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Die Kraft des Bieres: Das Stärk‘-Antrinken in Oberfranken

Im Hofer Land und in Oberfranken gibt es eine Reihe einzigartiger Bräuche und Traditionen, die Land und Leute prägen. Auf Stadt.Land.Hof gehen wir einigen von ihnen auf die Spur und klären, was der Ursprung dieser teils uralten Gepflogenheiten ist und wie sie heute gelebt werden. Heute geht’s um das Stärke antrinken bzw. dem fränkischen „Stärk‘-Antrinken“.

Worum geht es, was bedeutet Stärke antrinken?

„Stärk‘-Antrinken“ ist ein alter Brauch, der vor allem in Oberfranken, zum Teil auch in den angrenzenden Regionen, verbreitet ist. Um sich gegen das Unheil des neuen Jahres zu wappnen und Kraft und Gesundheit zu tanken, trinkt man sich, meist mit Bier, am Vorabend des Dreikönigstages, also dem 5. Januar, oder am Dreikönigstag selbst, in geselliger Runde die Stärk‘ an. Denn Bier wird in diesen Breitengraden seit jeher eine stärkende Wirkung zugesagt.

„Bier ist eine wahrhaft göttliche Medizin.“ (Philippus Theophrastus Aureolus Bombast von Hohenheim (1493 – 1541), bekannt als „Paracelsus“)

Der Ursprung dieses oberfränkischen Brauchs

Der genaue Ursprung der Tradition „Stärke antrinken“ lässt sich nicht eindeutig aufklären, aber Hinweise und Aufzeichnungen über den Ritus gibt es schon im 16. Jahrhundert. Undatierte Quellen aus der Fränkischen Schweiz berichten etwa über „…Frauen und Männer, ja selbst Kinder, die lustig drauflos tranken und ihre Lieder sangen…“ und im Jahr 1751 schrieb ein Geistlicher in Tschirn bei Kronach in das Kirchenbuch: „An diesem Tage tranken sie ebenfalls Bier, um stark zu werden.“

Vermutlich entwickelte sich das Stärk‘-Antrinken aus vorchristlichen Traditionen wie dem Julfest oder den Raunächten, wobei die Julnächte eher in Nordeuropa verankert sind. Die Raunächte sind 12 Nächte um den Jahreswechsel, denen im mitteleuropäischen Raum eine besondere Bedeutung zugemessen wird. In den Bauernregeln gelten die zwölf Raunächte beispielsweise als maßgebend für das Wetter der kommenden zwölf Monate. Meist handelt es sich um die zwölf Weihnachtstage vom ersten Weihnachtsfeiertag am 25. Dezember bis zum Dreikönigstag am 6. Januar – teilweise und je nach Region bezieht sich der Brauch auch auf andere Zeiträume, in denen der Jahreswechsel vollzogen wurde.

Daraus ergibt sich vermutlich auch die Bezeichnung „zwischen den Jahren“ für den Zeitraum um die Jahreswende. Bis 1691 feierte man am 6. Januar das Neujahrsfest. Denn erst im Jahr 1691 legte Papst Innozenz XII. den Neujahrstag auf den 1. Januar. In Franken, Süddeutschland und Österreich wird der Dreikönigstag deshalb vielerorts auch heute noch Großneujahr, Hochneujahr oder Oberster genannt.

Nach dem Volksglauben treiben in der Zeit zwischen den Jahren Geister und Dämonen ihr Unwesen, die durch Lärm, Ausräuchern und mit Stärk‘ vertrieben werden sollen. Diese Rituale vermischten sich mit christlichen Festen und überdauerten so die Jahrhunderte.

Neugierig geworden? Mehr zum Brauchtum der Raunächte im Hofer Land – StadtLandHof

Stärke antrinken: Wie wird der Brauch heute gelebt?

Der feucht-fröhliche Brauch des Stärk‘-Antrinkens hält sich bis heute und erfreut sich in vielen Regionen in Oberfranken großer Beliebtheit, wenngleich das rituelle Vertreiben böser Geister sicherlich nicht mehr im Vordergrund steht. Viele Brauereien und Wirtschaften öffnen am Dreikönigstag ihre Türen und schenken ein speziell für diesen Anlass gebrautes Starkbier, den Bock, aus. Und damit die Kraft auch das ganze Jahr lang anhält, sollte für jeden Monat des neuen Jahres ein Seidla, also ein halber Liter Bier, getrunken werden. Für besonders Traditionelle endet das Stärk‘-Antrinken nicht selten im Vollrausch.

Bockbier gibt es von Hell bis Dunkel, aber auch als Weizenstarkbier. Es hat einen Alkoholgehalt von mindestens 6,5 Prozent und wurde früher vor allem für den Export gebraut. Damit es für die teils langen Transportwege länger haltbar bleibt, braute man es mit einem besonders hohen Stammwürzegehalt, wodurch der hohe Alkoholgehalt zu erklären ist.

Die Bezeichnung „Bock“ hat übrigens nichts mit dem Tier zu tun. Im Jahr 1614 wurde der Braumeister Elias Pichler aus Einbeck vom Adelshaus Wittelsbach an das Hofbräuhaus nach München berufen. Das „ainpöckisch Bier“ wurde bald nur noch „Bock-Bier“ genannt.

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Aktualisiert 06.12.2023, Redaktion.

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Jörg Raithel

Jörg Raithel

Jörg Raithel, Jahrgang 1982, ist Elektrotechniker, Diplom-Sozialpadägoge, Marketingmanager (MBA) und Landwirt. Bis 2015 war er Geschäftsführer des Regionalmarketingvereins Wirtschaftsregion Hochfranken in Hof. Er lebt nach Stationen im In- und Ausland in seiner Heimatstadt Münchberg und schreibt freiberuflich für verschiedene Print- und Onlinemedien über die Themen regionale Wirtschaft und Tourismus. Kontakt: info@6sensemedia.de