewonnen aus Leimleder, erzeugt. Damit sind wir von fossilen Energieträgern unabhängig.

Ihre beiden Unternehmen sind maßgeblich an einem Pilotprojekt in der Region beteiligt; dem Bioenergiezentrum Hochfranken. Was passiert dort und wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Biogasanlage Bioenergiezentrum-Hochfranken
Biogas: Im Bioenergiezentrum Hochfranken, das aus insgesamt vier Anlagen besteht, werden jährlich rund 76.000 Megawattstunden Strom und Wärme produziert. Damit können über 40 Prozent des Strombedarfs von Privathaushalten und Industrie in Rehau abgedeckt werden.

Dr. Haaser: Die Idee für das Projekt entstand, als wir bei der REHAU AG die Genehmigung für das Verlegen einer Gasleitung auf ihrem Grundstück einholten. Dabei wurde die Idee geboren, die Firma ebenfalls mit Biomethan zu versorgen. Weil die in unserer Bioenergieanlage erzeugte Menge für die Versorgung eines weiteren Abnehmers nicht ausgereicht hätte, entstand der Gedanke zum Bau einer zusätzlichen Biogasanlage. Auf der Suche nach dafür notwendigen Abfallstoffen kam die Firma Böhme ins Spiel. So kam ein Puzzleteil zum anderen, und als Gesamtbild entstand das Bioenergiezentrum Hochfranken.

Dr. Girschik: Das Bioenergiezentrum ist ein bislang einzigartiges Projekt zur Energiegewinnung für Industrien und Kommunen. Rund 30.000 Tonnen Bioabfall kann die Vergärungsanlage pro Jahr in Biogas und Kompost umwandeln. Die Inhalte der Biotonnen kommen aus den Landkreisen Hof und Wunsiedel. Ob Nahrungsreste, Grüngut oder Stroh – das daraus gewonnene Biogas wird zu dezentralen, aber nahegelegenen Blockheizkraftwerken geleitet und dort in Strom und Wärme umgewandelt. So produzieren wir mit Bioabfall aus der Region Energie für die Industrie der Region und schonen dabei die Umwelt.

Dr. Stefan Girschik
Dr. Stefan Girschik

Dr. Stefan Girschik: Der Diplom-Ingenieur und promovierte Ökonom ist seit 1995 in verschiedenen internationalen Führungspositionen für REHAU tätig. Girschik ist seit 2008 Mitglied des Group Executive Board und seit 2014 stellvertretender CEO der REHAU Gruppe. Er steht dem Gremium Nachhaltigkeit vor.

Dr. Beate Haaser
Dr. Beate Haaser

Dr. Beate Haaser: Die promovierte Chemikerin ist seit fast 20 Jahren für SÜDLEDER tätig, war unter anderem Leiterin der Prozesswasseraufbereitung und des Labors und ist seit Anfang 2016 eine von zwei Geschäftsführern des Unternehmens.

SÜDLEDER GmbH & Co.KG: Die Gerberei mit dem einzigen Standort in Rehau zählt auch auf europäischer Ebene zu den Spitzenunternehmen der Lederherstellung. Täglich werden bis zu 3.500 Großviehhäute verarbeitet. Zum Einsatz kommen die von SÜDLEDER hergestellten Halbfertigfabrikate unter anderem im Automobilbereich und der Möbelindustrie. SÜDLEDER erwirtschaftete im Jahr 2017 einen Umsatz von rund 20 Millionen Euro und beschäftigt rund 300 Mitarbeiter.

REHAU Gruppe: Ob energieeffizientes Bauen, die Nutzung regenerativer Energien, intelligentes Wassermanagement, Mobilität oder Lebens- und Arbeitswelten der Zukunft: Weltweit steht die Marke REHAU für innovative Entwicklungen aus Polymeren. Die REHAU Gruppe beschäftigt insgesamt über 20.000 Mitarbeiter an 170 Standorten in über 50 Ländern. Die Zentrale des 1948 gegründeten Unternehmens befindet sich in Rehau, der Verwaltungssitz im schweizerischen Muri. 2016 erwirtschaftete die REHAU Gruppe einen Gesamtumsatz von 3,4 Milliarden Euro.

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Jörg Raithel