Kaffee mit Charakter: Eine Münchberger Manufaktur röstet Kaffee auf Aromamaximum

Philipp von Fechter (40) ist Neu-Münchberger, Kaffeeröster aus Leidenschaft und Gründer von 1897 – Wiener Kaffeehaus und Privatrösterei, einer Kaffeerösterei in Münchberg. Von Fechter ist Verfechter höchster Kaffee-Qualität und denkt gerne regional. Was Kolumbien, Wien und Münchberg verbindet und wie aus rohen Bohnen guter Kaffee wird – stadtlandhof hat den Röster gefragt.

Interview und Fotos: Maria Brömel

stadtlandhof: Herr von Fechter, wieviel Kaffee trinken Sie pro Tag?

Philipp von Fechter: Nicht mehr als die meisten. Heute früh einen Filterkaffee aus Handaufguss, in aller Ruhe mit der Familie, mittags eine Tasse, und abends eine als Absacker, bevor ich ins Bett gehe – einen guten Kaffee kann man immer trinken.

Haben Sie sich schon immer für Kaffee interessiert?

Nein, gar nicht, ich war früher Teetrinker. Ich komme ursprünglich aus der IT-Branche, hatte eine Zeitlang beruflich in Zürich zu tun und habe dort einen Kaffeeröster kennengelernt. Kaffee aus Massenröstung, wie er in Deutschland meistens getrunken wird, schmeckt ja eher sauer und bitter, aber selten gut. Der Züricher Röster machte alles in Manufakturarbeit, kein Computer, nichts. Und das hat mich gereizt, das Handwerkliche wie früher, mit Händen, Augen und Nase zu arbeiten. Kaffee ist ein Naturprodukt, automatisierte Prozesse werden ihm einfach nicht gerecht. Erst Manufaktur-Kaffee hat mir gezeigt, wie Kaffee schmecken kann, und hat mich zum Kaffeetrinken und dann zum Selber-Rösten gebracht. Mein Kaffeewissen habe ich mir dann autodidaktisch nach und nach angeeignet. Mittlerweile ruht die IT und ich lebe von der Rösterei.

Wie gut war Ihre allererste Röstung?

Naja, sagen wir mal, das war eher Kohle als Kaffee. Das passiert, wenn man meint, sich an irgendwelche Regeln halten zu müssen. Ich habe dann gelernt, meinem Gefühl zu vertrauen. Nach einem halben Jahr konnte ich sagen, das ist die hohe Röst-Qualität, die ich mir wünsche.

 

Rösten kann im Grunde jeder, der daheim eine Pfanne hat, aber es ist wie beim Kochen: Nur, wer Talent hat, Aromen gut zu komponieren, ist ein wirklich guter Koch – oder eben ein guter Röster.

Philipp von Fechter


Was haben Sie über Kaffee gelernt?

Vor allem, dass es ganz gewaltige Unterschiede gibt, und eine unglaubliche Vielfalt verschiedener Aromen pro Bohne – ja nachdem, aus welchem Land sie kommt, auf welchem Boden und in welchem Klima sie gewachsen ist, und dann auch, wie die Röstung den Charakter einer Bohne zum Vorschein bringen kann, wie ich Aromen kombiniere, verfeinere, veredle, und dann in Mischungen optimiere – das ist etwas absolut Kreatives, sogar Künstlerisches. Deshalb spreche ich auch von Röstkunst. Ich meine, Rösten kann im Grunde jeder, der daheim eine Pfanne hat, aber es ist wie beim Kochen: Nur, wer Talent hat, Aromen gut zu komponieren, ist ein wirklich guter Koch – oder eben ein guter Röster.

Ihre Kaffeerösterei ist etwas Besonderes im Hofer Land. Wie sind Sie nach Münchberg gekommen?

Ich bin 2014 mit meiner Familie aus Erding hierhergezogen. Für mich als selbständigen IT-Berater war die zentrale Lage zwischen Frankfurt, Prag, Berlin und München attraktiv. Und dann haben wir uns in diese Immobilie in Münchberg verliebt – die ehemalige Fabrikantenvilla in der Wilhelmstraße ist perfekt für mich, meine Frau und unsere fünf Kinder, und sie wurde auch zum Namensgeber für unsere Rösterei: Die Jahreszahl 1897 trägt das Haus in der Turmfassade und wir in unserem Unternehmensnamen. Das passt. Im Keller steht seit vorigem Jahr unser 15-Kilogramm-Chargenröster, der hat gerade so durch die alten Türen gepasst, und hier röste ich alle zwei Tage unsere Manufaktur-Kaffees.

Woher beziehen Sie Ihre Bohnen?

Von Großimporteuren aus Hamburg, Bremen und den Niederlanden, die das schon seit Jahrhunderten machen. Sie haben die Connections zu den Bauern, den Exporteuren, und von ihnen bekomme ich die Qualität, die ich brauche. Die Direct-Coffee-Idee, den Direktimport von den Farmen, finde ich gut, aber momentan schwankt mir da die Qualität noch zu stark. Unsere Importeure arbeiten nach Fairtrade-Standard, und die Bohnen kommen aus Süd- und Mittelamerika, Indien und afrikanischen Ländern; hauptsächlich Arabica-Bohnen, aber auch einige Robusta-Sorten. Robusta ist raßer, kräftiger, hat aber weniger Aromenvielfalt. Wir kombinieren die Bohnen in unterschiedlichen Mischungen mit Arabica, um Kraft und Harmonie auszutarieren.

Bei welchen Temperaturen rösten Sie?

Das kommt darauf an, welchen Röstgrad wir erreichen wollen, und reicht von 160 bis 220 °C, wobei die meisten Röstungen nicht in die tiefe Schwärze gehen und zwischen 160 und 190 °C liegen. Da erhalte ich genug Charakter von der Bohne und erreiche trotzdem einen schönen Röstgrad.

Sie tragen die Stadt Wien im Unternehmensnamen. Wieviel Wien steckt in Ihrem Kaffee?

Das, was wir anbieten, ist aus Wiener Röstung, einer eher stärkeren Röstmethode, die eine mittelbraune Bohne liefert, die durch das austretende Öl schön glänzt. Die Röstung erzeugt eine Bohne für alles: ich brauche nicht Espresso- oder Kaffeebohnen zu kaufen, sondern das Konzept beruht immer auf dem kleinen Schwarzen, der dann zum Kaffee verlängert oder zur Melange abgearbeitet wird. In Zeiten, wo fast jeder einen Vollautomaten hat, ist das die schönste Variante, Kaffee anzubieten. Unsere sehr dunkelröstigen Sorten würde ich eher für Espresso empfehlen, aber sonst sind alle unsere Kaffees für fast alle Zubereitungsarten geeignet.

Sie verstehen sich als Pionier des europäischen Kaffees, richtig?

Ja, wir haben den ersten kontinentaleuropäischen Kaffee geröstet! Angebaut wird er im Tropenhaus in Kleintettau im Landkreis Kronach. Das Tropenhaus hat Kaffeepflanzen aus Kolumbien als Schenkung bekommen und angebaut, wie viele andere tropische Pflanzen auch, der Kaffee wächst dort neben Ananas, Papaya, Bananen. Das Fruchtfleisch der Kaffeefrüchte wurde bereits in der Edelgastronomie – von Alexander Herrmann und anderen – für Nachspeisen, Soßen und Toppings von dort bezogen. Und wir haben uns gedacht: warum nicht auch die Bohnen verwenden? Zuerst haben wir uns ein paar Hundert Gramm besorgt und geschaut, was man daraus machen kann. Inzwischen haben wir eine Kooperation mit dem Tropenhaus, bekommen einige Kilo Ernte, kümmern uns selbst um die Trocknung und rösten daraus den Frankenkaffee.

Wie schmeckt Frankenkaffee?

Auf jeden Fall fruchtig, kirschig, beerig und auch sahnig, ein bisschen wie ein beeriges Sahnebonbon. Das liegt an der Art, wie er getrocknet und geröstet wird. Wir trocknen die fränkischen Bohnen auf vier verschiedene Weisen – sie bekommen so ihren jeweils eigenen Charakter. In der Fruchttrocknung ist der sehr süßlich, in Richtung Honig und Frucht, die anderen sind etwas freier, bleiben beim eigenen Kern der Aromen, den die Bohne hat. Beim Rösten habe ich mich dafür entschieden, eine etwas dunklere Note von den Washed Varianten und eine hellere von den Natural Varianten hereinzunehmen, und die Kombination macht den Kaffee röstintensiv, aber trotzdem schön fruchtig. Der Frankenkaffee ist nicht sauer und nicht bitter, und er liegt aus meiner Sicht auf Hochlandkaffee-Niveau.

Wo kann ich ihn trinken?

In unserem Kaffeehaus in Bayreuth, das wir seit 2018 in der Opernstraße betreiben.

Und was kostet die Tasse?

29,90 EUR. Bei dem Preis müssen Sie bedenken, dass wir eine wahnsinnige Handarbeit leisten – man kann sich das so vorstellen, als ob wir Zehntausende Sonnenblumenkerne knacken und den Kern herauspulen. Da ist schon viel Idealismus dabei. Das Geld geht außerdem in die Weiterentwicklung der Sache, wir wollen den regionalen Ansatz ausbauen.

Think global – act local: Ist das Ihre Überzeugung?

Ja, absolut. Zum einen wollen wir mit dem Frankenkaffee zeigen, dass man durchaus auch hier bei uns Kaffee anbauen kann – sogar nachhaltig, mit intelligenten Energiekonzepten wie in Kleintettau, wo Abwärme aus der Glasproduktion das Tropenhaus heizt. Wenn wir Kaffee hier anbauen, sparen wir uns 12.000 Kilometer Weg. Zum anderen geht es uns insgesamt um Regionalität, um Netzwerke hier vor Ort: Wir arbeiten nicht nur mit dem Tropenhaus in Kleintettau zusammen, sondern zum Beispiel auch mit Fickenschers Backhaus, das unseren 1897 Kaffee online vertreibt und ausliefert. Wir rösten Getreide für die Bäckerei Popp in Münchberg, Feinkost Wunderlich verkauft unsere Kaffeesorten in den Filialen in Münchberg, wir beliefern das Restaurant Kreuzstein in Hof, die Kantine der Regierung von Oberfranken in Bayreuth, rösten Kakaobohnen für die oberpfälzische Feinbrennerei Culm, arbeiten für unsere hauseigene Confiserie mit Krestationen in Oberkotzau zusammen. Auch in ausgewählten REWE-, Kaufland und EDEKA-Märkten sind wir präsent.

Wann eröffnen Sie ein Café in Münchberg?

Das dauert leider noch. Wir hatten das vor, in dem kleinen Häuschen direkt vor der Villa in der Wilhelmstraße, aber da sind baulich noch Fragen zu klären – und unser Kaffeehaus in Bayreuth nimmt uns aktuell einfach voll in Beschlag. Unseren Kaffee kaufen kann man aber natürlich jederzeit: nicht nur in Bayreuth, sondern online, über Telefonbestellung oder direkt in Münchberg. Frisch geröstet, frisch verpackt, alle Sorten. Wir führen Singles und Blends, alles in ganzer Bohne oder auf Wunsch und ab größerer Menge auch frisch gemahlen. Für Geschäftskunden kreieren wir auch eigene Mischungen und organisieren auf Wunsch kleine Kaffee-Seminare und Schauröstungen.

Welche Ideen wollen Sie als nächstes von Münchberg aus verwirklichen?

Wir wollen den Frankenkaffee vorantreiben, arbeiten an Specials wie rein jamaikanischem oder hawaiianischem Kaffee, haben lange an unserem koffeinfreien Kaffee gearbeitet, der nach der Swiss Water Methode, komplett natürlich und ohne Chemie, entkoffeiniert wird und jetzt neu im Sortiment ist; wir arbeiten an einem Muckefuck, einem Gerstenkaffee aus regionalem Getreide, erweitern unser Angebot an gerösteten Bio-Getreidesorten auf Dinkel, Hafer, Weizen, Mais und Buchweizen – für Bäckereien, Gastronomie, Privatleute und Babynahrung. Wir haben sehr viele Ideen. Nur eines wollen wir nicht: Masse. Wir bleiben auf jeden Fall Manufaktur, das ist mein Anspruch. | www.1897kaffeehaus.de

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Maria Brömel

Die gebürtige Bobengrünerin hat an der Universität Eichstätt Journalistik studiert und nach ihrem Abschluss einige Jahre lang als Redakteurin, Moderatorin und Sprecherin für einen hochfränkischen Radiosender gearbeitet. Seit 2011 schreibt und lektoriert sie für verschiedene PR-, Print- und Onlinepublikationen. Die freie Journalistin lebt in Hof.