Macherinnen und Macher aus dem Hofer Land werden auf diesem Blog zahlreich vorgestellt. Einer davon war der gebürtige Münchberger André Puchta, der in seinem Buch von seiner steilen Karriere auch ohne Abitur berichtet. Eine Art Gegenbeispiel stellt unser heutiger Interviewpartner vor: Armutsforscher Prof. Dr. Johannes Haushofer. Der gebürtige Hofer hat schon an den renommiertesten Universitäten der Welt gearbeitet. Im Gegensatz zu der Erfolgsgeschichte von Puchta beschäftigt sich eines der Werke, durch das er Bekanntheit erlangte, allerdings mit dem Scheitern. Jennifer Müller hat mit dem Wissenschaftler über seine Projekte zur Armutsbekämpfung und die Frage, ob Geld glücklich macht, gesprochen. Dabei redeten sie auch über die Lebensqualität im Hofer Land und den notwendigen Mut zum Scheitern.
Unseren Treffpunkt, das Jean-Paul-Café in Hof, hat Armutsforscher Prof. Dr. Haushofer selbst ausgewählt. Am gleichnamigen Gymnasium um die Ecke hat der 42-Jährige Ex-Hofer sein Abitur absolviert. Seitdem ist der heutige Armutsforscher ganz schön herumgekommen. Dass man ihn hier im Hofer Land antrifft ist eher selten geworden. Und doch sagt er nach wie vor, er fährt „heim“, wenn er seine Familie besucht.
Gerade kommt Prof. Dr. Haushofer vom Zahnarzt. Darüber, dass man bei uns so zügig einen Arzttermin bekommt, ist er begeistert. „Ich rufe zwei Tage vorher an und dann klappt das irgendwie. Das habe ich so sonst nirgendwo erlebt.“ Die kurzen Wege genieße er im Hofer Land nach wie vor. „Hier ist es groß genug, dass es alles gibt, was man braucht, aber eben auch klein genug, dass die Lebenshaltungskosten niedrig und die Wege kurz sind.“
Werbung für das Hofer Land: Hans Schrepfer von Nortwald Neunzehn
Seinen dauerhaften Wohnsitz hat Haushofer inzwischen jedoch in Schweden. „Momentan leben wir zwar vorübergehend in Singapur, weil meine Partnerin dort als Biologin arbeitet“, erklärt der Professor, als wir uns vor dem Café niederlassen. „Aber meine permanente Stelle als Entwicklungsökonom habe ich eigentlich in Schweden.“
Vom Jean-Paul-Gymnasium in Hof an die renommiertesten Universitäten der Welt
Studiert hat der Armutsforscher ursprünglich Psychologie, Philosophie und Physiologie an der Universität in Oxford. Seine Promotion in Neurobiologie schloss er in Harvard ab. Heute kämpft der gebürtige Hofer aktiv gegen Armut in den verschiedensten Ländern. Als Entwicklungsökonom ist er an der Konzeption und Durchführung unterschiedlicher Hilfsprogramme beteiligt, deren Wirksamkeit er zugleich erforscht. Dafür bog er trotz anfänglicher Vorbehalte sogar zu einer neuen Fachrichtung ab.
Vortrag von Prof. Dr. Haushofer an der Hochschule Hof auf YouTube ansehen:
„Früher hatte ich das Vorurteil, dass Ökonomie nur auf Profitmaximierung aus ist und ausschließlich von geldgierigen, zukünftigen Bänkern studiert wird“, verriet er in einem Gastvortrag an der Hochschule Hof. „Doch dann stellte ich fest, dass Ökonomen eher die Softies der Sozialwissenschaften sind.“ Als ich ihn an das Zitat erinnere, lacht er. „Ja, das dachte ich. Und ich wollte mich ja eigentlich nützlich machen. Deshalb interessierte ich mich zunächst für Medizin oder internationale Beziehungen. Aber dann habe ich von diesen randomisierten Versuchen mit Menschen aus Entwicklungsländern am MIT gehört. Deren Interventionen haben wirklich dafür gesorgt, dass es den Teilnehmern besser ging. Um da mitzumachen musste ich aber Entwicklungsökonom werden.“
Armutsbekämpfung als Entwicklungsökonom
Fast 700 Millionen Menschen leiden weltweit immer noch unter extremer Armut. Die bekanntesten Folgen sind Hunger, Krankheiten, Gewalt und fehlende Zukunftsperspektiven. Hilfsprogramme zur Bekämpfung gibt es schon viele – doch welche sind wirklich sinnvoll? Fragen wie diese versucht Haushofer zu beantworten. Zu diesem Zweck führte er bereits unter anderem in Kenia, Uganda aber auch in Amerika randomisierte Experimente durch. Das Hilfsprogramm Malengo in Uganda / Deutschland hat er dafür zuletzt selbst ins Leben gerufen.
„Unser Programm ermöglicht ugandischen Studierenden einen Hochschulabschluss in Deutschland. Dafür erhalten sie einmalig 12.000 Euro im ersten Jahr, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. Danach müssen sie sich durch Nebenjobs selbst finanzieren, was die meisten auch schaffen. Nach dem Studium hoffen wir, dass sie Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben, wo die Einstiegsgehälter so um die 40.000 Euro pro Jahr liegen. Zum Vergleich: Mit einem Highschoolabschluss in Uganda verdient man durchschnittlich 1.600 Euro pro Jahr.“
Studienplätze für Menschen aus Entwicklungsländern
Das Bewerbungsverfahren ist fair, die Auswahl zufällig. „Wir wollten das so wenig elitär wie möglich machen. Gibt es mehr Bewerber als Plätze, wird per Losverfahren entschieden. Das ist nicht nur gerechter, sondern stellt die Forschung auch auf solide Füße, weil die, die ausgewählt werden und die, die nicht ins Programm kommen, statistisch total gleich anzusehen sind.“
Bei der Beschaffung der Studienplätze kommt dem Team um den Entwicklungsökonomen die geniale Situation in Deutschland zugute. „Inzwischen gibt es ziemlich viele deutsche Hochschulen, die ihr Studium auf Englisch anbieten. Dazu ist es kostenlos. Das ist total super, denn das haben wir sonst nur in Norwegen und Island. Aber da gibt es wenige bis keine englischen Studiengänge.“
Studieren in Deutschland - studieren im Hofer Land: Beiträge über die Hochschule Hof
Macht Geld glücklich? Erkenntnisse aus der Armutsforschung
Mit dem Programm soll nicht nur beantwortet werden, inwiefern der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt Armut verhindern kann. „Der Einkommenseffekt ist ja relativ schnell da. Wir fragen auch die psychologischen Effekte ab: Wie geht es den Studierenden? Sind sie jetzt glücklicher? Werden sie diskriminiert oder haben sie Heimweh? Dabei sind auch die überschwappenden Effekte wichtig, also die Befragung der zurückgelassenen Familien, die jetzt vielleicht Geld geschickt bekommen, aber auch ein Familienmitglied verloren haben.“
Da liegt die Frage nahe: Macht Geld glücklich? Welche Aussagen kann Armutsforscher Prof. Dr. Haushofer dazu treffen? Doch, wie es in der Wissenschaft eben so ist, lautet die Antwort: Es kommt darauf an. „Um belastbare Aussagen zu unseren Studierenden aus Uganda zu treffen, ist es noch zu früh. Zumindest anekdotisch kann ich schon sagen, dass sie bei den Befragungen angeben, dass es ihnen sehr gut geht. Allerdings ist bei uns der Geldtransfer ja an eine spezifische Verwendung gebunden, nämlich, dass sie hierherkommen und studieren. Hätten wir ihnen das Geld einfach so gegeben, wäre die Situation wieder eine andere.“
„Aus meinen Forschungen in Kenia, wo ich viel zum Thema bedingungsloser Geldtransfer gemacht habe, kann ich aber sagen, dass da das Geld sehr wohl glücklich macht. Bei einem anderen aktuellen Forschungsprojekt in Amerika, wo Personen aus Armenvierteln in Compton eine Art Grundeinkommen erhalten, könnte sich ein anderes Bild abzeichnen. Aber auch da kann ich noch keine abschließende Aussage treffen.“
Arme Menschen haben ein viel höheres Risiko, depressiv zu werden (Armutsforscher Prof. Dr. Haushofer)
Was mein Gesprächspartner aber definitiv entkräften kann: Das hartnäckige Gerücht, dass Menschen, die ein einfaches Leben in armen Ländern führen, glücklicher wären, als die in der übersättigten, westlichen Gesellschaft. „Das ist ein weitverbreitetes Vorurteil und ich denke, das liegt daran, dass damit eine gewisse Romantik verbunden wird. Alle Daten, die ich dazu kenne, widersprechen dem deutlich. Arme Menschen haben ein viel höheres Risiko, depressiv zu werden oder Angststörungen zu entwickeln. Ihre Lebenszufriedenheit ist deutlich geringer. Das wurde inzwischen schon in sehr vielen Ländern gezeigt.“
Den Mythos, die Menschen in einer hochmodernen, schnelllebigen Welt litten häufiger an Depressionen, kann er demnach gar nicht bekräftigen. „Es gibt einen Diagnoseeffekt. Denn das Bewusstsein ist gestiegen, es gibt bessere Behandlungsmethoden, die Menschen hier haben mehr Zeit und Geld, sich damit zu befassen. Dadurch erhöhen sich natürlich Diagnosen. Aber das hat nichts damit zu tun, dass Depressionen bei uns irgendwie schlimmer werden.“
CV of Failures – Lebenslauf des Scheiterns von Prof. Dr. Haushofer
Titel, Preise, Ehrungen: Bei all dem Engagement wundert es nicht, dass Prof. Dr. Haushofer seinen Lebenslauf mit allerlei Auszeichnungen schmücken darf. Besonders große Aufmerksamkeit hat er jedoch auch für seinen „Lebenslauf des Scheiterns“ bekommen. Über diesen „CV of Failures“, den er vor ein paar Jahren in den sozialen Medien veröffentlichte, möchte ich jetzt mit ihm sprechen. Der kulturelle Umgang mit Fehlschlägen ist international so unterschiedlich, dass ich mich frage, ob wir uns hier vielleicht etwas abschauen können.
Als würde bei anderen immer alles klappen, nur bei einem selbst nicht (Prof. Dr. Haushofer)
„Von der Idee, seine Misserfolge zu veröffentlichen, hatte ich in einer Fachzeitschrift gelesen“, berichtet er mir. „Eine Forscherin aus Edinburgh fand, dass das nützlich sein könnte, weil die Lebensläufe der Erfolge, die man sonst nur sieht, ja die Wahrnehmung verzerren. Als würde bei anderen immer alles klappen, nur bei einem selbst nicht.“ Die Idee gefällt ihm damals so gut, dass er seinen Lebenslauf der Misserfolge zunächst an Freundinnen verschickt, die gerade unter einem Fehlschlag leiden. Darin aufgelistet sind Stipendien, die er nicht erhielt, Jobs, die er nicht bekam und auch Preise, mit denen er nominiert, aber nicht ausgezeichnet wurde.
„Das hat bei meinen Freundinnen geholfen, also dachte ich mir, scheiß drauf, ich lade das jetzt mal ins Internet“, lacht er. Sein „CV of Failures“ geht überraschend viral. Bei Google stößt man auf unzählige Artikel zu der Aktion. Die verschiedensten Zeitungen haben darüber berichtet.
Mehr Can-Do-Spirit für das Hofer Land?
Ich möchte seine Einschätzung wissen: Täte es Deutschland – insbesondere dem Hofer Land – gut, eine positivere Kultur des Scheiterns zu etablieren? Welche Erfahrungen hat er beispielweise in den USA, die bekannt für ihren Can-do-Spirit sind, gemacht?
„Da sind meine Erfahrungen schon positiv. Man wird ermutigt, weiterzumachen, optimistisch zu bleiben, wenn etwas nicht klappt.“ Kommt man in einer solchen Atmosphäre besser voran? „Ja, auf jeden Fall traut man sich dann leichter, etwas auszuprobieren. Bekommt man schon von Vornherein gesagt, was alles schief gehen könnte, zweifelt man ja irgendwann an seinem Ziel und setzt vielleicht nicht alles darauf. Man hält sich eher noch eine Option B offen und steht nicht ganz hinter seinem Vorhaben. Ich denke, eine Kultur der Kritik hält Menschen schon klein.“
Man bekommt hier alles, was man braucht, sehr günstig und schnell (Armutsforscher Prof. Dr. Haushofer)
Unser Gespräch abschließen möchte ich aber natürlich mit den Vorzügen unserer Heimat. Und da muss Haushofer nicht lange überlegen. „In Deutschland ist die Freizeitkultur viel ausgeprägter, während in den USA das Überarbeiten schon fast glorifiziert wird.“ Speziell das Leben im Hofer Land empfinde er als sehr bequem. „Man bekommt hier alles, was man braucht, sehr günstig und schnell.“
Das habe er beispielsweise gemerkt, als er Malengo mit offiziellem Firmensitz in Oberkotzau gründete. „Klar ist das extrem bürokratisch, aber dafür hast du direkte Ansprechpartner, die erreichbar sind und dich kennen. In anderen Ländern ist das viel komplizierter. Da hängst du eine Stunde in der Warteschleife irgendeiner Zentralstelle und hast dann jemanden an der Strippe, der keine Ahnung hat. Hier weiß man in einer Behörde deinen Namen und kennt sich mit deinem Fall aus. Das habe ich so sonst nirgendwo erlebt.“
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