Am Campus der Hochschule Hof erhalten Gründerinnen und Gründer beim Aufbau ihres Business tatkräftige Unterstützung aus der Region. Dort wurde im Rahmen der Initiative „Gründerland Bayern“ 2019 eines von 19 Digitalen Gründerzentren im Freistaat eröffnet. Die Möglichkeit, sich als Startup, Freelancer oder Kreativer kostengünstig in dem innovativen Gebäude einzumieten, ist dabei nur ein Vorteil von vielen. Junge, digitale Unternehmen aus dem Hofer Land können hier auf das starke Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zählen. Jennifer Müller hat mit Dr. Jens Löbus, dem Geschäftsführer des Digitalen Gründerzentrums Einstein1, über die Benefits des Gründerökosystems gesprochen.
„Ich hätte auch meinen Hoodie dabei, habe mich dann aber für den Anzug hier entschieden“, steigt Jens Löbus, der neue Geschäftsführer des Digitalen Gründerzentrums Einstein1 in unser Gespräch ein. Ich habe den 38-Jährigen um ein Interview gebeten, um zu erfahren, was die Gründerinnen und Gründer der Region hier am Campus der Hochschule Hof geboten bekommen. „Klar gibt es hier viele Dudes und crazy Leute. Aber ich wünsche mir, dass klar ist, dass diese Menschen hier ernsthaft an komplexen Unternehmensgründungen arbeiten“, begründet er seine Kleiderwahl. Auf ZDF Neo liefe gerade eine Serie: Start the fck up. Diese sei zwar unterhaltsam, doch gebe sie die Realität keineswegs wieder. „Hier wird sich leider nur auf das Nerdige der Startups fokussiert. Dass das Menschen sind, die eine gute Idee haben, an deren Umsetzung sie zielstrebig und professionell arbeiten, fällt leider komplett hinten runter“, bedauert er.
Seit August 2021 betreut Löbus junge Startups aus Hochfranken und dem Vogtlandkreis in seiner Rolle als neuer Geschäftsführer des Digitalen Gründerzentrums. Ein Ort, der schon allein durch seine Optik inspiriert: Zwei topmoderne Stockwerke aus Beton, Glas und Holz findet man am Campus der Hochschule Hof. Gekrönt wird das Objekt, das 2019 eröffnet wurde, von einer Dachterasse, die einen beflügelnden Ausblick auf das Hofer Land bietet. Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal: Das Gebäude kann dank der LED-Textilfassade in den schillerndsten Regenbogenfarben leuchten. Das Innere wurde bewusst roh, fast unfertig gestaltet, um viel Raum für Kreativität zu lassen.
Im Erdgeschoss des Einstein1 findet man neben Empfang und Mitarbeiterbüros sowohl einen großzügigen Coworking-Space mit 30 Sitzplätzen, als auch einen lichtdurchfluteten Konferenzraum, den man anmieten kann. Außerdem bietet das Foyer reichlich Platz für Events, wie das Gründercafé oder kostenlose Fachvorträge. Im ersten Stock haben die Startups ihre preiswerten, vollmöblierten Büros. In absoluter Wohlfühlatmosphäre können die Gründer hier nicht nur arbeiten, sondern auch relaxen: Es gibt eine offene Gemeinschaftsküche, einen Fitnessraum, einen Ruheraum, eine Gelegenheit zum Duschen und – ganz wichtig – Highspeed-Internet in Kombination mit gutem Kaffee im Überfluss.
Digitalisierung bedeutet nicht Programmieren
Zwischen 6 und 10 Unternehmen arbeiten im Digitalen Gründerzentrum aktuell motiviert an der Umsetzung ihrer Ideen. Und die sind so vielfältig wie die Bildungshintergründe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. „Pi mal Daumen haben wir hier ein Drittel BWLer, ein Drittel Ingenieure, ein Sechstel Informatiker und ein Sechstel mit einer klassischen Berufsausbildung.“ Klischee-Programmierer und nerdige Informatiker findet man hier also nicht zwingend. „Weil Digitalisierung nicht Programmieren bedeutet“, erklärt Löbus. „Digitalisierung bedeutet einfach, dass man Informationen sammelt, um sie für einen weiteren Zusammenhang zu nutzen. Man nimmt Daten aus der realen Welt und bringt sie in eine digitale Welt, um sie dort zu verarbeiten und miteinander in Verbindung zu setzen.
Deshalb: Auch wenn festgelegte Voraussetzung für einen Zugang zu dem Gründerökosystem ein digitaler Hintergrund ist, kann es sich für Startups lohnen, hier einmal über den Tellerrand hinaus zu blicken. „Wir versuchen das möglichst flexibel zu gestalten. Wenn man überlegt, welchen Aspekt Digitalisierung inzwischen hat, muss man sagen, dass Digitalisierung in allen Industrien eine wichtige Rolle spielt. Wenn also Digitalisierung ein fundamentaler Aspekt bei der Idee ist, dann ist das für uns eine digitale Gründung.“
Von der Idee zum Entrepreneur: Das Gründerökosystem im Hofer Land
Beschäftigt man sich mit der Einrichtung am Campus, läuft man immer wieder dem Begriff „Gründerökosystem“ über den Weg. Was bedeutet das eigentlich konkret?
„Auf der einen Seite bieten wir natürlich den Ort hier. Noch viel wichtiger ist allerdings das Netzwerk, auf das die Gründer zugreifen können“, betont Jens Löbus. „Und mit Netzwerk meine ich nicht, dass man sich trifft und mal quatscht, sondern dass man konkrete Fragestellungen, die Industrie, Politik aber auch Wissenschaft haben, adressiert und gemeinsam löst. Eine Unternehmensgründung ist sehr komplex, also brauche ich Menschen, die wissen, wie eine Gründung prinzipiell abläuft. Außerdem brauche ich Manpower, also Leute, die mich unterstützen. Deshalb sind wir hier am schönen Campus mit seinen tollen Instituten. Dazu brauche ich unterschiedliche Meinungen. Und die kommen meist von anderen Gründern.“ Viel Raum für fachlichen Austausch bieten hier auch die kostenlosen Meetups.
Gründungsberatung von renommierten Experten für Entrepreneurship
Ergänzt wird der Austausch mit Gleichgesinnten von fachlichem Input durch Experten. Die kostenlose Gründungsberatung wird von Herrn Prof. Dr. Michael Seidel durchgeführt. Und der ist ein alter Hase im Geschäft. „Mit Prof. Seidel haben wir hier wirklich einen Schatz“, schwärmt Löbus. „Denn der ist einer der renommiertesten, wenn nicht der renommierteste Professor für Entrepreneurship in der Region. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung, seines Netzwerks, seiner Persönlichkeit, kann er die Gründer konkret zu den nächsten Schritten beraten. Und er kann sie an Investoren und weitere Spezialisten vermitteln. Das sorgt dafür, dass die Menschen hier vor Ort nicht nur an ihrer Idee, sondern auch an ihrer Persönlichkeit wachsen. Denn das sind zwei Sachen: Wenn sie dieses Persönlichkeitswachstum durchlaufen, sind sie mehr befähigt, die komplexen Aufgaben des Unternehmertums umzusetzen. Wenn ihre Idee wächst, wird diese spezifischer und am Ende hat man idealerweise ein Produkt, das wirklich vom Markt angenommen wird.“
Idee, Businessplanerstellung, Markteinführung:
Coaching und finanzielle Unterstützung für Startups
Rückendeckung aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ist den Startups im Hofer Land demnach gewiss. Hinzu kommen die zeitlichen und räumlichen Ressourcen, die den Gründern zur Verfügung stehen. „Wir bieten Räumlichkeiten an, die aufgrund der soliden Unterstützung des bayerischen Staates sehr kostengünstig sind. Wir dürfen die Räumlichkeiten hier unter dem Marktpreis anbieten.“ Durch überschaubare Kosten ist den Gründern am Einstein1 also die wichtige Möglichkeit gegeben, aus Fehlern zu lernen. „Der Präsident der Hochschule, Prof. Lehmann, hat das mal so schön formuliert: Hier ist ein Ort, an dem man mal scheitern darf, ohne dass man das gleich als Scheitern bezeichnet. Auch wenn eine Idee mal nicht klappt, darf man trotzdem weitermachen.“
Und so bauen Gründer-/innen, Freelancer und Kreative der Region am Digitalen Gründerzentrum nicht nur auf ein stabiles Fundament an Knowhow, sondern genießen auch den Luxus eines abfedernden Auffangnetzes – nicht zuletzt dank reduziertem, finanziellen Risiko. Dazu gibt es Fördermöglichkeiten, wie das EXIST-Gründerstipendium oder das Startup Lab an der Hochschule. „Wir als Einstein1 geben zwar kein Geld, aber beim Startup Lab kann man beispielsweise mit seiner Idee Preise gewinnen. Einer unserer Gründer, Tommy Hofmann von Hydrogen Technologies, hat da zum Beispiel 7.500 Euro eingesammelt. Und auch das Startup SmartZavod, die 3D-Drucker bauen, haben dort Geld bekommen“, freut sich der Geschäftsführer. Ein weiterer Gründer, Dr. Ing. Andy Gradel von BtX energy, gewann erst kürzlich den mit 20.000 Euro dotierten Rainer-Markgraf-Preis 2021. Die Empfehlung dafür reichte Jens Löbus ein. „Und zusätzlich haben wir hier natürlich auch Geldgeber in unserem Ökosystem, sogenannte Business Angels, die dann konkret hier vor Ort mit Finanzen unterstützen.“
Herausforderung „Mindset Change“ im Hofer Land
Auf der einen Seite: Junge, smarte Nachwuchskräfte, Digital Natives, die Grenzen völlig neu definieren. Auf der anderen Seite: Etablierte Unternehmen, deren Expertise auf jahrzehntelanger Erfahrung und oft auch auf traditionellen Werten beruht. Für mich klingt es herausfordernd, zwischen diesen beiden Welten zu vermitteln. Hier sieht Löbus als ganz klare Aufgabe die Herbeiführung eines Mindset Change. „Was die Industrie völlig zu recht will, ist, dass die Besten, die Fähigsten, die hier ausgebildet werden, auch hier in der Region bleiben. Denn der Wunsch der Industrie, wenn sie Young Professionals aus den Bereichen BWL oder Ingenieurwesen einstellt, ist meistens die Umsetzung irgendwelcher Digitalisierungsprojekte. Weil die Unternehmen wissen, dass sie das machen müssen, aber nicht mehr können. Dazu muss man den jungen Menschen hier aber auch wirklich ehrliche und gute Angebote machen.“
Dass zu diesem Mindset Change auch die Wertschätzung weiblicher Bedürfnisse gehört, stimmt mich als Frau natürlich besonders positiv: „Städte sind in der Regel jünger und weiblicher als ländliche Regionen. Das ist in allen Regionen dieser Art so, nicht nur in Oberfranken. Das hat mit der Bevölkerungsdichte aber vor allem mit der Bevölkerungszusammensetzung zu tun. Frauen sind allerdings Motivatoren und Treiber der Digitalisierung. Wenn man ihre Bedürfnisse in traditionellen Regionen nicht sieht, führt das dazu, dass sie ländliche Regionen eher verlassen und diese Gegenden veralten. “ Löbus nennt ein konkretes Beispiel: „Nehmen wir beispielsweise die aufgeladene Diskussion über Ernährung. Überproportional viele Frauen ernähren sich fleischlos – ob nun vegan oder vegetarisch. Dieses Angebot muss in der Gesellschaft da sein und dass es nicht gemacht wird, birgt eine große Gefahr. Wir kommen nicht drum herum, die Lebensrealitäten dieser Menschen zu adressieren. Und die sind nun mal, dass die digital sind, dass sie kommunikativ in Netzwerken sind und dass geographische Grenzen – vor allem für Frauen – nicht so eine große Bedeutung haben.“
Unsere Aufgabe ist es, Digitalisierung in die Gesellschaft zu bringen (Jens Löbus, Geschäftsführer des Einstein1 Digitales Gründerzentrum)
Auch im Gründerzentrum wünscht sich Löbus aus solcherlei Gründen eine gewisse Heterogenität. „Für uns spielt Hautfarbe, Religion, Geschlecht und auch Alter gar keine Rolle. Wir machen allen das Angebot: Kommt zu uns mit Euren digitalen Ideen, wir begleiten Euch. Wir leisten uns eben nicht zu sagen, wir sind traditionell. Unsere Aufgabe ist es, Digitalisierung in die Gesellschaft zu bringen.“
Für den Weitblick der drei Gebietskörperschaften Stadt und Landkreis Hof, Landkreis Wunsiedel, sowie der Hochschule Hof sei er deshalb besonders dankbar. „Ihnen gratuliere ich ganz intensiv dazu, dass sie gesagt haben: Wir brauchen hier einen Ort, ein Netzwerk, um unsere Lokalindustrie zu transformieren, um den Menschen hier ein Zuhause zu geben, wo sie ihre Ideen umsetzen können. Das ist wirklich wegweisend.“
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