So geht Work-Life-Balance im Hofer Land: Obwohl er nicht offensiv nach einem kreativen Ausgleich zu seinem schnelllebigem Hauptberuf suchte, fand Andreas Schnurrer seine Leidenschaft zum Holz. Genauer gesagt: Er fand die Liebe zum Drechseln. Ich habe ihn in seiner kleinen Werkstatt in Münchberg für euch besucht und mir alles über sein außergewöhnliches Hobby erzählen lassen.
Von der IT-Branche zum Holz
Andreas Schnurrer ist im wahren Leben ausgebildeter Fachinformatiker. Anschließend studierte er an der Fachhochschule in Hof Medieninformatik. Hauptberuflich arbeitet der 28-jährige Holzliebhaber seit diesem Jahr im Sachgebiet Einsatztechnik des Polizeipräsidium Oberfranken. Ganz unbekannt ist ihm die Arbeit mit Holz nicht, erzählt mir Andreas. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, da bekommt man ganz automatisch ein bisschen handwerkliches Geschick“, sagt Andi.
„Drechseln ist eine ganz besondere Art Holz zu bearbeiten.“ Andreas Schnurrer von „Waldstücke“
Bereits sein Urgroßvater hat als Schreiner gearbeitet. Es gab in seinem Leben also immer mal wieder Berührungspunkte mit dem einzigartigen Naturprodukt. Vor drei Jahren hat Andi bei einem guten Freund die Gelegenheit, das Drechseln auszuprobieren. Und er ist von der besonderen Art und Weise, wie das Holz bei dieser Technik bearbeitet wird, sofort wie in den Bann gezogen. „Als ich das erste Mal an der Drehbank stand, wusste ich sofort, dass das mein Ding ist. Drechseln ist eine ganz besondere Art Holz zu bearbeiten“, erzählt mir Andi mit einem Leuchten in seinen Augen.
Eine besondere Bearbeitung: das Drechseln
„Beim Drechseln dreht sich immer das Werkstück, nie das Werkzeug“, erklärt mir Andi. In seiner kleinen Werkstatt, die er komplett selbst ausgebaut hat, steht sein ganzer Stolz: Eine Drechselbank der Marke Killinger. Er hat die Bank von einem guten Freund und Mentor, der ihm viel in Sachen Holz und dessen Bearbeitung beibrachte, im Frühjahr 2019 übernommen. Das Drechseln von Holz ist eine interessante Sache. „Oft weiß man in Vorfeld noch nicht, welche Maserungen und Muster sich im Holz befinden. Wie wunderschön es sein kann ist, sieht man erst, wenn man mit einem Werkstück fertig ist“, berichtet mir Andi. Der letzte Feinschliff ist am Ende der Bearbeitung das Einölen mit einem natürlichen Öl, wie Leinöl oder Walnussöl. Sein Hobby wurde für ihn ein Ausgleich zur normalen Arbeit im IT-Bereich. Vor allem ist es aber eins: eine Nische.
„Ich habe mir bei den Drechselfreunden Franken viele Verbindungen zu begabten und talentierten Handwerkern aufgebaut.“ Andi Schnurrer
Es gibt nicht mehr viele Handwerker, die Holz nach dieser einzigartigen Weise bearbeiten. Dementsprechend schwierig ist es, sich das Wissen und die Geschicklichkeit dafür anzueignen. Andreas ist so fasziniert vom Drechseln, dass er jede noch so kleine Information darüber in sich aufsaugt wie ein Schwamm. Er recherchiert im Internet, schaut sich Videos an und liest viel über diese Art der Bearbeitung. Irgendwann stößt er auf die „Drechselfreunde Franken“. Ein Zusammenschluss fränkischer Drechsler und Kunsthandwerker, die sich für diesen besonderen Rohstoff interessieren und sich der Bearbeitung auf der Drehbank verschrieben haben. „Ich habe mir bei den Drechselfreunden Franken viele Verbindungen zu begabten und talentierten Handwerkern aufgebaut. Es sind viele Freundschaften entstanden, durch die ich sehr viel über Holz und das Drechseln dazu lernen durfte“, erzählt mir Andi begeistert.
Wenn aus einem Hobby eine Berufung wird
Es dauert nicht lange, bis sich Andi eine eigene stattliche Werkstatt aufgebaut hat. Je mehr Zeit er dort verbringt, desto zufriedener wird er mit seinen Werkstücken. Er übt sich an Schalen aus Holz und zeigt mir eines seiner ersten Werke. „Bei meiner ersten Schale erkennt man jetzt ganz deutlich den Unterschied zu meiner jetzigen Arbeit“, sagt Andi und muss etwas schmunzeln. Übung macht bekanntlich den Meister.
„Ich finde Holz ist eine Sache, die man Spüren muss.“ Andreas Schnurrer
Andi wird in der anspruchsvollen Kunst des Drechselns immer besser, was von seinem Umfeld nicht unbemerkt bleibt. Es häufen sich die Anfragen von Freunden und Bekannten für Geschenke aus Andis Werkstatt. Er beschließt, ein Nebengewerbe anzumelden, um seine Sachen verkaufen zu können. Am liebsten geht er selbst mit seinen Werkstücken auf regionale Märkte. „Ich finde Holz ist eine Sache, die man Spüren muss. Man muss es anfassen und einfach in der Hand halten“, schwärmt der Handwerker.
Entgegen dieser Meinung, entschließt sich Andi trotzdem dazu, dieses Jahr einen Onlineshop zu eröffnen. So kann man seine holzigen Unikate deutschlandweit kaufen. Dabei kam ihm sein Hauptberuf in der IT-Branche zu gute. „Das Erstellen meines Onlineshops, wie auch meiner kompletten Internetseite, war für mich als Medieninformatiker keine Schwierigkeit“, gesteht mir Andi. Wie viele kreativen Talente bei uns in der Region, ist Andi ein Künstler mit vielen Fähigkeiten. Er gestaltet alle Flyer und Visitenkarten selbst, macht die Fotos für seinen Onlineshop und pflegt regelmäßig seine Social-Media-Kanäle.
Handwerker mit Herz und Verstand bewahrt Erinnerungen
Unter seiner holzigen Schale steckt bei Andreas Schnurrer ein weicher Kern. Die größte Erfüllung für ihn ist, wenn seine Kunden glücklich und zufrieden sind. Um das zu zeigen, gibt es bei ihm im Onlineshop eine Kategorie „In glücklichen Händen“. Dort sieht man alle bereits verkauften Werkstücke von Andi, was ich persönlich eine wirklich schöne Idee finde.
„Es würde mir nie in den Sinn kommen, einen Baum nur für meine Arbeit zu fällen. Ein Baum soll solange leben, wie es geht.“ Andreas Schnurrer
Da jedes Holz an sich schon ein Unikat ist, sind es meist auch die Geschichten dahinter. „Ein Bekannter kam auf mich zu, weil die Birkenbäume im Garten seines Elternhauses leider gefällt werden mussten. Er hat als Kind immer unter diesen Bäumen gespielt und sie erinnerten ihn deswegen sehr an seine Kindheit. Aus dem Holz habe ich mehrere kleine Birkenbäumchen gedrechselt, die jetzt als Erinnerung an diese Zeit bei ihm und seinen Eltern stehen“, erzählt mir Andi. Es freut ihn sehr, wenn er mit seiner Arbeit dazu beitragen kann solche Emotionen bewahren zu können.
Mit der Natur im Einklang: Nachhaltiger Umgang mit Holz
Genau aus diesem Grund behandelt Andi jedes Stück Holz, das er in seinen Händen hält, mit Respekt und Ehrfurcht vor den Geschenken unserer Mutter Erde. „Die Natur gibt uns so viel und oft bemerken wir es nicht. Meine Produkte entstehen aus Hölzern, welche vor dem Ofen gerettet wurden oder ohnehin schon gefällt worden sind. Somit möchte ich der Natur und meinen Kunden ein Unikat in seiner wohl schönsten Form zurück geben. Einem Waldstück-Unikat“, berichtet der Holzretter. Ebenso wenig kauft er Holz, dass dafür einmal um die halbe Welt geschickt werden müsste. Er weiß zu schätzen, welche Geschenke der Natur bei ihm in der Werkstatt liegen. Er besitzt Holzstücke, die er hüttet wie einen Schatz, weil sie vermutlich 2000-3000 Jahre alt sind.
„Ich möchte der Natur und meinen Kunden ein Unikat in seiner wohl schönsten Form zurück geben.“ Andi Schnurrer von Waldstücke
Seine Holzlager sind prall gefüllt mit vielen unterschiedlichen Holzarten der Region. Sie stammen teilweise aus Auflösungen von Schreinereien oder Bekannten, die von seiner Arbeit gehört haben und noch Holz übrig hatten. Selbst wenn in Münchberg ein Baum gefällt werden muss, ruft man Andi mittlerweile an, um ihm das Holz anzuvertrauen. Auf dem Grundstück neben seiner Werkstatt pflanzt Andi selbst kleine Bäume an. Nicht um diese irgendwann zu verarbeiten, sondern um der Natur etwas zurück zu geben. Und vielleicht irgendwann seinen eigenen Kindern eine „Baumerinnerung“ zu schenken.
Einzigartige Geschenkideen aus der Natur
Andi fertigt aus bis zu 30 unterschiedlichen Hölzern verschiedene Produkte wie Schalen, Flaschenöffner und Salz- und Pfeffermühlen. Ebenso kann man Gemüseschäler, Nussknacker und Dekorationartikel bei ihm kaufen. Was vermutlich niemand weiß: hinter Andi´s Arbeit steckt nicht nur eine Jahrhunderte alte Handwerkskunst, die man nur mit viel Übung lernt, sondern auch jede Menge Zeit. Alle Hölzer müssten teilweise mehrere Jahre trocknen, bevor sie bearbeitet werden können. Das bedeutet, in seinen Holzlagern, liegen Hölzer – nach Sorten und Jahren sortiert – die erst in drei bis vier Jahren bearbeiten werden können.
Man kann seine Waldstücke bei Andi personalisieren lassen. Ob einen Namen, ein Logo oder eine Nachricht, er kann so ziemlich alles auf seinen Stücken einbrennen. Auch wenn jemand eigene Ideen, einen ganz besonderen Wunsch hat oder eine schöne Erinnerung in einem Werkstück bewahren will, kann er sich gerne an Andreas wenden.
Mein Besuch in der Werkstatt von „Waldstücke“ hat mir einiges gezeigt. Zum einen, dass ich – im Gegensatz zu Andreas Schnurrer – vorher überhaupt keine Ahnung hatte, wie viel man eigentlich über Holz wissen kann. Zum anderen durfte ich wieder entdecken, welche großartigen Talente im Hofer Land zuhause sind und welche wunderschönen Dinge entstehen können, wenn jemand mit Herzblut und Leidenschaft bei der Sache ist. Auch ich bin jetzt stolze Besitzerin eines gedrechselten Flaschenöffners, der aus dem Holz einer Dorfbuche in Friedsmannsdorf stammt. Und weil ich gute Geschichten gerne mag, habe ich mir den Flaschenöffner mit Wurmwohnung ausgesucht und werde jetzt bei jedem öffnen einer Flasche an Andi und seine wundervollen Geschichten über Holz erinnert.