In Schweinsbach bei Münchberg hat sich Erwin Strößner ein Lebenswerk aufgebaut: die größte Streuobstwiese in ganz Bayern. Und als ob das alleine nicht schon reicht, findet man auf dem Vierseithof auch noch eine Kelterei, eine Brennerei und eine Zimmerei. Er hat mich bei meinem Besuch auf seinem Hof so herzlich empfangen, dass ich mich sofort wohl und willkommen gefühlt habe. Was er mir alles Überraschendes zu erzählen hatte, könnt ihr in diesem Artikel lesen.
Oberfränkischer Charme und Herzlichkeit im Hofer Land
„Servus! Ich bin der Erwin, gell. Komm mal rein, ich muss dir gleich was zeigen.“ Wenn man so begrüßt wird, kann man sich doch nur wohlfühlen. Eigentlich dachte ich, das wird ein Interviewtermin für einen Artikel über eine Brennerei im Hofer Land. Aber daraus wurde unerwartet sehr viel mehr. Ein kleiner Rundgang durch den Jahrhunderte alten Bauernhof. Eine Einführung in die Restauration von denkmalgeschützten Gebäuden. Eine Lehrstunde in Sachen Saft keltern und Schnaps brennen. Und nicht zuletzt eine Verkostung von Selbigem mit vielen spannenden Geschichten aus Erwin Strößners bewegtem Leben.
Ehrfurcht und Respekt vor Vergangenem
Der Vierseithof und das dazugehörige Land ist seit 1926 im Besitz der Familie Strößner. Es liegt nahe, dass Erwin gelernter Landwirt ist. Wie so viele, treibt es auch ihn erstmal raus in die Welt. Er macht deswegen nochmal eine Ausbildung als Zimmerer und kommt in ganz Deutschland rum.
Er arbeitet bei einer Firma, die sich auf die Restauration von denkmalgeschützten Gebäuden spezialisiert hat. Durch diese Arbeit wird ihm die Ehre zuteil, an historisch bedeutenden Bauten mitzubauen.
„Das Arbeiten an solchen Gebäuden ist wirklich etwas besonders. Man bekommt Ehrfurcht vor der Zeit und vor allem ein gutes Gespür für Nachhaltigkeit.“ Erwin Strößner
Stolz zeigt er mir Bilder von Schloss Sanssouci in Potsdam und Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Bundesregierung in Brandenburg. An der Restauration von beiden Gebäuden hat Erwin Strößner jahrelang mitgearbeitet. „Das Arbeiten an solchen Gebäuden ist wirklich etwas Besonders. Man bekommt Ehrfurcht vor der Zeit und vor allem ein gutes Gespür für Nachhaltigkeit“, erzählt mir Erwin. Durch seine Arbeit lernt er, alte Dinge zu schätzen und in Ehren zu halten.
Zurück zu den Wurzeln
Im Jahr 1990 kommt Erwin Strößner zurück nach Schweinsbach. Er übernimmt den Bauernhof seiner Eltern mit 30 Hektar Land und 7 Hektar Wald dazu. Er macht sich dort mit seiner eigenen Zimmerei selbstständig und beginnt den Hof komplett zu restaurieren. Dabei ist es ihm wichtig, das „Alte“ zu bewahren. Er zeigt mir Schränke und Truhen, die Jahre lang auf dem Dachboden standen.
„Das macht mich wirklich stolz, all diese schönen alten Gegenstände hier zu haben.“ Erwin Strößner
Sie wurden alle aufgearbeitet und dienen Familie Strößner jetzt als ganz normale Möbel, wie bereits einigen Generationen vor ihnen. „Das macht mich wirklich stolz, all diese schönen alten Gegenstände hier zu haben. Es wird so vieles heutzutage einfach weggeworfen, das mag ich gar nicht“, sagt Erwin. Teilweise sind die Schränke fast 200 Jahre alt. Und zu jedem kennt Erwin mindestens eine Geschichte. In liebevoller Kleinarbeit arbeitet er jahrelang nebenher an dem Bauernhof. „Ich habe vieles wieder so gebaut, wie ich es aus meiner Kindheit und Jugendzeit im Kopf hatte“, erzählt mir Erwin stolz.
Die Entstehung der größten Streuobstwiese Bayerns
Seit der Hofübernahme im Jahr 1990 wurde auf dem Land des Schweinsbacher Hofes nicht mehr gedüngt oder gespritzt. Es dauert wegen einer Teilstilllegung der Wiesenfläche aber noch 10 weitere Jahre bis Erwins Idee, sein Land wieder in ein naturfreundliches Biotop zu verwandeln, Formen annimmt.
„Wir möchten eine naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung unserer Landschaft.“ Erwin Strößner
Im Jahr 2001 wurden die ersten Obstgehölze mit Hilfe des Landschaftspflegevereines gepflanzt. „Wir möchten eine naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung unserer Landschaft. Unser Ziel ist es auch, die alten Obstsorten zu erhalten“, erzählt Erwin Strößner. Er erschafft so nicht nur ein einzigartiges Umfeld für Wildtiere und Insekten, sondern auch für den Menschen. 2006 bekommt er dafür das Ehrenzeichen des bayrischen Ministerpräsidenten verliehen.
Mittlerweile sind auf über 9 Hektar ungefähr 1000 Obststämme zu finden. Dazu zählen allein 25 verschiedene Sorten Äpfel, 8 Sorten Birnen, 9 Sorten verschiedener Zwetschgen und 8 Sorten unterschiedlicher Kirschen.
Arbeit wohin das Auge reicht
Wer jetzt denkt, man müsste das Obst im Spätsommer nur ernten, täuscht sich gewaltig. Die Bewirtschaftung einer Streuobstwiese verspricht viele lange Tage voller mühsamer Arbeit. Jeder einzelne Jungbaum wurde mit einem Drahtkorb gegen Wühlmäuse versehen. „Viele Bäume gingen am Anfang ein, weil die Wühlmäuse ihnen zu schaffen machten“, erzählt mir Erwin.
Dazu muss jeder junge Baum in den ersten fünf bis zehn Jahren „erzogen“ werden. Wenn man irgendwann einen großen, gesunden und ertragreichen Obstbaum haben will, muss man beispielsweise an der gewünschten Kronenstruktur arbeiten. Viele Obstbäume wachsen von Natur aus eher in die Höhe. Zur Ernte bräuchte man dann zehn Meter hohe Leitern.
„Arbeit gibt es bei uns wirklich immer genug und es gibt immer etwas zu tun, egal in welcher Abteilung des Hofes.“ Erwin Strößner
Also wird mit dem richtigen Beschnitt für eine eher breite und starke Krone gesorgt, damit der Baum unter der Last der Früchte nicht zusammenbricht und diese bei der Ernte gut zu erreichen sind. Auch in der Blütephase wird darauf geachtet, dass das Gleichgewicht zwischen Trieben und Fruchtbildung stimmt. Dieses fundierte Wissen über Obstgehölze und deren Pflege eignet sich Erwin Strößner unter anderem auf einer einjährigen Fortbildung zum „Zertifizierten Landschaftsobstbauern“ an. Erwin gesteht mir schmunzelnd: „Arbeit gibt es bei uns wirklich immer genug und es gibt immer etwas zu tun, egal in welcher Abteilung des Hofes.“ Zudem besitzt Familie Strößner noch fast 7 Hektar Wald. „Wir haben bereits vor 30 Jahren damit begonnen, den Wald nachhaltig aufzuforsten. Es ist jetzt ein ausgeglichener und gesunder Mischwald“, berichtet mir der Landwirt.
Kelterei und Brennerei entstehen
Im Laufe der Zeit überlegt Erwin öfters einmal, was man aus seinem Hof noch alles machen könnte. Wie unschwer zu erkennen ist: Erwin Strößner steht nicht still und ist ein Mann der Tat. Er beantragt ein Brennrecht beim Hauptzollamt, um aus seiner Ernte edle Obstbrände brennen zu können. „So ein Brennrecht bekommt man nicht einfach so. Das ist mit sehr viel bürokratischem Aufwand verbunden. Früher wurden Brennrechte sogar nur vererbt oder man hat nur eines bekommen, wenn jemand anderes seines zurück gegeben hat“, erzählt mir Erwin. Das hat auch einen guten Grund. In der Nachkriegszeit sind viele Menschen aus Unwissenheit an dem gebrannten Alkohol gestorben. „Der sogenannte Vorlauf besteht unter anderem aus giftigem Methanol. Unter keinen Umständen darf der Vorlauf so getrunken werden“, mahnt Erwin.
„Für mich steht die ausgezeichnete Qualität aus nachhaltiger und natürlicher Bewirtschaftung der Obstbäume über allem.“ Erwin Strößner
Der ehemalige Schweine- und Hühnerstall des Bauernhofes werden zu geeigneten Räumen umgebaut. Heute findet man dort eine große Küche mit Lagerungsmöglichkeit, einen Raum für Verkostungen und eine Halle, in der die große Saftpresse und die Destille der Marke Holstein steht. Rund 300 Liter darf Erwin im Jahr brennen. „Wir stellen kein Massenprodukt her, das möchten wir auch gar nicht. Für mich steht die ausgezeichnete Qualität aus nachhaltiger und natürlicher Bewirtschaftung der Obstbäume über allem“, sagt Erwin mir stolz.
Auch beim Obstbrand: Beste Qualität entsteht unter besten Bedingungen
Erwin Strößner stellt in seiner Brennerei feinste Obstbrände verschiedener Sorten her. Darunter findet man auch einen besonderen Schatz: einen Apfelbrand, der im Bourbonfass gereift ist. Er hat eine Fassstärke von 60,8 %. Es gibt ihn aber auch mit 55 % oder 45 %. Durch die Lagerung in diesen besonderen Fässern bekommt er eine vanillige Note und eine bräunliche Farbe.
Vor einiger Zeit hat der Obstbauer auch begonnen, Apfelwein herzustellen. Ebenso bekommt man auf dem Schweinsbacher Hof auch Apfelsaft in 5 Liter oder 10 Liter Bag-in-Box Behältern. Und natürlich kann man seine eigenen Äpfel dort auch zu Saft verarbeiten lassen. Er erzählt mir, dass es an der Qualität der Äpfel liegt, wie viel Saft man daraus gewinnen kann. Im Durchschnitt bekommt man aus 100 kg Äpfeln ungefähr 50-65 Liter Saft.
Erwin Strößner hat sich auf vielfältige Weise ein Lebenswerk auf seinem Vierseithof erschaffen, auf das er zu Recht stolz sein kann. Er sagt selbst: „Ich habe mich entschieden, den härteren Weg zu gehen. Nachhaltigkeit bedeutet eben oft auch mehr Arbeit, aber das ist es mir wirklich wert.“ Und das schmeckt und sieht man auch. Öffnungszeiten sucht man bei ihm im Übrigen vergebens. „Die Leute kommen einfach bei uns vorbei oder rufen an, wenn sie was möchten. Wir haben hier weder Öffnungszeiten noch einen richtigen Laden“, gesteht Erwin schmunzelt. So ist das eben auf dem Land und bei herzlichen Oberfranken.
Ich für meinen Teil habe versprochen wiederzukommen. Zur Erntezeit im Spätsommer, um dabei helfen.