Bis heute gehört die traditionelle „Kerwa“ fest zu den Veranstaltungskalendern vieler verschiedener oberfränkischer Dörfer. Doch hat sich die Art und Weise, wie man sie feiert, in den Jahrzehnten stark unterschiedlich entwickelt.
Die traditionelle Kerwa – Herkunft
Vieles aus der Geschichte des Festes sind eher Vermutungen denn tatsächliche Erkenntnisse, und so lassen sich auch seine Ursprünge nicht mehr exakt rekonstruieren. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich die traditionelle Kerwa von der Kirchweihe ableitet, also an den Tag der Weihe des lokalen Gotteshauses erinnern soll. Das erklärt zugleich auch, weshalb die Kerwa in den verschiedenen Ortschaften an ganz unterschiedlichen Tagen gefeiert wird. Diese Uneinheitlichkeit war der kirchlichen Obrigkeit schon immer ein Dorn im Auge, weswegen es mehrmals den Versuch gab, die Termine zusammenzulegen. Das scheiterte aber – zum Glück! – stets an der Beharrlichkeit der Bevölkerung, sich an die neuen Daten anzupassen.
Das Besondere an der Kerwa ist, dass sie neben dem kirchlichen Aspekt auch eine immens wichtige Rolle für die Gemeinschaft spielt – immerhin steht sie ganz im Zeichen der Geselligkeit und des gemeinsamen Feierns. Ihre Bedeutung als weltliches Fest ist derart groß, dass manche Volkskundler ihren Namen gar vom „Keren“ ableiten, was „Grölen“ oder „Schreien“ bedeutet.
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Zusammengefasst ist es demnach gerade die Trias, die Verbindung aus Kirche, Gemeinschaft und auch Wirtschaft, die die Kerwa so besonders macht. So zieht man bis heute in vielen Orten nach dem Besuch des Gottesdienstes zusammen ins Wirtshaus, wo man sich Leckereien wie Krenfleisch oder Würste schmecken lässt, und schlendert im Anschluss durch den sonntäglichen Markt. Das machte die traditionelle Kerwa schon früher zu einem wichtigen Fest für Handwerker und Landwirte, die in ihrem Zusammenhang auch ihre Produkte verkaufen konnten. Damit es dabei möglichst ruhig zuging, galt der „Kirchweihfrieden“, eine verordnete Beilegung aller Zwiste und Streitigkeiten für die Dauer des Festes.
Die traditionelle Kerwa besteht aus mehrtägigen Feierlichkeiten
Traditionell teilte sich das Fest in drei einzelne Abschnitte, die Vorbereitung, die eigentliche Feier und das sogenannte Begräbnis. Den Anfang machte der Donnerstag, der gemeinhin als „Schlachttag“ galt. Daran schloss sich am Freitag der „Backtag“ an, an dem – wie teils bis heute üblich – die Kerwaleckereien ausgebacken wurden. Die „Kiechla“, auch „Ausgezuunga“ oder „Kniekiechla“ genannt, da man sie ursprünglich über das Knie zog, um ihnen die besondere Form zu verleihen, wurden hergestellt und verteilt. Der Samstag stand ganz im Zeichen des Putzens und Scheuerns: Die Häuser und Höfe wurden gereinigt, um den Gästen einen guten Eindruck zu vermitteln, ehe am Sonntag mit der „Freßkerwa“ die eigentliche Feier begann, die sich bis Montag zog.
In vielen Ortschaften befand sich im Zentrum eine Linde, die für die Gemeinschaft eine immense Bedeutung hatte, nachdem sie einst als Gerichtsbaum galt und so das Symbol der Rechtssprechung darstellte. Darüberhinaus kommt ihr auch im Volksglauben eine wichtige Rolle zu: So hieß es, dass junge Linden die Menschen vor allerlei Bösen und am Ende gar vor Hexen beschützen konnten. Aufgrund der herzförmigen Blätter symbolisiert sie zudem die Liebe und die daraus entwickelte Hochzeit, die oftmals an oder unter der Linde gefeiert wurde. Dabei sollte die Kraft des Baumes – und so auch die der Schöpfung – auf das junge Paar übergehen. Diese Symbolik hat sich beispielsweise auch bei den Maifeiern durch den Maibaum oder beim Schmücken der Osterbrunnen mit jungen Linden erhalten: Immer und überall sollte der Baum die Kraft der Natur, der göttlichen Schöpfung, symbolisieren, für die man Dank aussprach.
Am Ende wird die Kerwa beerdigt
Die traditionelle Kerwa beinhaltete auch einen Tanz um die oder auf der Linde, wobei auch oftmals die heute leider meist in Vergessenheit geratenen „Schlumberliedla“ zum Besten gegeben wurden, in denen man sich locker mit aktuellen Geschehnissen innerhalb des Dorfes auseinandersetzte.
Nach dem Tanz am Sonntag als höchsten Festtag der Kerwa, schloss sich montags die „Wirtshauskerwa“ an, die gemeinsame Einkehr also, bei der es oftmals lukullische Freuden zu verspeisen gab, die extra für diesen Tag bereitet wurden. Am Dienstag schließlich fanden die Feierlichkeiten ihren Endpunkt durch das „Eigrohm“ beziehungsweise die Beerdigung. In manchen Fällen schlüpfte dabei einer aus der Reihe der Kerwa-Burschen in die Rolle des Pfarrers, der die Höhepunkte der Feier in Form einer „Predigt“ Revue passieren ließ, was bei der örtlichen Geistlichkeit oftmals für Empörung ob der Amtsanmaßung sorgte. Anschließend wurde, unter großer Anteilnahme und Trauer, die Kerwa zu Grabe getragen, um damit das Feiern zu beenden. Die Kerwa also „schlief“, bis sie im nächsten Jahr unter tosendem Applaus wieder zum Leben erweckt wurde – ein Vorgehen, das sich heute in den Faschingsfeierlichkeiten mancher Karnevalsvereine erhalten hat.
Noch bis in die 1920er, teils die 1950er Jahre hinein hatte sich das Brauchtum rund um die traditionelle Kerwa in vielen Ortschaften erhalten und wurde oft durch eigens gegründete Vereine geprägt. Mittlerweile sind „Kerwa-Umziech“, groß angelegte Feiern und damit auch die Erweisung einer gewissen Dankbarkeit gegenüber der Natur und ihrer Gaben, leider oftmals komplett ausgestorben. Umso froher dürfen wir sein, dass es in einigen wenigen Ortschaften bis heute die traditionellen Feiern gibt!
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