Herzschrittmacher, Ultraschallgeräte, Innenohrimplantate und sogar Hightech für die Raumfahrt – beschäftigt man sich zum ersten Mal mit der Elektronik, die MSE (Micro Systems Engineering) in Berg herstellt, kommt man aus dem Staunen gar nicht heraus. Denn das Unternehmen im Hofer Land liefert echte Hightech aus dem Frankenwald. Weil MSE komplexe Technik herstellt, die ansonsten überwiegend in Asien produziert wird, stellen wir das Unternehmen in diesem Beitrag vor. Bloggerin Jennifer Müller hat den Geschäftsführer Thomas Asperger und Vertriebsmitarbeiterin Lisa Degenkolb getroffen, um die Arbeit des spannenden Hidden Champion kennenzulernen.
Text: Jennifer Müller
Bilder: Micro Systems Engineering GmbH, Berg
Willkommen im Frankenwald: Ein Zentrum für Hightech
Es ist immer wieder erstaunlich: Da wohnt man sein Leben lang im Hofer Land und doch entdeckt man regelmäßig neue Schätze, die man bis dato übersehen hat. So ging es mir mit MSE in Berg. Und das Unternehmen darf getrost als Schatz bezeichnet werden. Denn die Micro Systems Engineering GmbH stellt echte Lebensretter her.
Als ich mich dem großen Firmengelände nähere, frage ich mich ein weiteres Mal, wie innovative Unternehmen wie dieses zu Hidden Champions werden. Die Anlage ist definitiv nicht zu übersehen. Aber meine Unsicherheit, ob ich einigermaßen verstehen werde, welche komplexen Arbeitsschritte hier verrichtet werden, gibt mir einen Hinweis darauf, warum die Menschen im Hofer Land nicht allzu viel über das Unternehmen sprechen. Einige wissen zwar, dass das Unternehmen Hightech für Herzschrittmacher produziert – doch darüber geht das Wissen kaum hinaus. Verständlich – die wenigsten Menschen beschäftigen sich im Alltag mit Dingen wie Halbleiter-Packaging.
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Die Micro Systems Engineering GmbH:
Ein Paradebeispiel für Hightech im Frankenwald
Ich treffe Geschäftsführer Thomas Asperger und Lisa Degenkolb, die in Vertrieb und Marketing tätig ist. Es ist das erste Mal, dass meine Interviewpartner mir eine Präsentation mitgebracht haben. Und ich bin froh um die Vorstrukturierung, denn mit Elektronik, die durch das Weltall fliegt, habe ich mich noch nie beschäftigt.
Zunächst erfahre ich etwas über Herrn Asperger und Frau Degenkolb. Der 48-jährige Geschäftsführer hat als Physiker begonnen, arbeitete zuletzt 6 Jahre bei Vishay in Selb und ist im April 2023 zunächst als Leiter des Engineering bei der MSE eingetreten. „Ich kannte das Unternehmen vorher tatsächlich selbst nicht“, gibt er zu. „Eigentlich bin ich hergekommen, weil die Arbeit für mich näher an meinem Halbleiter-Hintergrund ist.“
Wenn ich mir überlege, dass das, was wir weltweit verkaufen unter anderem in den Weltraum geht, dann ist das fast unvorstellbar (Lisa Degenkolb, Mitarbeiterin Marketing)
Lisa Degenkolb arbeitet bereits seit 8 Jahren hier. Auch ihr ist klar, dass MSE und seine Hightech Lösungen im Hofer Land weniger bekannt sind, als man meinen könnte. „Uns ist aber wichtig, dass sich das zukünftig ändert. Denn es ist so spannend, was hier passiert! Wenn ich mir überlege, dass das, was wir weltweit verkaufen unter anderem in den Weltraum geht, dann ist das fast unvorstellbar“, erklärt sie mir strahlend. Ihrem Chef geht es genauso: „Ich bin total fasziniert von den Endanwendungen, beispielsweise in der Medizintechnik, die Leben rettet. Das ist total sinnstiftend und ich verstehe, dass die Mitarbeiter sich hier alle reinhängen.“
Die Ursprünge von MSE: Hightech aus dem Frankenwald – nicht aus Asien
Bevor wir näher auf die Endanwendungen eingehen, erfahre ich noch etwas über die Hintergründe von Micro Systems Engineering. „Unser Unternehmen ist eines von mehreren Tochterunternehmen von Biotronik in Berlin. Das Familienunternehmen stellt bereits seit 60 Jahren Herzschrittmacher her. Dabei war es ihnen wichtig, unabhängig zu bleiben, um das extrem hohe Qualitätsniveau garantieren zu können. Die Produkte werden schließlich für den menschlichen Körper gemacht“, betont Herr Asperger.
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So gründet Biotronik mit der Zeit mehrere Tochtergesellschaften, in denen sämtliche Arbeitsschritte nach ihren Standards erledigt werden. Eine eigene Supply Chain, eine unabhängige Wertschöpfungskette, entsteht. Und so kommt es auch, dass MSE seit beinahe 40 Jahren Hightech im Frankenwald herstellt, die häufig in Asien gefertigt wird. Mittlerweile wurde das Portfolio auf die Bereiche Mehrlagenkeramik (LTCC) und anspruchsvolle Aufbau- und Verbindungstechnik ausgedehnt. Heute ist das international erfolgreiche Unternehmen europäischer Markt- und Kompetenzführer im Bereich „Low Temperature Cofired Ceramics“. LTCC ist eine Technologie zur Herstellung von Mehrlagenschaltungen auf der Basis von gesinterten Keramikträgern.
Hightech-Anwendungen von MSE
In der Präsentation sehe ich nun Fotos aus der Fertigung. Hier wird sofort klar, dass die Mitarbeiter höchst präzise und sauber arbeiten: Sie tragen weiße Kittel, Mund- und Haarschutz. Verschiedene Monitore sowie Mikroskope sind zu sehen. Alles wirkt hochmodern und steril. „Wir sind unter anderem ISO 13485 zertifiziert, das berechtigt uns dazu, medizinische Technik zu fertigen und auszuliefern“, kommentiert Herr Asperger. „Es muss alles unglaublich präzise erledigt werden – sowohl für den menschlichen Körper als auch für die Raumfahrt. Ist die Technik einmal im Einsatz, darf sie unter keinen Umständen ausfallen.“
Medizintechnik im Fokus: Elektronische Lebensretter aus dem Frankenwald
Wo diese Technik überall eingesetzt werden kann, erklärt mir der Ingenieur jetzt. MSE werden zwar meist mit Herzschrittmachern in Verbindung gebracht, doch sie fertigen noch mehr Medizintechnik, die die Lebensqualität der Menschen verbessert. Technik, die für Ultraschallgeräte oder bei der Computertomographie gebraucht wird und sogar Ausrüstung für Innenohrimplantate, mit denen komplett taube Menschen wieder hören können, stellt MSE her. „Damit können Kinder das Sprechen lernen. 80 Prozent aller tauben Kinder bekommen inzwischen so ein Implantat“, schwärmt Herr Asperger.
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Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem sogenannten Halbleiter-Packaging. Dieses hat unter anderem Aufgaben, wie den unbedingten Schutz der Schaltung vor äußeren Einflüssen, die Versorgung der Bauteile mit Energie, die Verteilung von Signalen und Daten. „Die Basistechnologie muss dabei äußerst robust sein, es dürfen sich keine Verbindungen lösen. Schließlich wird die Technik in den menschlichen Körper eingebracht. Außerdem darf keinesfalls Flüssigkeit von außen eindringen“, erläutert der Geschäftsführer die Arbeitsschritte. „Jede Anlage, sämtliche Materialien müssen bei uns auf Herz und Nieren geprüft werden. Außerdem wird alles dokumentiert und kann rückverfolgt werden.“
Vom Frankenwald ins Weltall: MSE’s Hightech für Raum- und Luftfahrt
Strahlung, Druck, Temperatur, Beschleunigung – Faktoren wie diesen muss die Elektronik von MSE standhalten, wenn es um ihren Beitrag zur Raum- und Luftfahrt geht. Deshalb ist das Unternehmen auch nach der ESA (European Space Agency) qualifiziert. Sehr interessant ist hier zum Beispiel die Anwendung der Technik bei den Galileo Satelliten. Galileo ist ein weltweit nutzbares Navigationssatelliten- und Zeitgebungssystem.
Es muss mit allen Mitteln verhindert werden, dass die Produkte im Weltraum ausfallen (Thomas Asperger, Geschäftsführer von MSE in Berg)
„Es ist vereinfacht gesagt das europäische GPS. Bis vor 10-15 Jahren gab es hier nur die amerikanische Version vom Militär. Europa wollte davon nicht abhängig sein und deshalb sein eigenes, ziviles System haben. Von unseren Bauteilen wird das GPS Signal übertragen. Dabei muss das Zeitsignal extreme Genauigkeit aufweisen, hier geht es wirklich um Nanosekunden“, betont der Geschäftsführer. „Außerdem muss auch hier mit allen Mitteln verhindert werden, dass die Produkte im Weltall ausfallen.“
Auch hier kommt wieder die Technologie des LTCC (Low Temperature Cofired Ceramics) zum Einsatz. Dabei werden Keramikfolien einzeln strukturiert, danach gestapelt und schließlich laminiert. „Die dünnen Laminate – fast Folien – werden anschließend bei 800 Grad gebrannt und sind dann untrennbar miteinander verbunden“, erläutert Herr Asperger. Weiterhin sei es beispielsweise wichtig, die im Weltraum auftretende Hitze mit Hilfe von Kühlkörpern gleichmäßig auf größere Flächen zu verteilen.
„Aber auch Technik, die beispielsweise bei explorativen Erdgasbohrungen eingesetzt wird, stellen wir her. Diese muss – einmal mehrere Kilometer in die Tiefe gebracht – ebenso zuverlässig funktionieren.“
Auch Zukunftsideen werden im Frankenwald gefördert
MSE zeigt sich als innovatives, zukunftsweisendes Unternehmen. Deshalb interessiert mich, ob dort auch eigene Forschung stattfindet. „Hin und wieder sind wir auch bei Forschungsprojekten dabei und unterstützen vor allem Startups. Gerade im Bereich der Medizintechnik gibt es viele umtriebige Menschen, die ihren Beitrag leisten wollen. Beispielsweise kam ein Startup auf uns zu, das den perfekten Blutzuckersensor erfunden hat, aber sich die Fertigung natürlich noch nicht leisten kann. Bei solchen erfolgversprechenden Dingen stecken wir ruhig auch mal was rein.“
MSE: Viel mehr als nur Hightech für die Medizin
Obwohl MSE also mit lebensrettender Medizintechnik in Verbindung gebracht wird, reicht ihr Einfluss viel weiter. Neben Herzschrittmachern, Ultraschallgeräten oder Innenohrimplantaten tragen sie dazu bei, die Lebensqualität der Menschen weltweit zu verbessern. Ihre Technologie wird in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, von der Computertomographie über Erdgasexploration bis hin zu Raum- und Luftfahrt. Und obwohl ihre Produkte nicht direkt im Konsumbereich zu finden sind, kommen wir häufig unbewusst mit ihnen in Berührung. Sei es beim Tanken oder anderen Alltagssituationen.
Insgesamt ist MSE also ein herausragendes Beispiel für Hightech aus dem Frankenwald. Damit ist das Unternehmen ein echter Hidden Champion im Hofer Land, der es absolut verdient, öfter im Rampenlicht zu stehen.
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