Die Wirkung von Heilpflanzen und Kräutern ist seit Jahrtausenden auf der ganzen Welt bekannt. Dennoch ist vieles davon in unserer heutigen modernen Welt in Vergessenheit geraten. Für euch habe ich mich mit zwei Frauen getroffen, die ihr fachkundiges Wissen über die Anwendung und Nutzung von Kräutern seit Jahren weitergeben. Sabine Böhm und Melanie Müller-Winterling, beide Vorsitzende vom Naturhof Faßmannsreuther Erde e.V. erzählen mir im Interview für Stadt.Land.Hof, wie sie das konkret umsetzen.
Gegen jedes Wehwehchen ist ein Kraut gewachsen
Die Pflanzenheilkunde, oder auch Phytotherapie genannt, war für mich schon immer ein spannendes Thema. Der Gedanke, dass alles, was wir brauchen, in der Natur zu finden ist, macht für mich absolut Sinn. Mutter Erde gibt es schon so viel länger als uns Menschen. Wenn sie nicht weiß, was gut für uns ist, wer dann?
In den vergangenen Jahrtausenden gab es einige kräuterkundige Persönlichkeiten, die das heutige Wissen über die Verwendung von Heilkräutern maßgeblich geprägt haben. Hildegard von Bingen, Sebastian Kneipp, Edward Bach oder Maria Treben, um nur einige Bekannte zu nennen.
Oft sind es auch unsere Großmütter, die bei jeder Krankheit ein Kraut kennen, das bei der Heilung hilft. Für diejenigen, die mehr über Kräuter und der Anwendung wissen möchten, habe ich heute einen ganz besonderen Tipp bei uns in der Region.
Kräuterkundige im Hofer Land: Der Verein „Faßmannsreuther Erde e.V.“
Unweit von Rehau, in Faßmannsreuth, hat sich eine Gemeinschaft gebildet, mit dem Ziel, das Wissen von Pflanzen und Kräutern weiterzugeben. Dazu erzählt mir Sabine Böhm in der Funktion der ersten Vorsitzenden: „Wir haben im Jahr 2003 den Verein gegründet, um den Mensch das Bewusstsein für Kräuter, Pflanzen und Bäume wieder näher zu bringen und um zu vermitteln, warum es so wichtig ist, die Natur zu schützen. Das Wissen über die Verarbeitung und Verwendung von Pflanzen ist ein Schatz von unsagbar hohem Wert. Das möchten wir gerne weitergeben.“
„Wir haben einen Ort erschaffen, an dem Jung und Alt von der Natur fürs Leben lernen können.“ Sabine Böhm
Und um diesem Ziel näher zu kommen, erbaut der Förderverein 2006 den „Naturhof Faßmannsreuther Erde“ samt Naturgarten. „Mit der Errichtung des Gebäudes und dem Garten, sind wir unserer Intention sehr viel näher gekommen. Wir haben einen Ort erschaffen, an dem Jung und Alt von der Natur fürs Leben lernen können“, erzählt mir Sabine Böhm.
„Das Wissen über die Verarbeitung und Verwendung von Pflanzen ist ein Schatz von unsagbar hohem Wert.“ Sabine Böhm
Und das mit Erfolg. Das Angebot des Naturhofes wird so gut angenommen, dass der Verein im Jahr 2011 das Gebäude um einen Anbau erweitert. Heute findet man in der Kräuterschule einen großen Veranstaltungsraum, eine Küche und einen kleineren Raum, der meistens als Verkaufsfläche genutzt wird.
Von der Natur lernen durch einen der größten Schaugärten in der Region
Schon beim Betreten des 20.000 Quadratmeter großen Schau- und Erlebnisgartens merkt man, wie viel Zeit und Liebe hier investiert wurde. Man findet Beerensträucher wie Himbeere, Brombeere und Johannisbeere. Ebenso gibt es eine Streuobstwiese mit unterschiedlichen Obstbäumen.
„Wir haben hier über 200 verschiedene Kräuter.“ Sabine Böhm
Das Herzstück bildet allerdings ein Kräuterfeld. Sabine Böhm führt mich durch den Garten und erzählt mir dabei: „Wir haben hier über 200 verschiedene Kräuter. Petersilie, Estragon, zahlreichen Salbei- und Thymiansorten, Ringelblumen, Malven, unterschiedliche Minzen und Melissen, um nur einige zu nennen.“ Umrandet wird das ganze Areal zudem von einer selbst gepflanzten Wildfruchthecke bestehend aus Holunder, Schlehen und Weißdorn.
„Über die Jahre konnten wir beobachten, was dieses wunderschöne Fleckchen Erde braucht und was nicht.“ Melanie Müller-Winterling
Dabei folgt die Natur ihren ganz eigenen Gesetzen. „Wir haben festgestellt, dass sich zu den gepflanzten Kräutern auch einheimische dazugesellt haben. Über die Jahre konnten wir beobachten, was dieses wunderschöne Fleckchen Erde braucht und was nicht“, berichtet Melanie Müller-Winterling. Und die Natur regelt das auch hier selbst. Manches Kraut wächst, manches nicht. Und genau dieser Prozess ist im Naturhof Faßmannsreuther Erde gewollt und gewünscht.
Nicht nur für den Menschen gibt es hier vieles für alle Sinne zu entdecken. Es ist auch ein Paradies für Insekten, Vögel und kleine Wildtiere. Diese haben sich mittlerweile zahlreich in dem natürlichen Biotop angesiedelt. Das reichhaltige Angebot an unterschiedlichsten Pflanzen nutzen auf dem Grundstück auch Imker für ihre Bienenvölker. Der Honig hat dadurch einen ganz besonderen und einzigartigen Geschmack.
Ein Erlebnis für alle Sinne: Angebote auf dem Naturhof
Das Angebot an Veranstaltungen und Kursen am Naturhof „Faßmannsreuther Erde“ lässt keine Wünsche offen. Ich bin total beeindruckt von der Vielfältigkeit und der Fülle der unterschiedlichen Seminare.
„Der Naturhof soll ein Ort sein, an dem man wieder Kraft schöpfen kann.“ Sabine Böhm
Es gibt Kräuterwanderungen, bei der man einiges über heimische Kräuter und deren Fundort, Verwendung und Konservierung erfährt. Bei der „Kräuterwerkstatt“, welche mehrmals im Jahr mit wechselnden Themen stattfindet, lernt man zum Beispiel selbst Kräuterkränze zu binden.
Sabine Böhm leitet selbst Meditiationskurse und erzählt: „Ich bin ausbildete Meditationsleiterin und zeige so den Menschen, wie sie wieder mehr Stille in ihr Leben bekommen können. Der Naturhof soll ein Ort sein, an dem man wieder Kraft schöpfen kann. Für uns gehört das Inne halten und zur Ruhe kommen unabdingbar dazu.“ Darüber hinaus werden noch Kräuter-Kochkurse, Bastelworkshops wie Kräuterdruck oder Mandala malen, vielfältige Vorträge über Kräuter und Achtsamkeitskurse angeboten. Das abwechslungsreiche Angebot wechselt jedes Jahr und es lohnt sich, einen Blick ins Programm zu werfen.
Zweimal im Jahr, meistens im Frühjahr und im Herbst, gibt es am Naturhof einen „Tag der offenen Tür“. Der Verein veranstaltet ein Fest, bei dem sich alles um Natur, Kräuter und Pflanzen dreht. Dort bekommt man beispielsweise viele selbst hergestellte Produkte aus Kräutern wie Öle, Salben oder Tinkturen. Aber auch umfassende Informationen über Veranstaltungen und Events. Melanie Müller-Winterling ist Phytotherapeutin und leitet vor allem die Kräuterwanderungen. Sie zeigt den Teilnehmern dabei viel über die Verarbeitung und Verwendung von Heilkräutern. Sie erzählt mir außerdem noch: „Ganz beliebt ist auch unser Hildegard-Fasten. Es findet einmal im Jahr statt und wird von einer Ärztin begleitet. Wir treffen uns dazu immer abends bei einem speziellen Fastenessen und reden über die Themen, die einen während des Fastens beschäftigen. Auch gemeinsame Meditationen finden währenddessen statt.“
Gemeinnützigkeit im Hofer Land: Förderverein mit vielen Unterstützern
Ohne die Unterstützung der Gemeinschaft wären die vielen Angebote und Veranstaltungen am Naturhof nicht möglich, erzählen mir die beiden Vorsitzenden. „Wir verwirklichen unsere Vorhaben durch die ehrenamtliche Arbeit unserer Mitglieder. Der Verein finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus den Veranstaltungen, Spenden und projektbezogene Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln“, sagt Sabine Böhm. Dabei gibt es natürlich noch viele engagierte Mitglieder, die zum Teil auch selbst Kurse und Seminare leiten. „Wir haben alle unterschiedliche Schwerpunkte und tragen hier unser Wissen zusammen, um es weiter zu geben“, erzählt mir Melanie Müller-Winterling.
Die Angebote erfreuen sich mittlerweile auch bei kleineren und größeren Unternehmen in der Region an Beliebtheit. „Wir bieten individuell gestaltete Führungen und Workshops an. Die Unternehmen nutzen unseren Naturhof auch gerne für Teambuildings oder Veranstaltungen für Führungskräfte“, berichtet die Meditationsleiterin Sabine Böhm. Ebenso kommen Schulen und Kindergärten für Ausflüge und Tage in der Natur nach Faßmannsreuth. Eine Anfrage für ein speziell abgestimmtes Programm lohnt sich also.
Ich kann jedem einem Besuch auf dem Naturhof nur wärmstens ans Herz legen. An diesem Ort im beschaulichen Faßmannsreuth verbirgt sich so viel uraltes Wissen, welches mit so viel Leidenschaft und Begeisterung weitergegeben wird. Sobald man den Schaugarten betritt, spürt man so eine ganz besondere und ruhige Atmosphäre. Man hört Vögel zwitschern und Bienen summen. Schmetterlinge ruhen sich auf den Blüten aus und es steigt einem sofort der Geruch von Blumenwiese und Kräutern in die Nase. Selbst unser Landrat Oliver Bär sagte bei seinem Besuch am Naturhof, dass er sich gleich viel gesünder fühlt, schon allein vom Betreten des Hofes, wie mir die beiden kräuterkundigen Frauen erzählen. Ich kann ihm da nur zustimmen.
Zum Schluss bekomme ich von Sabine Böhm und Melanie Müller-Winterling noch das ein oder andere Rezept mit. Eines davon teile ich hier gerne mit euch.
Faßmannsreuther Kräuterlimonade
5 Liter Wasser
1 großen Bund Zitronenmelisse
1 Stängel Pfefferminze oder jede andere Minze
200g Rohrohrzucker
5 Scheiben Zitrone
1 Schuss Essig
Den Zucker in das kalte Wasser einrühren, die Kräuter, die Zitronenscheiben und einen Schuss Essig dazugeben. Den Ansatz 24 Stunden an einem kühlen Ort stehen lassen, abseihen und möglichst in einer Glaskaraffe mit ein paar Minzeblättern und Zitronenscheiben servieren. Die Zuckermenge kann man je nach Geschmack auch variieren.
Ihr möchtet noch mehr Rund um die Natur im Hofer Land erfahren? Dann schaut doch mal bei diesen Beiträge vorbei: