Thorsten Franz ist Landwirt aus Leidenschaft. Zusammen mit seiner Frau Helene betreibt der 39-Jährige in Löhmar in der Nähe von Schwarzenbach am Wald den Frankenwälder Streuobsthof und eine Imkerei. Thorsten und Helene sind Teil einer wachsenden Gegenbewegung in der Landwirtschaft, in der sich kleinere Betriebe zurückbesinnen zu ihren Wurzeln, sich abgrenzen von industrieller Massenerzeugung, hin zur Produktion nachhaltiger und regionaler Qualitätsprodukte.
Löhmar ist ein beschauliches, nein, ein sehr beschauliches Örtchen im Frankenwälder Outback, gelegen im Landkreisdreieck Hof, Kulmbach, Kronach, auf knapp 600 Meter Höhe mit Blick auf den Döbraberg. Zehn Häuser, 30 Einwohner, ein Feuerwehrhäuschen, ein schöner Dorfplatz mit Eiche und Brunnen. Samstags kommt der Bäcker, im Sommer der Eismann und einmal pro Woche die Biokiste und der Bierfahrer – Entschleunigung pur. „Hier kommt man zur Ruhe“, sagt Thorsten Franz, der seit Kindesbeinen in Löhmar lebt.
Das Interview für diesen Artikel findet in sehr familiärem Rahmen statt. Ich bin zum Frühstück eingeladen, zusammen mit Thorstens Frau Helene und den Töchtern Johanna (13), Hermine (3) und Lotte (1). Am Frühstückstisch wird schon klar, dass die Uhren im Hause Franz anders ticken als in deutschen Durchschnittshaushalten. Der Tisch ist gefüllt mit Produkten aus der Region, viel Handgemachtes, Wasser gibt es nicht aus der Flasche, sondern in einer Karaffe aus der Leitung.
„Nachhaltigkeit ist für uns ein großes Thema. Wir versuchen bewusst zu leben und auf Überflüssiges zu verzichten. Wir bauen viel selbst an und beziehen soweit es geht Produkte aus der Region“, sagt die 37-jährige gebürtige Niederbayerin, die seit 2016 in Oberfranken lebt. Thorsten und Helene Franz tun das nicht mit erhobenem Zeigefinger. Sie leben das aus Überzeugung und sie tun es nicht nur als Konsumenten, sondern seit einigen Jahren auch in der Rolle als Erzeuger, als Landwirte.
Aus Liebe zur Natur und aus Leidenschaft zur Landwirtschaft
Thorsten und Helene sind beide berufstätig. Sie arbeitet drei Tage pro Woche als Maschinenbauingenieurin bei BMW in Dingolfing, ihrem Heimatort, er ist technischer Zeichner bei Faber-Castell in Geroldsgrün. „Der Gedanke, neben unseren Berufen wieder Landwirtschaft zu betreiben, der kam nicht von heute auf morgen“, sagt Thorsten. „Wir haben ja auch drei Kinder und uns ist bestimmt nicht langweilig. Aber das Arbeiten mit der Natur, draußen sein, etwas Eigenes entwickeln, das steckt tief in mir drin. Ich bin hier verwurzelt und wollte aus dem Hof meiner Großeltern wieder was machen.“
Thorsten fing vor 14 Jahren – da kannten sich die beiden noch nicht – an, den alten Bauernhof der Großeltern, den er überschrieben bekommen hatte und auf dem die Familie heute zusammenlebt, wieder zum Leben zu erwecken. Was genau er machen wollte, wusste er damals noch nicht. Was aber klar war, dass er nicht in die konventionelle Massenproduktion einsteigen wollte, sondern naturnah produzieren, mit einem Nischenprodukt, das sich direkt vermarkten lässt, das beim Verbraucher einen Wert hat und auf dessen Wertschöpfungsprozess er Einfluss nehmen kann, von der Erzeugung, über die Weiterverarbeitung und Veredelung bis zum Verkauf.
„Mir war klar, dass ich mit der kleinen Fläche von sechs Hektar keine Milch produzieren kann. Obwohl ich das mittlerweile auch anders sehe. Mit der richtigen Veredelung der Milch könnte man vielleicht auch mit nur vier Kühen wirtschaften. Es gibt ja genügend gute Bespiele dafür. Aber damals hatte ich da einen anderen Standpunkt. Ich wollte mich ja auch etwas abgrenzen von der Masse. Ich hab dann aus dem Bauch heraus auf der Wiese neben dem Hof einfach mal Obstbäume gepflanzt, ohne genau zu wissen, was ich eigentlich mit dem Obst machen wollte. Das ist mir auch heute noch gar nicht so richtig klar. Wir haben verschiedene Ideen, zum Beispiel Schnapsbrennen oder das Trocknen der Früchte zu Dörrobst. In den ersten Jahren sind die Erträge ja sowieso noch nicht so hoch. Das wird sich fügen.“
„Ausgewachsene hochstämmige Streuobstwiesen sind ja auch ein tolles Landschaftselement. Mir hat der Gedanke der Streuobstwiese und die Kulturform des Streuobstackers einfach gefallen. Diese Kulturform ist uralt und einfach genial – ich bin großer Fan davon. Zwischen den Baumreihen können andere Kulturen angebaut werden. So hat man eine mehrfache Nutzung der Fläche. Die Bäume spenden Schatten für die andere Frucht und ziehen mit ihren Wurzeln Nährstoffe aus tieferen Bodenschichten, die sie durch den Laubfall und das Fallobst im Herbst an die oberen Schichten abgeben. Ein idealer Kreislauf. Außerdem ist diese Kulturform reich an Biodiversität.“
Der Weg ist das Ziel
Anfangs haben Thorsten und Helene Feldgemüse zwischen den Obstbäumen angebaut; Karotten, Pastinaken, rote Beete, Kürbisse und die Schwarzblaue Frankenwälder Kartoffel – und es an Biomärkte in der Region geliefert. „Das haben wir zwei Jahre gemacht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es bedeutet, Lebensmittel anzubauen und selbst zu vertreiben. Es hat super viel Spaß gemacht, hatte aber wirtschaftlich keine echte Perspektive“, sagen beide heute. „Zeitweise haben wir auf der Obstwiese als Unternutzung Gänse gehalten und sie als Martins- und Weihnachtsgänse verkauft.“ Aber auch das war noch nicht das richtige. Denn bei aller Leidenschaft, eine Liebelei soll die Landwirtschaft nicht sein. „Wirtschaftlichkeit ist die Grundlage für jedes Unternehmen und auch wir müssen damit Geld verdienen. Wir möchten aber auch zeigen, dass man auch mit kleiner Fläche und mit nachhaltiger Wirtschaftsweise Geld verdienen kann.“
„Bio sollte meiner Meinung nach die Minimalanforderung in der Landwirtschaft und für die Produktion von Lebensmitteln sein.“
Thorsten Franz
Thorsten und Helene sind in ihrer Arbeitsweise sehr akribisch, aber auch offen für Unvorhergesehenes. „Wir haben in den Anfangsjahren viel experimentiert, viele Kurse besucht, zu verschiedenen Themen, die uns interessierten – nicht nur zum Obstbau, auch zur Hühnerhaltung oder Schafzucht. Wir haben Fehler gemacht und daraus gelernt. Wir haben Exkursionen gemacht und machen heute noch regelmäßig welche, auch international, zum Beispiel nach Österreich, in die Schweiz, nach Tschechien oder auch Frankreich und schauen uns andere Betriebe an, um von ihnen zu lernen.“ Es sei wichtig, sagt Thorsten, rauszugehen und sich die Dinge vor Ort anzuschauen.
Dann kamen die Bienen
Die Imkerei habe sich mehr oder weniger ergeben, eins kam zum anderen. „Ich hatte schon immer den Gedanken, mir ein paar Bienen zu halten. Die Streuobstwiese ist ja das ideale Umfeld. Nachdem ich die ersten Bäume gepflanzt hatte, habe ich mich mit der Bienenhaltung auseinandergesetzt, Rat bei anderen Imkern gesucht, Kurse besucht und dann schließlich mein erstes Volk gekauft.“ Auch Helene hatte früher, als sie noch in München wohnte, selbst geimkert. Ihre Völker sind mit ihr nach Oberfranken gezogen.
Und so sei die Sache eben gewachsen, sagt Thorsten, auf fünf Bienenvölker, dann zehn, 20, 40, 60 und so weiter. Die Bienenkästen stehen im ganzen Frankenwald verteilt – am Rande von Buchweizenfeldern, im Wald und an Waldrändern und natürlich auf seinen Streuobstwiesen. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Geschmacksrichtungen des Honigs. „Unser Honig ist eine Geschmacksreise durch den Frankenwald und ein Stück Glück aus Löhmar. Wir möchten über den Honig die Vielfalt der Region präsentieren.“ Acht Sorten bieten Thorsten und Helene derzeit an, zum Beispiel Lindenhonig, Waldhonig, Tannenhonig, Frühlings- oder Buchweizenhonig.
Die Imkerei ist mittlerweile das wichtigste Standbein des Frankenwälder Streuobsthofes und Thorsten und Helene investieren neben Hauptberuf und Familie sehr viel Zeit und Geld in das Projekt. 150.000 Euro haben sie in den vergangenen Jahren investiert, in professionelle Bienenkästen, einen Wirtschaftsraum mit allerlei Maschinen und Helferchen zum Ernten und Verarbeiten des Honigs – etwa eine Maschine zum Entdeckeln, also zum Öffnen der Waben, eine Abfüll- oder eine Etikettiermaschine, die alleine so viel kostet wie ein Kleinwagen. Sie vermarkten ihre Produkte hauptsächlich über regionale Biomärkte – in Hof, Kulmbach, Kronach, Bayreuth, aber auch Nürnberg oder Erlangen. Auch ab Hof in Löhmar und online über den RegioMarkt kann man den Honig kaufen. „Außerdem entwickeln wir gerade Ideen, um unseren Honig in kleinen Probiersets für Touristen anzubieten – als kulinarisches Souvenir aus dem Frankenwald.“
Back to the roots und Verantwortung übernehmen
Thorsten und Helene sind Teil einer wachsenden Gegenbewegung von Landwirten, die sich zurückbesinnen zu ihren Wurzeln, die auf Nachhaltigkeit, natürliche Kreisläufe und den Kontakt zum Verbraucher setzen. „Unsere Landwirtschaft hier in Deutschland ist mittlerweile zu einem Industriezweig geworden, der zum größten Teil auf Export und Massenproduktion ausgerichtet ist. Wir produzieren mehr Fleisch als wir in Deutschland verbrauchen, bringen mehr Gülle aus als unsere Böden und das Grundwasser vertragen, verschiffen Getreide zu Dumpingpreisen nach Afrika, an den Börsen werden Lebensmittel gehandelt wie Aktien – mit allen Konsequenzen für Natur, Umwelt und Gesellschaft. Warum brauchen die Chinesen Milchpulver aus Deutschland, warum wir Rindfleisch aus Argentinien? Wir leben in einer maßlosen Überflussgesellschaft, unsere Nahrungsmittel erfahren überhaupt keine Wertschätzung mehr beim Verbraucher. Die Lebensmittelpreise sind in keinem EU-Land sind billig wie hier bei uns, nirgends wird so viel weggeschmissen. Dieses immer mehr und immer billiger hat Grenzen. Wir leben in vielerlei Hinsicht auf Kosten anderer.“
Wir müssen umdenken, uns anders ernähren und etwas zurückbesinnen. Wir können viel aus der Vergangenheit lernen. Die kleinen Wirtschaftskreisläufe, wie wir sie früher hatten, die waren meiner Meinung nach vorbildlich. Thorsten Franz
„Was aktuell auf den Straßen passiert“, sagt Thorsten, „die Demonstrationen und Proteste der jungen Generation, das ist richtig und wichtig. Wir als Gesellschaft müssen umsteuern und wieder mehr in natürlichen Kreisläufen denken, die Natur nicht ausbeuten, sondern mit ihr arbeiten. Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch sinnvoll. Helene und ich machen uns Sorgen und wir versuchen unseren Beitrag zu leisten.“
Thorsten und Helene sind keine Globalisierungsgegner und auch keine verklärten Nostalgiker. Sie haben verstanden, sind konsequent und übernehmen Verantwortung.