Im Hofer Land gibt es ein großes und vielfältiges Kulturangebot. Doch was tun, wenn man im Alter ohne Unterstützung nicht mehr in der Lage ist, an diesem Angebot teilzuhaben? Auch daran wurde gedacht und im Landkreis Hof das Projekt „Kulturpaten“ eingeführt, das Begleitung für Senioren ermöglicht. Wir stellen das Projekt auf Stadt.Land.Hof vor. Denn: Motivierte Kulturpaten und auch Kulturgäste dürfen sich jederzeit gerne zur Teilnahme anmelden. Die nächsten Schulungen für Kulturpaten beginnen gerade.
Auch im Alter an Kultur teilhaben: „Kulturpaten“ im Landkreis Hof
Über das große und vielfältige Kulturangebot unserer Region berichten wir ja auch auf Stadt.Land.Hof immer wieder. Von Subkultur bis Klassik, von der Amateur-Gruppe bis hin zum Profi-Ensemble ist alles dabei. Wenn man die Augen offenhält, bieten sich in Stadt und Landkreis Hof unzählige Möglichkeiten, Kunst, Tanz, Musik, Film oder Theater zu erleben. Neben den großen Einrichtungen wie dem Theater Hof, der Freiheitshalle, den Hofer Symphonikern, dem Haus Marteau, den Hofer Filmtagen oder den Kulturwelten Helmbrechts, locken auch zahlreiche kleinere Akteure, Initiativen und Subkultur das Publikum.
Ehrenamtlich ältere und eingeschränkte Menschen begleiten
Doch was ist mit älteren Menschen, die vielleicht nicht mehr mobil genug oder die alleine zu unsicher sind, um an diesem Teil des Lebens noch so teilzunehmen, wie sie das gerne tun würden? Auch daran wurde im Hofer Land gedacht! Mit dem Kulturpaten-Programm.
Das Projekt „Kulturpaten“ gibt es seit März 2022 und ich habe immer wieder davon gehört. Doch wie funktioniert es in der Praxis? Wie wird es organisiert? Und vor allem: Wie ist es für eine aktive Kulturpatin, sich in diesem Projekt zu engagieren? Das will ich für Stadt Land Hof herausfinden. Ich habe mit Projektkoordinatorin Lisa-Maria Moritz und einer Kulturpatin der ersten Stunde, Brigitte Möckel, gesprochen.
Kulturgast werden und Musik, Theater und Kunst in Gesellschaft erleben
Das Projekt bringt so genannte „Kulturgäste“, die begleitet werden, mit ihren Begleitern, den „Kulturpaten“, zusammen. So gibt es älteren Menschen ab 60, Hochbetagten und Menschen mit Demenz die Gelegenheit, so lange wie möglich kulturelle Veranstaltungen zu besuchen. Die gemeinsamen Unternehmungen wirken der zunehmenden Einsamkeit im Alter entgegen.
„Kultur ist ein weitgefasster Begriff. Die Gäste wünschen sich oft Unternehmungen, die fitten und mobilen Menschen ganz selbstverständlich erscheinen.“ Koordinatorin Lisa-Maria Moritz
„Kultur ist dabei ein weit gefasster Begriff“, erklärt Koordinatorin Lisa-Maria Moritz. „Das kann das Fußballspiel am Wochenende, ein Besuch in der Eisdiele, aber genauso der Besuch eines Museums oder einer Kunstausstellung sein. So wie sich der Kulturgast und sein Kulturpate das vorstellen. Die Wünsche der Gäste sind oft Unternehmungen, die fitten und mobilen Menschen ganz selbstverständlich erscheinen.“
Was, wenn Eintrittsgelder anfallen? „Der Grundgedanke des Kulturpaten-Projektes ist: Die Kulturpaten schenken die Zeit, die Kulturgäste schenken die Karten“, erklärt mir die Koordinatorin. „Allerdings können die Tandems das auch individuell absprechen, es ist keine strenge Vorgabe.“
Ein Ehrenamt, das Freude bereitet: Was sind Kulturpaten?
Kulturpaten sind Ehrenamtliche, die sich bereit erklären, Menschen, die das sonst aufgrund ihrer persönliche Situation nicht mehr könnten, zu kulturellen Veranstaltungen zu begleiten. Nicht mehr und nicht weniger. Pflegerische oder hauswirtschaftliche Unterstützung ist ausdrücklich kein Teil dieses Projektes. (Dafür gibt es ebenfalls Projekte, wie wir auf Stadt.Land.Hof schon erfahren haben: Gelebtes Ehrenamt: Angelika Munzert unterstützt Pflegebedürftige im Alltag – StadtLandHof.)
Ansprechpartner, das nötige Rüstzeug und auch eine gewisse rechtliche Absicherung für dieses Ehrenamt finden sie im Rahmen des „Kulturpaten“-Projekts des Landkreises Hof. Dort wird es von der Seniorenkoordinatorin des Landkreises, Lisa-Maria Moritz, betreut. Sie sucht regelmäßig neue Kulturpaten, kümmert sich um deren Schulung und Vernetzung. (Ihre Kontaktdaten finden sich unten im Info-Text.)
Kostenlose Schulung für Kulturpaten
Um für das Ehrenamt gerüstet zu sein, nehmen die Kulturpatinnen und –paten zunächst an einer kostenlosen Schulung teil. Diese findet größtenteils online statt und ist somit gut in den Alltag zu integrieren. In fünf Modulen geht es dabei um die Themen Grund- und Notfallwissen, Unfallverhütungsvorschriften, das Krankheitsbild Demenz, Verhalten im öffentlichen Raum, Organisation von Kulturbesuchen, das regionale Angebot von demenzsensiblen Veranstaltungen und rechtliche Aspekte.
„Viele Kulturpaten suchen sich aktiv in ihrem persönlichen Umfeld selbst Kulturgäste.“ Lisa-Maria Moritz
Das Kulturpaten-Amt ist ein ‚richtiges‘, offizielles Ehrenamt. Die Paten sind entsprechend beim Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement (KoBE) des Landkreises Hof angemeldet und für ihre ehrenamtliche Tätigkeit versichert. Das finde ich wichtig, denn schließlich ist zum Beispiel auch vorgesehen, dass die Kulturpaten ihre Gäste im privaten PKW mitnehmen. Eine offizielle Aufwandsentschädigung gibt es nicht.
„Viele Kulturpaten suchen sich, wenn sie durch die Schulung einmal für das Thema sensibilisiert sind, aktiv in ihrem persönlichen Umfeld selbst Kulturgäste“, erklärt mir Lisa-Maria Moritz.
Kulturpatin Brigitte Möckel: „Dieses Ehrenamt ist eine Win-Win-Situation“
So war es auch bei Kulturpatin Brigitte Möckel. Die musikalische und kulturinteressierte Nailaerin hatte in der Zeitung vom allerersten Aufruf „Kulturpaten gesucht“ gelesen und sich zur Schulung angemeldet. Im Interview erzählt sie mir von ihren Erfahrungen.
„Ein Teil der Zielgruppe sind ja auch eigentlich rüstige Leute, denen es aber an Fahrgelegenheit und Begleitung fehlt“, findet die Brigitte Möckel. „Viele Ältere haben ihr Auto abgeschafft oder fahren nachts nicht mehr gerne. Meiner Meinung nach gibt es jede Menge Leute, die das betrifft.“ Diese Gruppe möchte die Kulturpatin motivieren, sich als Kulturgast anzumelden und aktiv zu bleiben. Noch viel mehr Menschen müssten von dieser Möglichkeit wissen und weitererzählen, findet sie: Pflegedienste, Arztpraxen, Gemeinden, Kulturveranstalter.
„Viele Ältere haben ihr Auto abgeschafft oder fahren nachts nicht mehr gerne. Auch das ist die Zielgruppe des Projektes.“ Kulturpatin Brigitte Möckel
Von der Idee des Projektes ist die pensionierte Lehrerin nach wie vor begeistert. Nachdem sie die Schulung absolviert hatte, stellte sie das Projekt aktiv in Seniorentreffs ihrer Umgebung vor und machte Seniorinnen und Senioren auf die Möglichkeiten aufmerksam. So fand sie auch eine Seniorin als ihren regelmäßigen Kulturgast, mit der sie viele musikalische Interessen teilte und Konzertbesuche unternahm. So hat Frau Möckel Erfahrung gesammelt und weiß, was es zu beachten gilt, wenn man einen Menschen unterstützt und begleitet, der gewisse körperliche Einschränkungen hat.
Gemeinsam Kultur erleben: Altersgerecht und demenzsensibel
Genau wie ihr Kulturgast interessiert sich Brigitte Möckel besonders für klassische Musik und Theater. „Das kam mir sehr gelegen. Wir haben dann einfach regelmäßig Kontakt gehalten und haben Konzertbesuche vereinbart. Praktisch eine Win-Win-Situation für beide.“
Die Schulung fand sie persönlich sehr interessant. „Und auch notwendig, wenn man zum Beispiel keinen medizinisch-pflegerischen Hintergrund hat“, erinnert sie sich. „Es ging viel um Personen mit körperlichen Einschränkungen. Hat einen aber auch auf rechtliche Aspekte vorbereitet und darauf, wie man mit kleinen Katastrophen zurechtkommt.“
Sensibilisiert durch die Schulung übernimmt Kulturpatin Brigitte Möckel die Organisation der gemeinsamen Unternehmungen, recherchiert passende Angebote und geht dabei auf die besonderen Bedürfnisse der Seniorin ein. Ihr Kulturgast geht am Rollator und sieht schlecht, ist „geistig absolut fit“. Die Kulturpatin klärt im Vorfeld also die Barrierefreiheit mit den Veranstaltern ab und reserviert Plätze, an denen auch der Rollator untergebracht werden kann.
Uhrzeit, Barrierefreiheit, Ticketkauf, Anfahrt – es gibt einiges zu bedenken
„Wir wollten zum Beispiel nicht bis spät in die Nacht unterwegs sein. Da sind die Konzerte im Haus Marteau in Lichtenberg im Landkreis Hof ideal. Sie beginnen um 18 Uhr und dauern nicht so lange. Außerdem sind das oft interessante gemeinsame Projekte von Studierenden und kurze Stücke – noch dazu im neuen Konzertsaal. Ideal!“ Sie schwärmt auch vom Hausmeister-Ehepaar Förster, das sich rührend bemüht habe, damit alles klappt. (Das Ehepaar Förster beiden haben wir hier im Blog schon kennengelernt.)
Auch die relativ kurzen Kammerkonzerte in der Klangmanufaktur der Hofer Symphoniker in Hof hat das Kulturtandem als optimale Möglichkeit für sich entdeckt. Zudem sei das Organisationsbüro des Orchesters äußerst verständnisvoll und hilfsbereit gewesen. (Mehr erfahren über die Klangmanufaktur: Wachgeküsst: Die Klangmanufaktur macht die Hofer Kulturmeile komplett – StadtLandHof)
Bei anderen Kultureinrichtungen hingegen sei die Anzahl der Plätze für Menschen mit Anforderungen an die Barrierefreiheit deutlich eingeschränkt. „Da haben wir einfach aus Kapazitätsgründen manche Absage kassiert“, erinnert sich die Kulturpatin.
Vom Kulturpaten-Projekt wird zudem eine Liste mit möglichen Veranstaltungsorten zur Verfügung gestellt und gelegentlich wird in der Gruppe gemeinsam etwas unternommen.
Aus der Sicht von Senioren: Teilhabe planen und umsetzen
Bereits das Besorgen von Karten, die man bestellen und oft vorher abholen müsse, sei für manche Senioren eine Herausforderung. „Auch der Online-Ticket-Verkauf stellt oft ein Hindernis dar. Da ist Hilfe nötig“, gibt Brigitte Möckel zu bedenken.
„Bereits das Abholen oder online Kaufen der Eintrittskarten kann für Senioren ein Hindernis darstellen.“ Brigitte Möckel
Auch die Abholung des Gastes von Zuhause dauert etwas länger, wenn zum Beispiel erst noch ein Rollator oder Rollstuhl zu verstauen ist. All das ist bei der Planung zu bedenken.
Während ich ihren Erfahrungen zuhöre, denke ich, dass sich auch noch viel mehr Veranstalter mit diesen altersgerechten und demenzsensiblem Perspektiven beschäftigen sollten. Es gibt zwar auch für sie schon Schulungsangebote und ein Anfang ist gemacht, aber mit diesem Thema und den besonderen Anforderungen sollte sich eigentlich alle Betreiber von Freizeit- und Kultureinrichtungen befassen. Und dort insbesondere die Mitarbeiter mit direktem Kontakt zum Gast.
Beispiel: Ich selbst kam erst neulich bei einem Ausflug mit einer trittunsicheren und schlecht sehenden Seniorin in eine kritische Situation. Der Mitarbeiter einer Kabinen-Seilbahn im Fichtelgebirge eilte herbei und wollte sie motivieren, möglichst schnell noch in die schwankende Seilbahn einzusteigen. Quasi hinein zu hüpfen wie ein junges Reh. Durch seine dynamische, drängende Art – wenn auch aus seiner Sicht sicher gut gemeint – hat er sie nur verunsichert, noch fahriger gemacht und zu einem hektischen Sprung verleitet. So wurde die Situation erst gefährlich. Ich halte das also für ein wirklich wichtiges Thema für beide Seiten – Veranstalter und Gast.
Kultur kann kosten: Praktische Frage zu einem tollen Projekt
Wenn ich schon mit einer echten Kulturpatin spreche, frage ich auch nach der lebenspraktischen Umsetzung. Wie haben Frau Möckel und ihr Kulturgast das mit den Eintrittskarten gehandhabt?
„Ich habe meine Tickets bisher immer selbst bezahlt, einladen lassen wollte ich mich nicht“, berichtet Brigitte Möckel und hat das Grundprinzip ‚Zeit gegen Karten‘ also nicht angewendet. „Wir haben ja Sachen unternommen, die mir Spaß gemacht haben, die ich selbst vorgeschlagen habe und auch privat besucht hätte.“
Sie fügt schmunzelnd hinzu: „Wären es Unternehmungen gewesen, die mich Überwindung gekostet und mir keine Freude bereitet hätten, wäre es vielleicht etwas Anderes gewesen.“ Je nachdem könne ein Kulturbesuch ja auch teuer werden.
Auch die Möglichkeit, sich vom Kulturgast zu etwas inspirieren zu lassen, wo man von sich aus nicht hingehen würde, findet sie spannend.
Hofer Kulturloge unterstützt kulturelle Teilhabe finanziell
Ja, auch die Kosten für Kulturveranstaltungen können ein Grund für Menschen sein, nicht daran teilzunehmen. Darüber habe ich auch schon nachgedacht und Lisa-Maria Moritz danach gefragt. Sie hat mir erklärt, dass sie in Fällen, in denen die kulturelle Teilhabe der Kulturgäste aus finanziellen Gründen zu scheitern droht, ein weiteres Projekt einspringt: die Kulturloge der Diakonie Hochfranken. Dabei werden Karten gesponsert, damit Menschen, die sich das sonst nicht leisten könnten, kulturelle Veranstaltungen besuchen können. Die Hofer Kulturloge steht in Stadt und Landkreis Hof zur Verfügung. Frau Moritz unterstützt ihre Projektteilnehmer gerne beim Organisieren dieser Karten.
Brigitte Möckel kann das Ehrenamt des Kulturpaten und der Kulturpatin jedenfalls allen kulturell Interessierten, die sich sozial engagieren möchten, nur empfehlen:
„Wir sind nach den Veranstaltungen immer rausgegangen und haben gesagt: Schön war’s wieder!“
Interessierte Paten und Gäste dürfen sich gerne bei Seniorenkoordinatorin Lisa-Maria-Moritz melden (Telefon: 09281/57-424, E-Mail: lisa-maria.moritz@landkreis-hof.de). Die vollständigen Kontaktdaten stehen unten im Info-Text.
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Mehr erfahren zum Kulturangebot im Hofer Land auf dem Stadt.Land.Hof-Blog:
- 20 Museen, die man im Hofer Land unbedingt besucht haben sollte
- Haus Marteau: Neuer Konzertsaal mit atemberaubender Architektur und Akustik
- Perle für Musikliebhaber: Internationaler Workshop „Alte Musik in Hof“
- Wachgeküsst: Die Klangmanufaktur macht die Hofer Kulturmeile komplett
- Menschen machen ein Filmfestival (aus): Das Phänomen Hofer Filmtage
- Galeriehaus und Kunstkaufhaus: Zwei Kneipen für Konzerte, Kunst, Kultur in Hof
- Konzerte und Kleinkunst: Die einzigartigen Kulturwelten Helmbrechts