In der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung geht der Trend seit Jahren zu immer größeren Betrieben und zu industrieller Fertigung. Die Landmetzgerei Strobel aus Dörnthal im Landkreis Hof stemmt sich gegen diesen Trend und setzt zusammen mit ihren Vertragsbauern neue Maßstäbe. Die Produkte sollen sich klar von dem abheben, was es im Supermarkt gibt – in puncto Qualität und bei der Frage, wie sie erzeugt werden.
Rüdiger Strobel ist ein umtriebiger Mann. Seine Emailsignatur liest sich wie die eines Serienunternehmers. Der 47-jährige ist Fleischermeister und Inhaber der Landmetzgerei Strobel in Dörnthal. Er ist der erste Diplom-Fleischsomelier Oberfrankens, Genussbotschafter und Gründungsmitglied der Genussregion Oberfranken. Außerdem ist Strobel Eventmanager. Er betreibt die Eventhalle Strobel, eine Veranstaltungshalle, in der jährlich bis zu 50 Veranstaltungen stattfinden. Hochzeiten und Familienfeiern, aber auch Theaterstücke, Lesungen, Kabarett oder Konzerte. Verköstigt werden die Gäste selbstverständlich ausschließlich mit eigenen Produkten. Für diesen Vermarktungsansatz hat Strobel den Design- und Erfinderpreis der Handwerkskammer erhalten, für zukunftsweisende Marketingkonzepte und innovative Produkte und Designs.
Rüdiger Strobel führt den Familienbetrieb, den sein Vater vor 38 Jahren gegründet hat, zusammen mit seiner Frau Stefanie seit 2001. 24 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, in einer Metzgerei, die als Vorzeigeunternehmen gilt. Als Vorzeigeunternehmen deshalb, weil Strobel innovative Marketingansätze verfolgt, weil die Metzgerei seit jeher für herausragende und preisgekrönte Qualität steht, weil er seine Ware zu 100 Prozent aus der Region bezieht, weil er dem Fachkräftemangel mit kreativen Ideen begegnet und damit erfolgreich ist, weil Strobel umsichtig ist, er sich als Glied in einer Kette sieht, in der jeder vom anderen abhängig ist, und weil Strobel auch in puncto artgerechte Tierhaltung Vorreiter ist.
Veredelung statt Massenware
In der Lebensmittelproduktion geht der Trend hin zu industrieller Fertigung, mit all ihren Konsequenzen. Immer mehr Ware soll zu immer geringeren Kosten produziert werden. Auch weil viele Verbraucher das gewohnt sind und der Staat die Massentierhaltung jahrelang gefördert hat und das zum Teil heute noch tut. Es gibt aber auch eine Gegenströmung, die für Nachhaltigkeit und Wertigkeit steht. Strobel ist ein Vertreter dieses Ansatzes. Er will neue Maßstäbe setzen. Maßstäbe in der Qualität, und der Art und Weise, wie die Tiere gehalten werden. Er verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, von dem alle Glieder einer langen Kette, vom Tier und der Umwelt, über die Erzeuger und Verarbeiter bis letztendlich zum Kunden profitieren sollen.
Pionier in artgerechter Tierhaltung
Anfang 2015 geht der Metzgermeister in die Offensive und entscheidet sich, künftig nur noch regionales Schweinefleisch von Tieren zu verarbeiten, die auf Stroh statt auf Betonspalten gehalten werden. Sein Entschluss sorgt für Aufsehen in einer von großen Mastbetrieben dominierten Lebensmittelindustrie. Schweine auf Stroh zu halten gilt dort als altmodisch und arbeitsintensiv, etwas, das nur Idealisten und Träumer machen. Momentan wird nur etwa ein Prozent aller in Deutschland produzierten Mastschweine auf Stroh gehalten.
„Ich bin mit der Haltung auf Spaltenböden nicht klargekommen“, sagt Strobel, „obwohl sie vom Bauernverband und der Politik propagiert wird. Ein Schwein möchte sich ordentlich bewegen und seinem Wühlinstinkt nachkommen können. Auf Spaltenböden ist das nicht möglich.“ Tierschützer beklagen schon lange die Haltung auf Spaltenböden. Sie führt zu Gesundheitsproblemen, die letztendlich auch die Fleischqualität beeinflussen. Die auf Stroh gehaltenen Schweine bewegen sich in naturnaher Umgebung und haben mehr Beschäftigungsmöglichkeiten. Deshalb sind weniger tierärztliche Behandlungen notwendig, und damit wiederum sinkt auch der Einsatz von Medikamenten. Strobels Ziel ist es, eine Kehrtwende in der Schweinehaltung zu fördern, zusammen mit den Bauern, die ihn beliefern. Dieser Ansatz wurde in die Premiumstrategie für Lebensmittel der Bayerischen Staatsregierung aufgenommen.
Chance für die kleinen Betriebe
Die Haltung der Schweine auf Stroh ist aufwendiger. Dafür zahlt Strobel den Bauern einen besseren Preis. Mindestens 1,45 Euro pro Kilo Lebendgewicht, rund 20 Prozent mehr als für Betonspalten-Schweine. Diese Mehrkosten nimmt Strobel in Kauf, weil es der Qualität zugutekomme. Und Qualität ist für ihn ein entscheidender Faktor im Wettbewerb mit den großen Supermarktketten. „Das Fleisch der Strohschweine ist besser“, sagt er, ausgereifter, etwas dunkler und kerniger als das der Mastschweine, die auf Spalten gehalten würden.
Das Interesse an artgerechter Tierhaltung nehme immer mehr zu, meint Strobel: „Man spürt, dass da ein Umdenken einsetzt.“ Die Kunden sähen den Mehrwert und viele seien auch bereit, einen höheren Preis für bessere Qualität zu bezahlen. Artgerechte Tierhaltung sei auch eine Chance und eine Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft. In großen Beständen mit 50.000 Tieren sei eine artgerechte Haltung nur schwierig möglich.“
Öffentlichkeitsarbeit im Schweinestall
12 Landwirte beliefern Strobel derzeit. Aber nicht alle in der Region sind von der Sache begeistert. Es gab vor allem in der Anfangsphase viel Neid und Lästerei von konventionellen Bauern. Sie fürchten um ihr eigenes Ansehen und den Verfall der Preise für Betonspalten-Schweine. Auf Skepsis reagiert Strobel mit Transparenz und Aufklärung. Alle Vertragsbauern sind im Internet veröffentlicht. Außerdem organisiert Strobel regelmäßig Exkursionen, macht Führungen zu den Bauern und im eigenen Betrieb und hält Vorträge. „Transparenz ist uns absolut wichtig. Wir zeigen den Unterschied.“
Veränderung ist eine Frage der Haltung und der Einstellung Einzelner, die Dinge anders machen. Die Landmetzgerei Strobel ist ein gutes Beispiel dafür. Seit September 2018 hält Strobel eine kleine Herde Gelbvieh in Dörnthal. „Ein Experiment“, wie er sagt. Das Ziel: nur noch Rindfleisch aus artgerechter Weidehaltung anzubieten. www.metzgerei-strobel.de