Die Band Waldschrat sollte im Hofer Land auf jeden Fall unter dem Schlagwort „Traditionen“ eingeordnet werden. Dass diese Tradition generationsübergreifend, genial und unvergleichlich ist, wisst ihr spätestens, wenn ihr meinen Bericht über die fünf Musiker und ihre schräge, fränkische Mundartband gelesen habt. Den Begriff „Musiker“ lässt mir der Kopf der Band, Harry Tröger übrigens gar nicht durchgehen. „Mir senn Musikanten!“, stellt der Oberschrat beim Interview kurzum klar. „Der Unterschied is der, dass der Musikant in der Erbert Bier trinkn derf“, so seine unmissverständliche Erklärung. Aber – wer oder was ist denn überhaupt „Waldschrat“? Sucht man im Netz nach der Band, dann wird man schnell fündig: „Waldschrat ist eine Musikgruppe aus dem oberfränkischen Münchberg“, schreibt Wikipedia.
Alle Bilder: Privat
Wer heimlich übt, fällt seinen Mitmusikern in den Rücken (Harry Tröger)





Mundart die bleibt – Waldschrat als musikalisches Gedächtnis des Hofer Landes
Doch ganz so einfach ist es nicht. Waldschrat ist eben nicht einfach irgendeine Musikgruppe. Die „Kabell´n“, wie Harry seine Band nennt, lässt sich musiktechnisch nicht einfach unter einem Genre einordnen. Die fünf „Jungs“ mit Schlagzeuger Harry spielen sich bei ihren heutzutage raren Konzerten einmal quer durch die unterschiedlichsten Musikrichtungen und immer wieder in die Herzen ihrer Fans. Klar, die Texte haben´s in sich! Schon alleine deshalb muss die Musik dahinter perfekt harmonieren. Ich sitze mit Harry in seinem Studio in Münchberg auf dem betagten Sofa. Er dreht sich eine Zigarette und erzählt. Zwischendurch schlurft er immer mal wieder runter in den Keller und holt mir „Relikte“ in Form von kleinen Zetteln mit handgeschriebenen Textpassagen aus der ganz alten Waldschrat-Zeit. Diese notierte Harry, wo auch immer sie ihm einfielen.
Texte auf zerfledderten Zetteln – das sind Schätze aus Harrys Keller.




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Fast 50 Jahre Dialekt, Musik und Kultfaktor – Waldschrat im Hofer Land
Die Band Waldschrat ist gefühlt seit Urzeiten, genauer gesagt seit 1979 ein fester Bestandteil der Musikszene im Hofer Land. Aus einer zufällig zusammengewürfelten Schülerband ohne Namen entstand die „Kabell´n“. Karl Süß, heute Betreiber der Kleinkunstbühne Hinterhalt, der mit Harry die Berufsschulbank drückte und damals den Bass der Band spielte, holte ihn ins künftige Waldschrat-Boot. Das Rhythmus-Talent des jungen Zimmermanns fiel Karl während der Schulzeit auf, als dieser auf Mörtelkübeln und allem was ihm unter die Finger kam, herumtrommelte. Obwohl Harry somit quasi „Seiteneinsteiger“ war, wuchs der Name „Waldschrat“ kurze Zeit später auf seinem Mist. Nämlich als die Frage eines Bandnamens aufkam. „Ihr kennd eich nenna, wie ihr wolld. Iich schreib „Waldschrat“ auf mei Drummel“, stellte Harry klar und kreierte damit kurzerhand den Bandnamen.
Trommeln auf Mörtelkübeln, proben im Glaswollenlager – das waren die Anfänge von Waldschrat!
Fränkisch. Frech. Echt: Harry und seine Schräte
Die Besetzung von Waldschrat variierte im Laufe der vielen Jahre immer wieder. Da ist Harry, der Oberschrat! Fraglos gehen die einzigartigen Texte, uhrwerkartige Schlagzeug-Takte und der absolut unverkennbare Gesang auf sein Konto. Christof „Grisdoff“ Lemberg ist das virtuose Genie an der Gitarre, einer der musikalischen Köpfe sowie Stimme im Hintergrund. Michael „Männla“ Sommermann stieß in den frühen Waldschrat-Jahren dazu und ist seitdem für die tiefen Töne am Bass zuständig. Jan „Jansen“ Reinelt ist Berufsmusiker. Der „Quotenschwede“ ist der Mann für wunderbare Klänge an allen Tasten, seiner gelben „Post-Trompete“ oder auch mal anderen skurrilen Instrumenten. Für viel Spaß sorgt seit 2019 Uli Saalfrank. Er ist der Witzgarant mit der Gitarre und hat als ehemaliger Ersatzmann für „Schieffi“ fraglos die Festanstellung ergattert.
Urige, fränkische Musiktradition – gereift seit 1979 – das ist Waldschrat!





Kultstatus ohne Verfallsdatum – Waldschrat verbindet Generationen im Hofer Land
Und warum ist die Kabell´n so erfolgreich? Ich würde sagen, die Mischung machts! Vielleicht wegen der Texte? Sind die frei erfunden, wirklich erlebt – oder vielleicht sogar eine Mischung aus beidem? Meine Frage dazu beantwortet Harry mit einem Grinsen. Im Grunde ist´s auch völlig egal! Das Publikum liebt Harrys Geschichten in fränkischer Mundart mit Seulbitzer Einschlag. Die erleben die Zuhörer seit so vielen Jahren gemeinsam mit ihm und seinen Schräten und werdens nicht müde! Die ältere Generation findet sich nicht selten in den Liedern wieder. Und die Jüngeren oder die ganz Jungen? Die sind oft mit Waldschrat aufgewachsen, waren bei vielen Konzerten dabei und kennen die Texte in Endlosschleifen aus den Boxen des CD-Players. So entwickeln sich die Waldschrat-Lieder in über 45 Jahren im Hofer Land und weit darüber hinaus zu fränkischen Hymnen.
O-Ton Harry zu ungeprobten Liedern: „Dann kummd´s schee frisch!“


Zwischen Witz und Wahrheit – Waldschrat trifft den Nerv der Zeit
Die Musik hat Klasse, so viel steht fest! Ob es wichtig ist, wie man „Vo Naala af Schdeem“ kommt, oder ob der Song eine Anspielung auf unterschiedliche Prioritäten im Alltag ist…? Oder ob „Die Wochn“ am Montagfrüh aus hanebüchenen Gründen bereits gelaufen war, noch bevor sie begann? Ob der Münchberger Werschtlamoo in seinen Kessel wirklich „neigspeit“ hat? Wen juckt´s? Wichtig ist der Spaß dabei – und den haben die Waldschrat-Fans! Als satirische Texte mit Tiefgang, Humor und Kuriosität lassen sich die Lieder von Waldschrat allemal bezeichnen. Wer mag, darf gerne drüber nachdenken – vielleicht bei dem ein oder anderen Bierchen. Davon werden bei den Auftritten der fünf Schräte auf den Bühnenbrettern so einige geköpft. Dass dies möglichweise ganz professionell geschieht und ausschließlich dazu dienen könnte, den einzigartigen „Sound vom Bier“ zu erzeugen, sei mal dahingestellt: „Plopp!“





Abschied von der Bühne – Waldschrat bleibt ein Phänomen!
2003 entschied sich die Kabell´n, zum Leidwesen ihrer treuen Fans, nicht mehr gemeinsam zu „schraten“. Die Mitglieder lebten inzwischen verstreut über Franken und so gestalteten sich gemeinsame Auftritte aufwendig und schwierig. Einzig der Gig zur „Kerwa“ in Unterbrücklein bei Neudrossenfeld blieb bis 2019 – quasi als jährliches Bandtreffen. Der Grund dafür war einfach: Die Feuerwehr hatte eigens für die Waldschrat-Auftritte ein größeres Festzelt angeschafft. „Und die Caipis waren riesig!“, wirft Michael Sommermann lachend ein. Zum 40-jährigen Bühnenjubiläum 2019 ließen sich die Schräte im Zuge ihrer Jubiläumstour dann doch wieder öfters blicken. Das Gründungsmitglied „Schieffi“ musste ab da wegen Krankheit durch den Gitarristen und das fränkische „Original“ Uli Saalfrank ersetzt werden.
Ein Abschied, der kein echter war – Waldschrat ist und bleibt!
Über 45 Jahre und 1000 Geschichten – Waldschrat und der ganz normale Wahnsinn
Erlebt haben sie Vieles bei ihren Auftritten. Auf dem Sofa in Harrys Musikerei lässt er bei einem Bierchen und einer Zigarette die alten Zeiten wieder aufleben. Einmal wäre er doch tatsächlich bei einer ausladenden Geste zum Satz „..und der Mond war so voll…“, fast samt Schlagzeug von der Bühne gekippt! Den Schaden verhinderte erfolgreich sein Hintermann „Männla“, der ihn gerade noch am „Schlawittchen“ packte. Die Kabell´n-Kollegen grinsen wissend. Wahr ist jedenfalls auch, dass eine volltrunkene „Gästin“, in „Brückla“ die Bühne stürmte und dann durch die Tür der Bauerntheater-Kulisse rennend im Hintergrund verschwand! Fazit: Ein dickes Buch voll mit kuriosen Geschichten könnten die Schräte nach all der Zeit sicherlich füllen.
Skurill, waschecht und unvergessen – kuriose Geschichten und Bandmomente.


Kult an besonderen Plätzen im Hofer Land – und darüber hinaus
Und wie geht’s weiter? Gibt´s was Neues von den Schräten? Ein Waldschrat-Revival ist nicht geplant. „Wir erlauben uns einfach, die Jobs so anzunehmen, wie wir lustig sind“, ist hierzu der Kommentar von Christof Lemberg. „Mir schbilln nur nuch an scheena Blätzla. Im Bierzeld is uns zer laud und doderfir sen mir aa zer ald“, erklärt mir der Boss der Schräte auf meine Frage, wo man Waldschrat wieder mal hören und sehen könne. Fest steht: Waldschrat spielt Ende Juni 2025 am Kulturkiosk an der Seebühne in den Bayreuther Wilhelminenauen, im Juli 2025 in Kronach auf der Feste Rosenberg und in 2026 vielleicht auch wieder auf der Naturbühne in Trebgast.
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