Adrian Roßner entdeckt die Kultur des Hofer Landes: Das Mittelalter. Von Adligen, Plackern und Heckenreitern

Heimatforscher Adrian Roßner begibt sich auf Identitätssuche im Hofer Land: Woher kommt unsere regionale Kultur? Was hat sie geprägt? In einer kleinen Serie geht der bekannte Historiker auf Stadt.Land.Hof dieser Frage nach. Teil 2 beleuchtet, wie das Mittelalter die Entwicklung des Hofer Landes geprägt hat, und erzählt von Adligen, Plackern und Heckenreitern. 

Zu Teil 1: „Die Kultur im Kleinen”

Zu Teil 2: „Die oldn Waafn“ – Vom Handwerk zur Industrie – StadtLandHof

Wie das Mittelalter das Hofer Land prägt: Von Adligen, Plackern und Heckenreitern

Das Mittelalter gilt gemeinhin als recht „düstere“ Epoche, die von Kriegen, Krankheiten und der damit eingehenden, beinahe allgegenwärtigen Angst vor dem Weltende geprägt wurde. In Wahrheit aber ist es sehr viel mehr und steht zudem am Anfang wichtiger Entwicklungen, die das Hofer Land bis heute nachhaltig prägen.

Die Landschaft gibt vor, welche Struktur und Gesellschaft sich in ihr entwickelt

Generell muss man sich im Klaren sein, dass es stets die Landschaft selbst ist, die vorgibt, welche Struktur und Gesellschaft sich in ihr entwickeln kann. Im Hofer Land spielte dabei das Klima die ausschlaggebende Rolle. Das fassen die Bewohner der Region bis heute mit dem typisch fränkischen Pragmatismus zusammenfassen, wenn sie sagen: „Es is halt kolt“.

Während sich etwa im Bamberger Becken schon im Früh- und Hochmittelalter Siedlungen etablierten, blieb das Hofer Land großteils ein weißer Fleck auf der Landkarte.

Tatsächlich war es das schon immer: Im Vergleich zu tiefer gelegenen Regionen wie dem Bamberger Raum fielen die Temperaturen in der örtlichen Mittelgebirgslage meist ein paar Grad niedriger aus. Das führte dazu, dass die Menschen, die das Land auf der Suche nach guten Siedlungsflächen durchstreiften, sich meist anderswo niederließen. Während sich dadurch im Bamberger Becken schon im Früh- und Hochmittelalter Siedlungen etablierten, blieb das Hofer Land großteils ein weißer Fleck auf der Landkarte. Sicher gab es hie und da kleinere Weiler, die aber meist nicht durchgehend bewohnt wurden.

Ein Drehkreuz im Zentrum Europas – schon in karolingischer Zeit

Durch ihre zentrale Lage in Europa war unsere Heimat schon früh ein Drehkreuz für Handelsnetze und Warenströme, die sie von Nord nach Süd und von West nach Ost durchzogen.

Dennoch spielte die Region bereits in der karolingischen Zeit, also ab dem 8. Jahrhundert, eine immens wichtige Rolle in der Entwicklung früher Wirtschaftssysteme. Durch die Lage im Zentrum Europas war sie ein Drehkreuz für Handelsnetze und Warenströme, die sie von Nord nach Süd (die Nord- und Ostsee mit dem Mittelmeer verbindend) und von West nach Ost (die Brücke zwischen Nürnberg und Eger schlagend) durchstreiften.

Noch heute – oder nach dem Mauerfall „heute wieder“ – ist das Hofer Land aufgrund seiner Lage ein Verkehrsdrehkreuz zwischen Ost und West, Nord und Süd. Davon zeugen nicht zuletzt das florierende Güterverkehrszentrum in der Stadt Hof und die erfolgreiche Logistikbranche des Landkreises Hof.

Von „Huhlweechlauerern“ – und wie das Hoferische zur hochfränkischen Sprachfamilie kam

Die meist unbefestigten Pfade wurden durch die stetige Nutzung immer tiefer ausgefahren und durch Niederschläge richtiggehend ausgewaschen. Dadurch bildeten sich die „Hohlwege“, die bis heute an manchen Stellen im Landkreis Hof sichtbar sind. Ein typischer Hohlweg ist der „Kreuzberghohlweg“ bei Münchberg. Er ist der Grund, weshalb sich hier um das Jahr 1000 ein erster Turmhügel nahe der Pulschnitz etablierte. Gegründet wurde dieser vom namensgebenden „Hildebrand de Munnichspergk“.

Huhlweechlauerer – ein alter Spottname für die Bewohner des Hofer Landes.

Vor allem an Kreuzungen oder Furten durch die vielen Wasserläufe luden diese Wege Halunken dazu ein, sich auf die Lauer zu legen, wovon der im Hofer Land bis heute verbreitete Spottname „Huhlweechlauerer“ (Hohlweglauerer) beredtes Zeugnis ablegt. Um die Reisenden zu schützen, ihnen Obdach zu gewährend und das Gebet zu erlauben, fand ab dem 11. Jahrhundert eine systematische Landnahme der Hofer Region aus dem westfränkischen Raum statt, was auch die Zugehörigkeit des Hoferischen zur hochfränkischen Sprachfamilie erklärt.

Zwischenzeitlich hatten sich die Temperaturen erwärmt und eine einfache Landwirtschaft war möglich geworden, was die Menschen ins Mittelgebirge trieb. Entlang der Straßen gründeten sie kleine Dörfer, für die oftmals Rodungen notwendig waren. Ortsnamen auf „-reuth“ oder „-grün“ künden von diesen Aktivitäten.

Die Besiedelung von Stadt und Landkreis Hof

An besonders neuralgischen Punkten, wie den erwähnten Kreuzungen oder an Flussüberquerungen etablierten sich zudem frühe hölzerne Befestigungsanlagen, die „Turmhügel“. Sie wurden von einer Art Beamtenstab besetzt, der in vielen Fällen auch die Besiedlung eines Teils der Landschaft „koordinierte“ und dadurch ein Geflecht von unzähligen verschiedenen Territorien ausprägte.

Beispiele für solche Gründungen sind Münchberg, Stockenroth aber auch die Stadt Hof. Dort hatte sich auf einer kleinen Anhöhe mit St. Lorenz eine „Wehrkirche“ etabliert, die geistigen und weltlichen Schutz bieten sollte und um die herum sich in den folgenden Jahrzehnten ein erstes Dorf entwickelte.

Während im Süden des Hofer Landes eher der aus der Beamtenschaft gebildete Kleinadel das Sagen hatte, wechselten die Machthaber im Norden regelmäßig: Auf die Andechser folgten die Vögte von Weida, Gera und Plauen (was den Namen „Vogtland“ erklärt) und schließlich die Hohenzollern, die in der langsam aufkeimenden Stadt Hof ein wichtiges Drehkreuz und damit eine gute Machbasis erkannten.

Das Hofer Land im 14. und 15. Jahrhundert: Adel in der Krise, Städte im Aufschwung

Es erscheint logisch, dass die Hohenzollern, die sich im 14. Jahrhundert mehr und mehr im Zentrum der Macht positionierten und ihr „Markgraftum Brandenburg-Kulmbach“ ausdehnen wollten, die vielen verschiedenen kleinadligen Herrschaften möglichst von der Karte zu tilgen versuchten. So begannen sie damit, durch weitere Expansion Druck auf die Territorialgrenzen auszuüben.

Eine erfolgreiche Nadelstichtaktik trug zum Untergang des Kleinadels in der Region bei.

Es war eine Art Nadelstichtaktik, um den Kleinadel zu einer unbedarften Reaktion zu zwingen – und dummerweise fiel der darauf rein. Im 15. Jahrhundert hatte er längst große Teile seines Einflusses verloren: Die Landwirtschaft schlitterte aufgrund schlechteren Klimas in die Krise, wodurch die Machtgrundlage des Adels schwand. Der Kapitalismus trat in Gestalt der neu gegründeten Städte auf, und selbst die Fehde als standesinternes Rechtsmittel hatte Kaiser Maximilian im Rahmen der Landfriedensbewegung verboten.

 

Untergang und Neubeginn: Das Ende der Raubritter …

Als der Druck der neuen Machthaber nun allzu groß wurde, griff der Adel durch: Ursprünglich zur Sicherung der Straßen eingesetzt, legte er sich nun selbst auf die Lauer, um die Warenströme in die aufkeimenden Handelsstädte zu blockieren. Es war ein von vornherein aussichtsloses Unterfangen, zeigt jedoch, wie wenig Alternativen der Adel erkannte. Aus edlen Rittern wurden elende „Heckenreiter“, also Straßenräuber und Wegelagerer, die im Unterholz lauerten.

Als ein Vertreter des fränkischen Adels, der Raubritter Hans Thomas von Absberg, aufgrund einer Fehde mit den Grafen von Oettingen einen Überfall organisierte, bei dem Joachim von Oettingen tödlich verletzt wurde, griffen die Hohenzollern und die ihnen eng verbundene Stadt Nürnberg durch: Sie stellten den gesamten Kleinadel unter Generalverdacht und beschuldigten ihn der „Plackerei“, was heute als „Raubrittertum“ bezeichnet wird.

… und der Beginn der Blütezeit von Städten und Markgrafen in Oberfranken

Mit einem gigantischen Heer aus über 12.000 Soldaten zog die Allianz unter dem Namen „Schwäbischer Bund“ 1523 durch Franken und zerstörte 22 stolze Burgen, die Symbole der adligen Macht. Darunter befanden sich auch die Anlagen des bedeutenden Geschlechts derer von Sparneck im Hofer Raum. In den damals gelegten Flammen gingen nicht allein die Wehranlagen unter, sondern es endete auch die stolze Zeit des Adels. An seiner statt hatten nun endgültig die Städte und Markgrafen das Sagen, die die Region in eine neue Zeit der wirtschaftlichen Blüte führten. Davon erzählt Teil 3 der Serie: „Die oldn Waafn“ – Vom Handwerk zur Industrie.

 

Autor: Adrian Roßner

Redaktion: Dagmar Müller

Bilder: Adrian Roßner, Dagmar Müller, Stadt Hof

 

Serie: Adrian Roßner entdeckt die regionale Kultur des Hofer Landes:

In weiteren Teilen der Serie beschäftigt sich Adrian Roßner damit, wie unsere regionale Kultur im Laufe der Jahrhunderte geprägt wurde. Zum Beispiel durch die „Kultur im Kleinen” (Teil 1), in der Entwicklung vom Handwerk zur Industrie (Teil 3) oder im Zeitalter der Industrialisierung.
Adrian Roßner

Adrian Roßner

Adrian Roßner aus Zell im Fichtelgebirge ist “Bestellter Kreisarchivpfleger” des Landkreises Hof. Doch das ist nur eine seiner vielen Funktionen und Ehrenämter. Bekannt ist er auch durch das TV-Format “Adrians G’schichtla” im Bayerischen Rundfunk. Bei Stadt.Land.Hof ist er immer wieder zu Themen der Heimatgeschichte und des Brauchtums aktiv.

Weiterlesen zu Geschichte und Brauchtum im Hofer Land – Beiträge von und mit Adrian Roßner (verlinkt):

Das Brauchtum der Raunächte im Hofer Land – StadtLandHof

Osterbräuche aus dem Hofer Land (1/2): Rund um das Osterei – StadtLandHof

Osterbräuche aus dem Hofer Land (2/2): Wasser, Feuer und Magie – StadtLandHof

#schoeneaussichten: Die Schüssel auf dem Waldstein – StadtLandHof

Von Raubrittern, Bürokraten und Touristen – eine Reise in die Zeit der Burgen und Schlösser – StadtLandHof

#meinstadtlandhof: 10 Fragen an Adrian Roßner – StadtLandHof

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Adrian Roßner ist “Bestellter Kreisarchivpfleger” des Landkreises Hof. Doch das ist nur eine seiner vielen Funktionen und Ehrenämter. Bekannt ist er auch durch das TV-Format “Adrians G’schichtla” im Bayerischen Rundfunk. Bei Stadt.Land.Hof schreibt er immer wieder über Themen der Heimatgeschichte und des Brauchtums.