ARD, ZDF, Bayerischer Rundfunk. Andreas Fickenscher ist bei den großen Medien mittlerweile ziemlich gefragt. Auslöser für den Hype ist das Heimatbrot, das er im Rahmen seiner Fortbildung zum Brot-Sommelier entwickelt hat. Beeindruckend sind aber vor allem seine Leidenschaft und Liebe zum Beruf, sein Fachwissen über Brot, sein Optimismus.
Zuallererst ist Andreas Fickenscher Bäcker- und Konditormeister, außerdem studierter Betriebswirt, stellvertretender Vorsitzender der Slow Food-Vereinigung für den Bezirk Oberfranken und seit 2017 dessen erster Brot-Sommelier. Zusammen mit seinem Bruder Florian, dessen Frau Stefanie und der eigenen, Jessica, führt er Fickenschers Backhaus in Münchberg. Das gibt es seit fast 400 Jahren, genauer seit 1625. Andreas und Florian sind die elfte Generation des Familienunternehmens. Der Betrieb läuft, beschäftigt 85 Mitarbeiter und betreibt derzeit acht Filialen. Alles könnte so gemütlich sein, einfach so weiterlaufen. Soll es aber nicht. Andreas Fickenscher ist kein Verwalter. Zusammen mit seinem Bruder hat er den Betrieb kräftig umgekrempelt, modernisiert, neue Produkte entwickelt. Dabei galt immer die Maxime: Gutes bewahren, Neues entdecken.
Das Heimatbrot: Regionale Identität und Firmenphilosophie
Oberfranken ist bekannt für seine kulinarische Vielfalt und Qualität. Mit dem Heimatbrot, in dem bis auf das Meersalz nur Produkte aus Oberfranken stecken, bringt Andreas Fickenscher das auf den Punkt, was ihm lieb und wichtig ist: ausgewählte Zutaten aus der Region, Qualität und Ursprünglichkeit, echte Handwerkskunst. In jedem Stück Brot soll der Genießer ein Stück Heimat schmecken, die individuelle Note, das Besondere, das Oberfranken ausmacht. „Mit dem Heimatbrot vereinen wir, was aus unserem Boden gewachsen ist, darunter viele Sorten, die Slow Food Deutschland als Arche-Passagiere deklariert hat, Lebensmittel also, die vom Aussterben bedroht sind“, sagt der 45-Jährige. Im Landkreis Hof ist das zum Beispiel die Schwarzblaue Kartoffel. Nur im Frankenwald gibt es sie noch. Sie bildet am Ende die Kruste des Brotes. Weitere Zutaten sind der Fichtenspitzensirup, der Bamberger Knoblauch, Rauchbier und eine Prise der Gewürze Kümmel, Koriander, Anis und Fenchel. Die Rezeptur hat er sich nicht alleine ausgedacht. Entwickelt wurde das Heimatbrot in einer Crowdsourcing-Kampagne zusammen mit Wissenschaftlern und Fachleuten aus dem Lebensmittelhandwerk und der Gastronomie, darunter Sternekoch Alexander Herrmann, und den Menschen der Region. Rund 160 hat Fickenscher gefragt, wie Heimat für sie schmeckt. Gemeinschaftlich wurde so ein Konzentrat der oberfränkischen Genusskultur geschaffen. Passend zum Brot gibt es einen eigens kreierten Aufstrich, ebenso aus heimischen Produkten. Auch hier wurden schützenswerte Gewächse wie der Bamberger Spitzwirsing, die Gemüsezwiebel, der Knoblauch oder das Rauchbier verarbeitet.
„Das oberste Ziel des Projektes ist es, mehr Wertschätzung für gute, fair und handwerklich hergestellte Backwaren und den Beruf des Bäckers zu erreichen".
Wir müssen wieder zurückkommen zum bewussten Einkauf regionaler Produkte und bewusster Ernährung. Brot braucht eine Bühne", sagt der Bäckermeister. Es sei eigentlich ein Kulturgut, doch werde es heutzutage viel zu häufig verramscht. Das Heimatbrot ist deshalb auch ein bewusster Gegenentwurf zur industriellen Lebensmittelproduktion, zum globalisierten Fastfood und zur Verschwendung von Ressourcen. „Uns geht es darum, ein nachhaltiges Produkt zu schaffen, die Landwirte dazu zu bewegen, wieder vergessene Sorten anzubauen und den Verbraucher, den Wert des Produktes zu schätzen. Wirtschaftliche Interessen stehen nicht im Vordergrund.“
Digitalisierung gibt Raum für das Wesentliche
Andreas Fickenscher vertritt eine Unternehmensphilosophie, für die das Backhaus seit jeher steht: Handwerkskunst, Qualität und Regionalität. 80 Prozent der Rohstoffe kommen aus der Region, in der Backstube wird gänzlich auf Zusatzstoffe verzichtet. Tradition und Moderne gehen Hand in Hand. „Zum Beispiel ein Sauerteig, der braucht vor allem Zeit zum Reifen“, sagt er. „Zeit, die wir ihm geben, geben wollen.“ Möglich macht das auch die moderne Technik. Das Backhaus Fickenscher gehört zu den preisgekrönten Handwerksbetrieben, die die Digitalisierung als Chance begreifen und diese nutzen. Die beiden Geschäftsführer haben so gut wie alles, was nicht zu ihrem eigentlichen Handwerk gehört, automatisiert: Verwaltung, Controlling, Personaleinsatzplanung, Kassenführung und Warenwirtschaft. Auch das Wiegen der Zutaten und das Bereiten des Sauerteigs übernimmt ein Computer. Das entlastet nicht zuletzt die Angestellten. Mehr als 70 Prozent der einstigen Nachtarbeit fällt damit weg. Ein Faktor, der den Beruf des Bäckers wieder attraktiver machen soll. Dem Genusshandwerker Fickenscher bringt das vor allem Zeit, für neue Projekte und Experimente.
Experte in Sachen Brot
Seit Kurzem ist Andreas Fickenscher Oberfrankens erster Brot-Sommelier. Um sich gegen die Konkurrenz der großen Ketten zu behaupten, müssten sich kleine Bäckereien spezialisieren. Davon ist er überzeugt. Fickenscher möchte das vor allem mit Qualitätsprodukten. Dafür hat er neben seinem Beruf noch einmal die Schulbank gedrückt. Während der 11-monatigen Ausbildung an der Bundesakademie des deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim wurde er zum Experten in Sachen Brot ausgebildet. Er lernte die Grundlagen der Brotsensorik, das große Spektrum von Brotsorten aus aller Welt, die Weinheimer Brotsprache, Qualitative Bewertung von Brot oder Foodpairing, also die Kunst, Brot mit anderen Lebensmitteln zu kombinieren. Am Ende des Kurses stand eine staatlich anerkannte Prüfung der Handwerkskammer. Fickenscher ist seither einer von aktuell weniger als 50 staatlich geprüften Brot-Sommeliers in ganz Deutschland. „Ein Bäckermeister versteht, wie man Brot herstellt. Als Brot-Sommelier kann ich über den Brotzeitteller hinausschauen und zusätzlich eine detaillierte Geschmacksbeschreibung geben, zum Beispiel welcher Käse, welcher Schinken, welcher Wein oder welches Bier am besten zu einem würzigen fränkischen Landbrot passt. Die Fortbildung zum Sommelier hat meine Geruchs- und Geschmackssinne geschärft und mich noch ein Stück weit experimentierfreudiger gemacht.“ Etwas, wovon am Ende vor allem die Kunden profitieren dürften.