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Landei oder Stadtaffe?

Immer mehr Menschen leben in Städten. Das sagt die Statistik. Gleichzeitig aber scheint die Sehnsucht nach einem Leben auf dem Land nie so groß gewesen zu sein. Romantisierende Hochglanzmagazine, die das Landleben preisen, füllen ganze Regale. Wie passt das zusammen?

Wenn die Hörner abgestoßen sind, spätestens aber wenn Nachwuchs in Sicht ist, stellt sich für viele die Grundsatzfrage: Landei oder Stadtaffe? Die Statistik sieht die Städte vorne. Es gibt aber auch eine Gegenbewegung. Wenn Mieten ins Uferlose steigen und der Hunger nach Trubel gestillt ist, dann steigt der Kurs der Provinz. Die jeweiligen Vorurteile sind vielfältig. Das Landleben sei langweilig, dessen Bewohner engstirnig, ungebildet und rückwärtsgewandt. Die Städter seien arrogant, oberflächlich und egoistisch. Ob Stadt oder Land muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt kein richtig und kein falsch und es ist schwierig, beide Lebensentwürfe zu bewerten oder miteinander zu vergleichen. Trotzdem haben wir im Netz gestöbert und ganz interessante Fakten gefunden.

Interessante Splitter:

Dort wo das Leben gemächlicher verläuft als in Berlin, München oder Hamburg sind die Menschen zufriedener. Das ist das Ergebnis des Glückatlas der Deutschen Post. Vor allem explodierende Mietpreise gelten als Glücksbremse für Stadtbewohner.

Zwei Drittel der Deutschen leben in Klein- und Mittelstädten mit weniger als 100.000 Einwohnern. Städte über dieser Schwelle gelten als Großstädte. Die mit Abstand größte Stadt in Deutschland ist die Hauptstadt Berlin mit fast 3,6 Millionen Einwohnern, gefolgt von Hamburg (1,8 Mio.). Fast winzig wirken beide gegen die größte Stadt der Welt: Chongqing in China mit 32 Millionen Einwohnern.

„Das modern-individualistische Stadtkind ist meist im Sprachausdruck weiter entwickelt als dessen Altersgenosse auf dem Land. Das Landkind dagegen ist selbstständiger und autonomer.“ Zu diesem Ergebnis kommt die Münchner Psychologin Doris Heueck-Mauß.

Stadtmenschen haben ein doppelt so hohes Erkrankungsrisiko für Schizophrenie. Das hat Mazda Adli, der Leiter des Forschungsbereichs Affektive Störungen an der Berliner Charité, herausgefunden.

Das ländliche Oberfranken gehört zu den sichersten Regionen in Deutschland. Laut amtlicher Kriminalstatistik wurden pro 100.000 Einwohner 2016 genau 4.579 Straftaten festgestellt. Man spricht hier von der Häufigkeitszahl. In Berlin lag diese im gleichen Zeitraum bei 16.161, also mehr als dreimal so hoch. Die Aufklärungsquote der oberfränkischen Polizei lag 2016 bei 73,8 Prozent. In Berlin wurden nur 42 Prozent aller Straftaten aufgeklärt.

München belegt 2017 in der Statistik der teuersten Städte Deutschlands seit Jahren unangefochten den ersten Platz, gefolgt von Frankfurt, Stuttgart und Ingolstadt. Die Nettokaltmiete kostet in der bayerischen Landeshauptstadt über 15 Euro pro Quadratmeter. Dort geht nicht selten ein Familienmitglied nur für die Miete arbeiten. Anders die Situation in Hof: Die Saalestadt zählt zu den günstigsten Wohnstädten in Deutschland. Dort kostet der Quadratmeter einer vergleichbaren Mietwohnung im Schnitt keine fünf Euro. Zwar ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in München höher als in Hof, allerdings nicht um diesen Faktor.

Im Jahr 2014 verzeichneten die sieben größten Metropolen in Deutschland zusammengerechnet erstmals seit 20 Jahren wieder einen negativen Wanderungssaldo bei der deutschen Bevölkerung. Es zogen also mehr Menschen mit einem deutschen Pass weg als zu. Insgesamt wachsen die Städte aber weiter, und sie werden internationaler. Zu den typischen Abwanderern gehören Familien mit wachsendem Platzbedarf. Hauptgrund für deren Abwanderung sind vor allem explodierende Immobilienpreise und Mieten.

Die Arbeitslosenzahlen sind in Städten strukturbedingt größer als auf dem Land. In München betrug die offizielle Quote im Januar 2018 4,3 Prozent, in Hamburg 6,8 Prozent, in Berlin 8,8 Prozent. In der Stadt Hof waren es 7,0 Prozent, im Landkreis Hof 3,8 Prozent. Damit liegt der Landkreis nur knapp über dem bayerischen Durchschnitt von 3,5 Prozent und deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 5,8 Prozent.

Auf ein Kind kommen in Hof 0,7 Kitaplätze. In München hat nur eines von fünf Kindern einen freien Kitaplatz.

Stuttgart ist die deutsche Stauhauptstadt. Die schwäbischen Autofahrer stehen pro Jahr im Schnitt fünf Tage im Stau. Das ist das Ergebnis des Stau-Index von TomTom.

Auch im Netz wird lebhaft über die Frage Stadt oder Land diskutiert. DER SPIEGEL hatte vor einigen Jahren seine Leser gefragt: Stadt oder Land - wo lebt sich's besser? Hier einige Reaktionen der Online-Leser (Anm. d.R.: Die Beiträge sind teilweise gekürzt, Rechtschreib- und Grammatikfehler wurden korrigiert.).

„Klar möchte ich meine Ruhe, Natur und weniger Stress. Und wenn man Kinder hat, die sich in den Städten mit allerlei Unannehmlichkeiten herumschlagen müssten, dann stellt sich die Frage sowieso nicht.“ Von alexl1966

„Ich frag' mich immer, was die Leute mit "stressig" meinen. Die Stadt stresst mich nicht. Dass ich im Umkreis von sagen wir mal einem Kilometer schätzungsweise 30 Restaurants, 20 Cafés, vier Kinos, fünf Supermärkte, drei Bauernmärkte, 12 Apotheken, zehn Bäcker, drei Reinigungen, zwei Metzger, drei Theater, drei U-Bahnstationen, zehn Bushaltestellen, eine Oper und eine Universität habe, halte ich nicht für stressig, sondern für sehr, sehr angenehm.“ Von Matt_999

„Ich bin in einem kleineren Ort mit 3.000 Einwohnern groß geworden und habe in mehreren Städten und Großstädten gelebt. Mein Fazit: In kleineren Orten ist die Lebensqualität höher. Die Natur ringsum wiegt sehr viel auf. Natürlich ist es für Zugezogene in einem größeren Ort einfacher. Die ländlichen Strukturen machen es nicht immer einfach Fuß zu fassen.“ Von Aslan

„Wenn man bei mir aus dem Fenster schaut, würde man denken ich lebe im tiefen Wald. In Wirklichkeit aber befindet sich meine Wohnung mitten in Köln, nur dass ich genau vor einem Park wohne. Gehe ich links aus der Tür, stehe ich auf einer riesigen Wiese umringt von hohen Bäumen, einem Schwimmbad dahinter, ein Fußball- und Basketballplatz und ein kleiner botanischer Garten. Wenn ich rechts rausgehe, stehe ich auf einer Hauptstraße mit fünf Supermärkten, unzähligen Cafés, Restaurants, Imbissläden, an jeder Ecke eine Straßenbahn- oder Bushaltestelle, die mich in fünf Minuten in die Innenstadt bringen. Und wenn ich die Straße etwas weiter gehe, steh ich schon wieder im nächsten Park.“ Von Batistuta

Ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen. In den letzten zwanzig Jahren habe ich in Großstädten wie Berlin, Frankfurt, London und New York gelebt und mich länger in zahlreichen anderen Metropolen in Europa, den USA und Lateinamerika aufgehalten. Das Leben vor allem in den europäischen Großstädten hat zweifelsohne viele Reize für die, die Kultur- und Konsummöglichkeiten wahrnehmen möchten. In US-Städten wie L.A. möchte ich dagegen nicht begraben sein. Städte in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Skandinavien haben durch die Wiederbelebung von Stadtteilen, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und neue Grünflächen merklich an Lebensqualität gewonnen. Trotzdem bietet das Land meiner Ansicht nach erheblich mehr Lebensqualität. Auf dem Land spielt der Einzelne eine größere Rolle als in der Stadt. Die Gestaltungsmöglichkeiten und die Freiheiten des Einzelnen sind größer. Kinder wachsen mit einem ganz anderen Gefühl der Selbstbestimmung auf. […] Ich habe den Eindruck, ich habe mehr Erfahrungen sammeln und ein größeres Gefühl der Freiheit und Eigenverantwortlichkeit entwickeln können, als meine Kinder dies heute tun, ganz abgesehen davon, dass ich ein anderes Verhältnis zur Natur, zu mir selbst und den Menschen in meiner gesellschaftlichen Umgebung entwickeln konnte. Je länger ich in Städten lebe, auch in solchen mit hoher Lebensqualität, umso mehr erscheint mir das Landleben als Privileg. Von Jinm

Von Jörg Raithel aus Karriereziel Hochfranken 2014
Collagen: Heidi Ruttmann

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Jörg Raithel