Betritt man den Laden von Wolfgang Uhl, steht man mit einem Bein im Urwald von Indonesien, wähnt sich im Schlauchboot auf dem Choru-Fluss in Vorderasien, in der Sahara oder auf dem über 5.200 Meter hohen Ganja La im Himalaya. Die Vögel zwitschern und die LED-Beleuchtung sorgt für Sonnenschein das ganze Jahr über. Wolfgang Uhl ist freier Journalist, Kaufmann und Produktdesigner, vor allem aber: Abenteurer. Er hat 42 Länder bereist, 55 TV-Expeditionen gemacht, insgesamt 28 TV-Dokumentationen für die ARD und arte organisiert und entwickelt. Wolfgang Uhl lebt für den Nervenkitzel. Oft hat es ihn und seine Kollegen in die entlegensten, häufig auch politisch brisanten Winkel der Erde verschlagen. Seine Erfahrungen und Erlebnisse lässt er in seinen Outdoorladen „Westwind“ und in Bücher einfließen. Porträt über einen Weltreisenden mit einer Liebe zu Hof.
Man braucht beim Interview nicht lange bohren. Wenn Wolfgang Uhl loslegt, strömt es aus ihm heraus wie aus einem Zapfhahn. Und der Fundus des 62-Jährigen an Geschichten ist groß. Bereits während der Ausbildung zum Speditionskaufmann reiste Wolfgang Uhl durch Südeuropa und Westafrika. Mit 20 Jahren (1977) unternimmt er mit einem alten VW-Käfer und seinem Kumpel Peter Meier seine erste Afrikareise zu den Berber-Nomaden in Marokko. Drei Jahre später trampt er mit seiner damaligen Freundin sieben Wochen durch die Sahara. Das Reisefieber hatte ihn gepackt. Er war „von Afrika gebissen“. „Die 70er Jahre waren sowieso eine verrückte Zeit, mit den ganzen Freaks, die nach Nepal, Indien oder nach Marokko gereist sind“, sagt Uhl rückblickend. Nach der Ausbildung, noch während seiner Dienstzeit bei der Bundeswehr, erfüllt er sich seinen ersten großen Traum und fährt mit seinem alten Land Rover, wieder mit Reisepartner Peter Meier, nach Tamanrasset zu den Tuareg in Südalgerien.
Abenteuer im Auftrag der ARD
Wolfgang Uhl entwickelt mit der Zeit ein immer stärkeres Interesse für indigene Völker, für Ureinwohner. „Woher dieses Interesse kommt, weiß ich nicht. Es ist einfach da“, sagt er. Seine Reisen waren zunächst rein privater Natur. Über seine Erlebnisse schreibt er regelmäßig Reportagen für die Frankenpost, Pro Hof und andere regionale Medien. Das macht ihn bekannt in der Gegend.
Im Jahr 1993 dann eine Schicksalsbegegnung. „Ich wollte mit meiner damaligen Freundin zu den Wedda reisen, den Ureinwohnern Sri Lankas. Ich habe bei der Recherche zufällig eine Doku im Hessischen Rundfunk (HR) über Sri Lanka gesehen, in der auch kurz über die Wedda berichtet wurde. Filmautor war ein gewisser Peter Weinert. Der damals 43-jährige Weinert war ein alter Hase und hatte Erfahrung mit Dokumentationen. Der richtige Mann für Uhl. Er nimmt über den Hessischen Rundfunk Kontakt mit Weinert auf, beide treffen sich in Frankfurt zu einem Kennenlerngespräch und Weinert holt Wolfgang Uhl ins Team. Das ist der Beginn einer langen Zusammenarbeit und Freundschaft. „Das war eine Fügung damals“, sagt Uhl heute.
Zusammen mit Peter Weinert, Kameramann Jürgen Volz und dem Licht- und Tonexperten Manfred de Lorenzi bricht er immer wieder auf zu neuen Abenteuern – immer im Auftrag des Hessischen Rundfunks für die ARD-Sendereihe „Länder-Menschen-Abenteuer“, ab 2005 auch für den deutsch-französischen Fernsehsender arte.
„Die Redakteure wollten Themen, die Quote bringen.“
Ihre Reisen führten sie an entlegene Orte – in Wüsten, ins Gebirge, in den Urwald, zu Naturvölkern. Zu den Batak etwa, einem jagenden Volk im philippinischen Dschungel, den Pygmäen im Kongo, den llos Lameros in der peruanischen Anden, den Rendille und Samburu in Nordkenia. Uhl übersteigt den über 5.200 Meter hohen Ganja La im Himalaya-Gebirge im Winter, befährt im Schlauchboot Wildwasser im Sperrgebiet zwischen Russland und der Türkei, zieht mit Kamelen durch die Wüste Thar in Indien und Pakistan.
„Vor uns waren keine oder nur wenige Dokumentarfilmer in diesen Gegenden unterwegs. Das war die Voraussetzung, dass unsere Projekte genehmigt und finanziert wurden. Die zehnte Doku über Namibia hätte keine Chance gehabt. Die Redakteure des HR wollten außergewöhnliche Themen, die Quote bringen. Und wir haben diese Themen geliefert.“ Die Ideen kamen fast immer von Wolfgang Uhl.
„Der Begriff Weltenbummler gefällt mir nicht. Das klingt nach Urlaub. Was wir gemacht haben, war kein Urlaub.“
Wolfgang Uhl
In den Jahren 1994 bis 2015 bereisen Wolfgang Uhl und seine Kollegen 34 Länder in Afrika, Asien und Südamerika, viele davon mehrfach – das Filmequipment immer dabei. Daneben produziert Uhl freiberuflich Fotoreportagen, erfüllt Auftragsrecherchen vor Ort und testet Produkte für Sportartikel- und Outdoorhersteller in der Praxis. Außerdem hat er einen eigenen Outdoor-Laden in Hof.
Uhl organsiert und leitet insgesamt 55 Expeditionen und Exkursionen, anfangs in einer Zeit, als das Internet und Handys noch nicht existierten. „Die Vorbereitungen haben Wochen, oft Monate gedauert. Recherchemöglichkeiten wie heute gab es ja damals nicht. Meine Quellen waren Missionare, Völkerkundemuseen oder Bücher. Das war eine andere Zeit“, sagt Uhl. „Mit Glück fand man hier und da ein Festnetztelefon. Der Vorteil war, wir hatten unsere Ruhe und konnten uns auf die Arbeit konzentrieren.“
Wolfgang Uhl ist derjenige im Team, der die Reisen akribisch plant und organisiert, sich um den Ablauf kümmert, um Team-Verpflegung, Übernachtungsmöglichkeiten, medizinische Grundversorgung, Transfers zu den Drehorten. Er schreibt die Drehpläne, recherchiert Drehorte und Protagonisten, bricht das Eis zwischen Filmteam und Einheimischen. Das konnten Medizinmänner im Busch von Suriname sein, Frauen beim Kochen im Kongo oder Angehörige der äthiopischen Armee in der Danakil-Wüste. Dafür ist Fingerspitzengefühl wichtig. Und das hat Wolfgang Uhl.
„Mir war immer wichtig, die Einheimischen bei unseren Drehs nicht bloßzustellen, nicht aufdringlich zu sein und ihre Gewohnheiten zu respektieren. Ich wollte auch nach dem Dreh immer ein willkommener Gast sein.“ Häufig führte das OK für Filmaufnahmen über den Stammesführer. „Das war manchmal knifflig und langwierig, und manchmal mussten wir einfach akzeptieren, dass es so wie geplant nicht ging“, sagt Uhl, „aber Geduld und Respekt zahlten sich immer aus. Umso offener waren die Menschen dann. Wir waren ganz nah dran, haben Abende am Lagerfeuer mit den Ureinwohnern verbracht, waren dabei bei ihren Stammestänzen und Riten. Das waren sehr beeindruckende Erfahrungen.“
„Ich habe viel mitgenommen von den Buschvölkern. Ihre Dankbarkeit, ihren Demut, und den Respekt vor der Natur. Man wird unheimlich herzlich aufgenommen. Bis in die dreißiger Jahre kannten die Buschmänner kein Wort für Diebstahl oder Vergewaltigung. Das kam erst mit der Zivilisation.“
„15 Meter im Minenfeld rückwärts in den eigenen Fußspuren, das waren die einzigen zwei Minuten in meinem Leben, in denen ich mit meinem Hintern hätte Nüsse knacken können.“
Wolfgang Uhl
Wolfgang Uhl lebt für das Abenteuer. Das Filmteam war auch seine Ersatzfamilie – verheiratet war er nie. „Wir sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen und über die 21 Jahre zusammengewachsen. Wir konnten uns aufeinander verlassen. Und das bei vier extremen und völlig unterschiedlichen Charakteren. Wir haben ja auch brenzlige Situationen erlebt. Oft haben wir uns geschworen: nie wieder! Das war natürlich nach vier Wochen vergessen und wir haben das nächste Projekt geplant.“
„Wir alle, Entwicklungshelfer, Missionare, Kriegsberichterstatter, die trifft das noch viel mehr, haben das Problem, dass wir mit kaum jemandem über unsere Erlebnisse sprechen können. Diese Extremsituationen haben ja nur wenige Menschen erlebt.“ Uhl spricht von Situationen in Krisenherden, zwischen den Fronten verfeindeter Stämme im Konfliktgebiet zwischen Somalia und Äthiopien, 71 Grad Außentemperatur in der Danakil-Wüste in Äthiopien, von körperlichen Extremsituationen im Dschungel, von nächtlichen Begegnungen mit Giftschlangen im Zelt von MG-Feuer und Granatbeschuss bei der Flucht per Flugzeug aus der Zentralafrikanischen Republik.
Die ARD muss sparen
Nach 40 Jahren, 71 Reisen, 28 TV-Produktionen und Recherche-Reisen, enden die TV-Abenteuer von Wolfgang Uhl im Jahr 2015 mit der letzten gemeinsamen Tour auf die Philippinen. „Peter Weinert und Manfred de Lorenzi sind in Ruhestand gegangen. Außerdem wurde es ab 2010 immer schwieriger, für solche aufwendigen Produktionen Geld zu bekommen. Die ARD musste sparen. Die Ideen waren da. Aber wenn Du bei solchen Geschichten nur noch am Geldeinsammeln bist, dann bleibt das Kreative auf der Strecke. Die Zeiten hatten sich einfach geändert.“
Neben den TV-Produktionen schrieb Wolfgang Uhl Bücher für Gleichgesinnte. Mit dem „Handbuch für Rucksackreisen“ veröffentlichte er 1982 sein erstes von insgesamt acht Büchern und einen der erster Ratgeber für Outdoor-Begeisterte überhaupt. Dieses umfassende Handbuch gab einen Überblick über die Vielfalt der verschiedenen Ausrüstungsartikel zur damaligen Zeit und jede Menge Tipps und Tricks.
Heute lebt Wolfgang Uhl sesshafter, ist aber nicht weniger aktiv. „Große Reisepläne habe ich nicht im Moment. Und mit einem normalen Urlaub kann ich sowieso nichts anfangen. Ich war seit 2015 nicht einmal unterwegs.“ Seine Energie, Leidenschaft und Kreativität steckt er jetzt in seinen Laden, in die Deko und die Beratung und Betreuung seiner Kunden. Was Wolfgang Uhl auf seinen Reisen erlebt hat, lässt er einfließen. „Ausrüstung war schon immer meine Welt. Das, was ich im Laden verkaufe, hatten wir fast alles selbst im Einsatz.“
„Wichtig ist Authentizität. Ich verkaufe nichts, wovon ich keine Ahnung habe.“
Wolfgang Uhl
An Ruhestand denkt der 62-Jährige nicht. „Solange es gesundheitlich geht, werde ich das Geschäft betreiben. Der Laden ist mein zweites Wohnzimmer. Ich lerne immer wieder interessante Menschen kennen, aus denen oft Stammkunden werden. Das zählt für mich.“
Auf 400 Quadratmetern Verkaufsfläche und drei Stockwerken bietet Uhls Laden „Westwind“ alles, was das Abenteurer-Herz höher schlagen lässt – Schuhe, Rucksäcke, Zelte, Schlafsäcke, Wasserfilter, Kocher, Messer, Navigationshilfen, Lampen und jede Menge Kleinteile – über 2.000 Produkte. Der gesamte erste Stock ist für Bekleidung reserviert.
Sehen, anfassen, ausprobieren
Highlight ist die Dekoration. Dazu gehören Erinnerungsstücke und Mitbringsel von seinen Reisen, seine Original-Expeditionsbekleidung aus den Jahren 1996 bis 1999 in Nordkenia, Französisch-Guayana, Suriname und Südäthiopien. Außerdem zahlreiche Früher-Heute-Vergleiche, die die Entwicklung des Outdoor-Equipments dokumentieren, ein echter Wasserfall mit Schuhteststrecke und Dschungelpflanzen, Buschgeräusche und jede Menge selbstentwickelter und -gebauter Präsentationsständer für Equipment. Kletterschutzgurte können an einer Motor-Seilwinde freischwebend getestet werden, Schlafsäcke und Isomatten im Liegen. Für die Rucksackanprobe hält er praxisgerechte Füllgewichte bereit. Was zunächst makaber anmutet, ist sein Diorama mit entschärften Landminen und Sprengfallen. „Erst im November letztes Jahr fuhr ein deutscher Tourist in Myanmar über eine Landmine“, sagt Uhl. „Das war’s. Diese Gefahr wird gerade in Reiseländern wie Ägypten, im griechisch-türkischen Grenzgebiet oder in Kambodscha leider oft unterschätzt. Ich möchte weiß Gott niemanden vom Reisen abhalten, aber für das Thema sensibilisieren.“
Wolfgang Uhl ist Galionsfigur und Markenbotschafter für seinen Laden. Er hat seinen Weg gefunden, sich gegen die allgegenwärtigen Herausforderungen des Einzelhandels zu wehren und aus seinem Geschäft eine weit über die Grenzen Hofs bekannte Marke zu machen. Seine Erfolgsfaktoren: große Auswahl, hochwertige Produkte, Liebe zum Detail und das Know-how für gute Beratung. Für Reisende bietet Uhl einen kostenlosen Notfall-Service an und steht im Ernstfall mit Rat und Tat zur Seite. Ebenso kostenlos erhältlich sind seine Checklisten, Broschüren und Infoblätter zu verschiedenen Reisethemen sowie eine Impfberatung.
Hof, nicht Nürnberg
Wolfgang Uhl ist herumgekommen auf der Welt. Trotzdem ist er seiner Heimat immer treu geblieben. „Sicherlich gab es mal Gedanken, mein Zelt an einem anderen Fleck der Erde aufzuschlagen“, sagt er. „Viele Berater haben mir auch nahegelegt, mit meinem Laden lieber in eine größere Stadt umzuziehen, nach Nürnberg oder Würzburg, weil der Einzugsbereich in Hof zu klein wäre. Aber Hof ist meine Heimat, hier bin ich zuhause.“
„Obwohl ich mich oft über die Politik ärgere, ich schätze die Lebensbedingungen, die wir hier in Deutschland haben. Sauberes Wasser aus der Wand, Zentralheizung, ein frisch bezogenes Bett – das ist Luxus. Wenn ich einen Krankenwagen rufe, dann kommt der. Versuch‘ das mal in Nairobi, Younde, Bangui oder in Goma. Dort zahlt man im Voraus – falls es überhaupt jemanden interessiert. Und wer nicht zahlt, wird nicht behandelt. Das ist der Unterschied. Ich bin zufrieden hier. Und wenn ich weg will, dann mach´ ich das.“
Ein Kommentar
Gerne denke ich an die vielen Stunden beim Bund zurück, in denen wir damals über Reisen und Ausrüstung geplaudert haben. Freue mich über den Artikel und wünsche Wolfgang weiterhin alles Gute, sein Oberfeldwebel.