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Die Sprache des Hofer Landes

Die Sprache gilt gemeinhin als „Tür“ zu den Kulturen und spielt bei der „Sozialisation“, also dem Eintritt des Individuums in die menschliche Gesellschaft, eine elementare Rolle. Immerhin stellt sie sicher, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen, die Weitergabe des Wissens und damit – knapp zusammengefasst – das Zusammenleben vieler Einzelner überhaupt möglich ist. Historiker Adrian Roßner wirft einen Blick auf die historische Entwicklung unserer Dialekte und stellt dabei ihre große Bedeutung für die Kultur wie auch für die ganz eigene Identität des Hofer Landes vor.

Gutenberg, Luther und die Standardsprache

Aufgrund dieser so großen Bedeutung „der Sprache“ ist es beinahe unvorstellbar, dass ihre Standardisierung, also die Festlegung gemeinsamer Normen innerhalb eines Sprachraums, erst vor gut 500 Jahren begann. Vorher beherrschten Dialekte, lokale Ausformungen einer gemeinsamen Hauptsprache, das Bild der hunderten verschiedenen kleinen Räume, aus denen sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation einst zusammensetzte.

Martin Luther (Lucas Cranach d. Ä., Wikimedia Commons)
Martin Luther (Lucas Cranach d. Ä., Wikimedia Commons)

Erst durch den Siegeszug der Druckerpresse, deren Verbesserung durch bewegliche Lettern Johanns Gutenberg gelang, und der damit notwendig gewordenen Festlegung gewisser Regeln kam es vermehrt zu Versuchen, eine Standardisierung der Sprache voranzutreiben. Denn immerhin sollte das Gedruckte für alle Leserinnen und Leser verständlich sein und nicht nur für jene, die den Dialekt der Autoren verstanden. Ganz nebenbei spielte dabei auch Martin Luther eine immens wichtige Rolle, dessen Bibelübersetzung faktisch den Ursprung des „Standard-Deutschen“ darstellt. Tatsächlich ist es also seine Mischung aus ostmitteldeutschen und oberdeutschen Dialekten, die wir heute als „Hochdeutsch“ kennen – und nicht etwa, wie gemeinhin angenommen, die Sprachen norddeutscher Bundesländer.

Die Sprachen des Hofer Landes

Auch im Hofer Land herrscht eine wahre Fülle an lokalen Dialekten vor, die man bis heute erleben kann: In fast jedem Dorf gibt es kleine, feine Unterschiede in der Mundart; sei es bei der Aussprache der Vokale (langgezogen hier, eher kurz oder teils übersprungen dort), der Struktur ganzer Wörter („do“ gegen „dora“) oder auch bei der Verwendung eigens kreierter Begrifflichkeiten. Dabei gelten manche als räumlich übergreifend derart typisch, dass man sie neuerdings sogar für das Marketing entdeckt hat („HOfer Land“ als der Raum, in dem das „ho“ eine sehr charakteristische Rolle in der Kommunikation spielt und, ähnlich dem in ganz Franken verwandten „fei“ zig verschiedene Bedeutungen annehmen kann).

Ho-Kappe
Das Spiel mit dem „HO“ als Kennzeichen und auch als typischer Ausdruck der Räume rund um Hof.

Besiedlung des Raums und Sprache

Um zu verstehen, woher diese Vielfalt in der Sprache kommt, muss man einen Blick in die früheste Geschichte der Region werfen: Mittlerweile geht die Forschung davon aus, dass es zwar sehr wohl Kontakt mit verschiedenen „heidnischen“ Stämmen bereits vor dem 9. Jahrhundert gegeben hat, die einst auf der Durchreise von Ost nach West hier kampierten. Allerdings dürften diese sich großteils nach fruchtbareren Landstrichen umgesehen und das Hofer Land daher recht zügig wieder verlassen haben.

Erst, nachdem die Temperaturen im Rahmen des mittelalterlichen Klima-Optimums eine gewisse Gradzahl überschritten und damit auch hier landwirtschaftliche Nutzung der Flächen ermöglicht hatten, wagten sich Siedler aus dem Bambergischen in die Mittelgebirgslage vor, um sich, entlang der Altstraßen, niederzulassen. (Werfen Sie hier einen Blick auf die Frühgeschichte des Hofer Landes!) Dabei brachten sie eben diese Dialekte mit, die sich zwischenzeitlich entlang der Regnitz entwickelt hatten und die man oft als „hochfränkisch“ zusammenfasst. Sie bilden damit eine Untergruppe des „Ostfränkischen“, womit die Dialekte der drei fränkischen Regierungsbezirke ebenso gemeint sind, wie manche in Baden-Württemberg und Thüringen gesprochenen Zungen. Insofern macht die Sprache keineswegs Halt vor Grenzen, sondern zeigt ganz deutlich, dass sie eigene „Räume“ herausbildet, innerhalb derer die Menschen agieren.

Sprache als Kulturvermittler

Spannend ist, dass das Hofer Land in Teilen sogar die Grenze zweier solcher Räume markiert: Entlang des Außenrandes des Fichtelgebirges verbreiteten die bambergischen Siedler ihr Hochfränkisch. All jene, die sich im Inneren des granitenen Hufeisens niederließen, brachten Dialekte aus Bayern und der Pfalz mit sich, die sich später zum „Sechsämterischen“ vereinen sollten.

Wie wichtig die Sprache für das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der von ihr definierten Räume ist, merkt man auch daran, dass Wunsiedel bei Hoferinnen und Hofern aufgrund der anders klingenden Dialekte oftmals als „weiter weg“ oder „entfernter“ wahrgenommen wird, als beispielsweise Bayreuth, wo man eine dem Hoferischen sehr ähnliche Sprache nutzt. Das unterstreicht sehr gut und anschaulich, dass Kultur eben nicht allein zeigt, wer zur eigenen Gruppe „dazugehört“, sondern sie zugleich auch klare Grenzen zu all jenen zieht, die man als „anders“ wahrnimmt. Umso wichtiger die Aufgabe, diese Grenzen zu überwinden und einen guten interkulturellen Austausch zu ermöglichen!

Die Sprachräume des Hofer Raums

Wichtig für die weitere Ausbreitung von Sprachen waren anschließend die Räume, innerhalb derer die Menschen agierten. Noch bis ins 14. Jahrhundert hinein lebten sie oftmals rein von der Subsistenz, also von der landwirtschaftlichen Selbstversorgung. Da dadurch kein allzu großer Kontakt mit anderen außerhalb der eigenen Dorfgemeinschaft notwendig war und Fahrten von einem Weiler zum anderen oftmals Tagesreisen entsprachen, bildeten sich die bis heute erhaltenen Dorf-Dialekte mit ihren ganz eigenen Besonderheiten heraus. Auch, nachdem die kleinteiligen Räume ab dem 15. Jahrhundert mehr und mehr zusammenwuchsen und die Sprachen sich dadurch in manchen Teilen anglichen, blieben die klaren Unterscheidungen erhalten.

Anpassungen und Ausdehnung der Räume

Ein erster Wandel kam durch den oben erwähnten Einsatz der Druckerpressen und, im Hofer Land noch wichtiger, durch den beginnenden Export der heimischen Proto-Industrie. (Schauen Sie sich hier die Wirtschaftsgeschichte des Hofer Landes näher an!) Nachdem sich ab dem 15. Jahrhundert mehr und mehr die Verlagssysteme für den Baumwollwarenexport etabliert hatten, kamen die Menschen der Region immer häufiger mit denen anderer Landstriche in Kontakt. Verleger aus Münchberg und Hof besuchten so regelmäßig die Messen in Bamberg und Würzburg, ab dem 18. Jahrhundert gar die in Leipzig, Frankfurt und anderen Ländern. Natürlich kamen sie dabei mit ihren ostfränkischen Zungenschlägen nicht sonderlich weit, sondern mussten sich notgedrungen einer „Lingua Franca“ bedienen, um mit den Kollegen aus anderen Räumen kommunizieren zu können. Diese erste Handelssprache, die mittlerweile klar vom Englischen abgelöst wurde, war das Französische.

Der Einfluss des Bürgertums auf die Sprache

Bald schon kristallisierte sich heraus, dass all jene, die dieser Sprache mächtig waren, entweder dem Adel angehörten, oder dem neu etablierten „Bürgertum“. Also einer Art wirtschaftlicher High Society in den Städten, die sich in „Bürgergesellschaften“ zusammenschloss. (Näheres dazu finden Sie hier!) Um sich auch außerhalb dieser „Etablissements“ vom „gemeinen Haufen“, wie man es nannte, zu unterscheiden, nutzten sie oftmals französische Lehnwörter auch im alltäglichen Gebrauch. „Kanapee“, „Chaiselongue“ und „Trottoir“, die wir bis heute kennen und die allesamt Objekte des bürgerlichen Milieus umschreiben, leiten sich davon ab.

Die Hofer Bürgergesellschaft um 1855 (Georg Könitzer): Das Versammlungshaus der historischen Bürgergesellschaft in der Stadt Hof ist bis heute ein beliebter Veranstaltungsort.
Die Hofer Bürgergesellschaft um 1855 (Georg Könitzer): Das Versammlungshaus der historischen Bürgergesellschaft in der Stadt Hof ist bis heute ein beliebter Veranstaltungsort.

Je mehr sich Räume also mit anderen verbinden, desto häufiger kommt es auch zu einer Vermischung der Sprachen und zu deren Abänderung. Daher musste auch Heribert Kaiser, der Anfang des 20. Jahrhunderts seine Dissertation zum Hofer Dialekt verfasste, enttäuscht feststellen, dass es nurmehr wenige gab, die das „richtige Hoferisch“ beherrschten. Stattdessen traf man allzu häufig eine Mischung aus Dialekt und Hochdeutsch an. Interessanterweise gab er die Arbeiter als jene Gruppe an, die noch am ehesten die Stadtsprache beherrschten, nachdem sie es waren, die weiterhin unter sich blieben.

Das Revival der Dialekte

Heute erleben Dialekte ihr verdientes Revival und auch wenn es zwischenzeitlich viele Veränderungen im Vergleich zu den „ursprünglichen Sprachen“ des Hofer Landes gibt, ist es gut und wichtig, dass sie sich anpassen. Immerhin muss eine Sprache nutzbar sein, um ihren Daseinszweck zu erfüllen. Es würde herzlich wenig bringen, Ausdrücke für längst nicht mehr bekannte Objekte zu haben, während neue, alltägliche Dinge, nicht benannt werden könnten. Auch wenn wir demnach heutzutage viele Lehnwörter aus dem Englischen und anderen Sprachfamilien nutzen, ist es das Wichtigste, sich den Dialekt zu bewahren – nicht in seiner traditionellen Form, sondern so, dass er auch weiterhin als Botschafter der regionalen Kulturen dienen und die Menschen verbinden kann!

Mehr zum Autor Adrian Roßner finden Sie hier.

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Dr. Adrian Roßner