Tief im schönen Frankenwald gibt es ein paar traditionsbewusste Männer, die das „Köhlern“, ein uraltes Verfahren zur Herstellung von Holzkohle bewahren und fortführen. Die Rede ist von den Köhlern im Thiemitztal. Zweimal im Jahr bauen die Männer den sogenannten Kohlenmeiler in der Nähe von Schwarzenbach am Wald auf. In einer feierlichen Zeremonie wird dieser dann entzündet und es entsteht ein echtes Qualitätsprodukt. Was es mit dieser Tradition auf sich hat, erzählt mir Björn Stumpf, einer der Köhler im Interview für Stadt.Land.Hof. – Ein weiterer Teil unserer Waldhauptstadt-Serie rund um Schwarzenbach am Wald.
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Der Kohlenmeiler vom Thiemitztal: Holzkohle aus dem Frankenwald
Es ist eine Tradition, die es vermutlich schon länger als 1000 Jahre im Frankenwald gibt. Die Gewinnung von Kohle durch einen sogenannten Kohlenmeiler. In einem aufwendigen Verfahren entsteht so ein echtes Qualitätsprodukt, das über die Grenzen den Hofer Landes hinaus bekannt ist. Vor Jahrhunderten war dieses Herstellungsverfahren das einzige, um Kohle zugewinnen. Mit der Industrialisierung wurde diese Art der Kohleherstellung nur noch im Nebenerwerb von einigen wenigen Köhlern betrieben. Im Jahr 2007 musste der letzte Köhler vom Thiemitztal aus altersbedingten Gründen in den „Ruhestand“ gehen. Zwei Jahre lang schwelte deswegen kein Kohlenmeiler mehr im Frankenwald.
Bis sich ein paar traditionsbewusste Männer und Enthusiasten zusammenfanden und das änderten. Björn Stumpf ist einer von ihnen, und durch den Zusammenschluss der Traditionsbewahrer raucht es seit 2009 wieder im Thiemitztal. „Wir wollten verhindern, dass die letzte Meilerstatt im Frankenwald ausstirbt. Früher gab es bis zu 800 Meiler bei uns in der Region“, erzählt mir Björn Stumpf.
„Wir wollten verhindern, dass die letzte Meilerstatt im Frankenwald ausstirbt. Früher gab es bis zu 800 Meiler bei uns in der Region.“ Björn Stumpf
Seit fast 13 Jahren schwelt der Kohlenmeiler jetzt wieder im Frankenwald. Jedes Jahr zweimal, jeweils im Frühjahr und im Herbst. Die Festlichkeiten rund um das „Entfachen des Kohlenmeilers“ organisiert der Frankenwaldverein, zu dem die Köhlerfreunde vom Thiemitztal auch gehören.
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Ein kleiner Einblick in die Geschichte der Köhlerei
Die Köhlerei ist eines der ältesten Handwerke der Menschheit und zählt zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Holzkohle war bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts unverzichtbar in all den Schmieden, Erzschmelzen, Hochöfen und Hammerwerken des Frankenwaldes. Nur mit ihr konnte man früher die benötigten hohen Temperaturen erzeugen. Deswegen gibt es auch schon seit dieser Zeit dieses spezielle Herstellungsverfahren der Holzkohle. Und bei uns im Frankenwald gab es besonders viele Kohlstätten.
Dabei gibt es zwar unterschiedliche Arten von Kohlenmeilern wie etwa den Grubenmeiler oder den gemauerten Meiler, der Vorgang ist aber immer der gleiche. Die Köhlerfreunde im Thiemitztal betreiben einen Platzmeiler, den sie jedes Mal neu aufbauen und von oben entfachen.
Der Aufbau des Kohlenmeilers
Björn Stumpf erklärt mir in unserem Interview, wie so ein Meiler aufgebaut wird. Mit einen fachgemäßen Aufbau steht oder fällt nämlich die Qualität und Menge der entstehenden Holzkohle. Dabei arbeiten die Köhler im Thiemitztal noch genauso, wie ihre Vorfahren vor Hunderten von Jahren. „Man beginnt mit einer sogenannten ‚Quandl‘. Eine Stange, die in der Mitte des Meilers dafür sorgt, dass das Holz in einem Winkeln von etwa 60° aufgeschlichtet werden kann. Danach wird Schicht für Schicht Buchenholz angelehnt.“ Dabei gilt, je weniger Platz zwischen den einzelnen Holzstücken ist, desto besser. Es werden so lange Schichten gelegt, bis der gewünschte Radius des Meilers erreicht ist.
Anschließend folgt die „Streuschicht“, welche aus Fichten- oder Tannenzweigen besteht. Und ganz am Ende des Aufbaus folgt dann die „Lösch“. Die befeuchtete Mischung aus Sand, Erde und altem Kohlenstaub wird mit der Schaufel auf den Meiler geworfen und auf der Oberfläche festgeklopft. Diese letzte Schicht ist mindestens zehn Zentimeter hoch und beendet den Aufbau des Meilers. Herr Stumpf erzählt mir: „Für den Aufbau benötigen wir meist vier bis sechs Wochen und viele helfende Hände. Insgesamt sind wir aktuell 30 Köhler, von denen meistens 15 aktiv sind.“
Entfachen und Abschwelen des Meilers: Ein Fest im Thiemitztal
Jedes Mal, wenn die wochenlange Arbeit des Aufbaus der Köhler vorbei ist, wird im Thiemitztal ein Fest gefeiert. Hierzu laden die Köhlerfreunde und der Frankenwaldverein alle Interessierten ein. Für das leibliche Wohl wird dabei natürlich bestens gesorgt. Björn Stumpf verrät mir: „Wir wollen Einheimischen und Gästen unsere Traditionen und das kulturelle Erbe des Frankenwaldes näher bringen. Es ist ein Zusammenspiel von Natur, Kultur und Zivilisation, das auf keinen Fall verloren gehen darf. Jeder Interessierte ist herzlich eingeladen, egal ob zum Aufbau, zum Entfachen des Meilers oder zum Ernten der Kohle.“ Der junge Köhler bekam die Begeisterung für diese Tradition im Übrigen schon in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater war ein aktiver Köhler und nahm den Sohn in jungen Jahren immer mit zur Kohlstatt.
Nach dem Entzünden des Meilers dauert es ungefähr 20 bis 30 Minuten, bis man weißen Rauch aus dem schwarzen Berg austreten sieht. Dann wird er abgedeckt und die Köhler beginnen damit, Zuglöcher in den Meiler zu stechen um so das Feuer nach unten zuleiten. „Ein Köhler erkennt an der Farbe des Rauches, welcher der nächste Arbeitsschritt ist. Wenn der Rauch weiß ist, ist im Meiler alles in Ordnung. Ist der Rauch blau, ist es Zeit um die nächsten Löcher zu stechen“, weiht mich Björn Stumpf in die Geheimnisse der Köhlerei ein. Gelber Rauch wäre dabei fatal. Der bedeutet nämlich, dass sich im Meiler entzündliche Holzgase wie Methan, Methanol oder Wasserstoff bilden, was im schlimmsten Fall zu Explosionen im Kohlenmeiler führt und infolgedessen zum Verlust der Holzkohle.
„Gut Brand“ am Kohlenmeiler vom Thiemitztal im Frankenwald
Nach dem erfolgreichen Entfachen wünscht man sich unter Köhlern „Gut Brand“. Wie ich bereits gelernt habe, kann dabei ja doch einiges schiefgehen. Je nach Größe des Meilers dauert das Abschwelen bis zu einer Woche. Und in dieser Zeit müssen die Köhlerfreunde den Kohlenmeiler natürlich ständig bewachen. „Wir arbeiten in einem 3-Schicht-System und schauen ungefähr alle 30 Minuten nach dem Meiler, auch nachts“, erklärt mir der Köhler. Wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem der Kohlenmeiler fertig ist, kann man im Vorfeld nie so genau sagen. Das ist von der Feuchtigkeit des Buchenholzes sowie von der Qualität der Lösch- und Streuschicht, aber auch der Windrichtung und dessen Stärke abhängig.
„Wir freuen uns sehr, wenn wir interessierten Nachwuchs für die Köhlerei finden“. Björn Stumpf
Das „Ausstoßen“, wie es im Fachjargon heißt, bedeutet, dass die Holzkohle geerntet werden kann. Der erfahrene Köhler sieht dabei auf den ersten Blick, ob es sich diesmal gelohnt hat oder nicht. Aus 15 bis 17 Stör Holz können bei einem erfolgreichen Köhlern in etwa 1,5 Tonnen Holzkohle werden. Und diese ist im Hofer Land heißbegehrt. „Wir können die hohe Nachfrage nach unserer Kohle leider nicht decken. Durch die wenigen ehrenamtlichen Köhler können wir nicht mehr als zwei Meiler im Jahr entfachen. Deswegen freuen wir uns sehr, wenn wir interessierten Nachwuchs für die Köhlerei finden“, gesteht mir Björn Stumpf.
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Köhlerfreunde bewahren kulturelles Erbe des Frankenwaldes
Wer sich diese Tradition aus dem Frankenwald also gerne mal anschauen möchte oder – noch besser – aktiv mithelfen möchte, nur zu. Die Kontaktdaten zum Frankenwaldverein findet ihr unter dem Artikel.
Auf seiner Webseite informiert der Frankenwaldverein über seine geplanten Veranstaltungen, auch über das Entfachen des Kohlenmeilers: Veranstaltungen – Frankenwaldverein e.V.
Wenn es das Wetter und die Waldbrandgefahr zulässt, entfachen die Köhlerfreunde den Meiler zweimal im Jahr – zum Maianfang und im September. Der Frankenwaldverein informiert darüber via Sozial-Media und über ihre Internetseite. Vielleicht sehen wir uns dort ja mal und wünschen einander bei Bratwürsten und Radler „Gut Brand“.
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Bilder: indivisual media, Frankenwaldverein e.V., Björn Stumpf, Julia Rubsch, Michaela Spindler