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Menschen machen ein Filmfestival (aus): Das Phänomen Hofer Filmtage

Filmfestivals gibt es viele. Eines auch im Hofer Land. Doch viele Besucher, Fans und Filmemacher, die einmal hier waren, sind überzeugt: Die Internationalen Hofer Filmtage sind ein ganz besonderes Filmfestival. Das familiärste, das charmanteste in Deutschland, heißt es. Viele Gäste fangen Feuer für dieses Filmfest. Sie werden Stammgäste oder ehrenamtliche Mitarbeiter. Und das inzwischen seit Jahrzehnten. Denn die Hofer Filmtage sind auch eines des ältesten und traditionsreichsten Filmfeste im Land. Was macht das Phänomen Hofer Filmtage aus? Die Menschen machen dieses Festival aus. Die Filmschaffenden, das Publikum, die vielen ehrenamtlichen Festival-Macher.

Die Menschen machen ein Filmfestival (aus)

Einfach machen, woran man glaubt. Loslegen, ohne auf die ‚öffentliche Hand‘ zu warten. Im Hofer Land gibt es besonders viele Menschen, die in Eigeninitiative etwas auf die Beine stellen. Etwas, das ihre Herzensangelegenheit ist. Wofür sie brennen. Dass das hier bei uns in Stadt und Landkreis Hof sogar historische, gesellschaftliche Hintergründe hat, hat uns unser Blogger-Kollege Adrian Roßner erst neulich in diesem Beitrag erklärt. Und eines dieser Herzensprojekte von Menschen aus dem Hofer Land ist ein seit Jahrzehnten etabliertes, international renommiertes Filmfestival.

TIPP: Anlässlich den 55. Jubiläums der Hofer Filmtage beleuchtete eine Ausstellung in Hof die Geschichte und die Menschen hinter den Filmtagen – seien es Besucher, Filmschaffende oder Festivalmacher. Die Inhalte der Ausstellung sowie zusätzliches Material sind weiterhin online zu erleben unter: Ausstellung »55 Jahre Charme statt Glamour« – HOME OF FILMS (home-of-films.com) 

Wie alles begann: Der junge deutsche Film findet seine Heimat in Oberfranken.

Warum es dieses Festival in Hof gibt, ist schnell erzählt: Der damals 26-jährige Hofer Heinz Badewitz war nach München gegangen, um Filmemacher zu werden. Als er und seine filmschaffenden Freundinnen und Freunde nach einem Kino suchten, um sich ihre Filme zu zeigen und sich auszutauschen, schlug er ihnen ein Kino in seiner Heimatstadt Hof vor. In München war das nicht bezahlbar. Und vielleicht waren die jungen Wilden der Schwabinger Filmszene den Münchner Kinobesitzern auch nicht geheuer.

So fuhren sie nach Hof. 1967 zum ersten Mal. Und als das Filmfestival in Oberhausen die Filmer im darauffolgenden Jahr durch „Zensur“ verkrätzt hatte, kamen sie 1968 gleich wieder. Und von da an jedes Jahr. „Ob wir wollen oder nicht, wir müssen Hof wieder stattfinden lassen,“ schrieb der Heinz an seine Mitstreiter. So entstand ein Festival von Filmemachern für Filmemacher. Weil der junge deutsche Film sonst noch kein Forum hatten, und ihnen genau so ein Festival ein Bedürfnis war. Authentischer geht’s nicht.

Ein Festival „von Filmemachern für Filmemacher“ zu sein – das schreiben sich heute viele auf die Fahnen. Das ist nach dem großen Erfolg von HOF und spätestens seit Sundance schwer angesagt. Wie besonders das Ende der 1960er war, versteht man, wenn man weiß, dass die wenigen damals bestehenden Filmfestivals – Venedig, Cannes, Berlin zum Beispiel – strategische Gründungen von Politik, Städten oder Wirtschaftslenkern waren. Bis heute werden Festival gerne als Instrumente der Wirtschaftsförderung oder des Regionalmarketings von oben herab gegründet. Nicht Hof.

Die Stadt Hof wird das „Home of Films“.

Die Stadt Hof in Oberfranken wurde also zur Heimat einer neuen Generation Filmschaffender. Ein internationales Filmfestival entstand, professionalisierte und etablierte sich. Getragen von der Initiative und dem Enthusiasmus vieler, die einfach mit anpackten, weil sie für diese Sache brannten. Wahrscheinlich war der neue deutsche Film im Hofer Land durch Zufall genau an die richtigen Leute geraten. Viele Hofer, insbesondere die jüngeren, waren Feuer und Flamme für den Aufbruchsgeist und die Ideen, die so nach Hof kamen. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass diese andersartigen Gäste manchen Hofern durchaus höchstsuspekt waren.

Wie die Entwicklung weiterging, ist filmhistorisch durchaus interessant, soll heute aber nicht das Hauptthema sein. Versuch einer kurzen Zusammenfassung: Viele bisher unbekannte, später renommierte Regisseurinnen und Regisseure wurden hier erstmals vorgestellt und entdeckt. Viele der hier gezeigten Filme wurden Hits. Wim Wenders, Werner Herzog und Rainer Werner Fassbinder in der ersten Generation. Später Jim Jarmusch, Tom Tykwer, Detlev Buck, Sönke Wortmann, Doris Dörrie, Oscar-Preisträgerin Caroline Link und viele andere mehr. Der Ruf dieses außergewöhnlichen Festivals lockte jedes Jahr mehr nationale und internationale Kollegen und auch Pressevertreter nach Hof. Kultregisseure wie Monte Hellman, Brian de Palma, George A. Romero. Alle Filme der legendären Reihe A NIGHTMARE ON ELM STREET erlebten in Hof ihre Weltpremieren.

Zum 55. Jubiläumsfestival 2021 zeigten die Internationalen Hofer Filmtage unter „HoF Classics“ fünf Highlights aus ihrer reichen Geschichte – und das wie früher auf Film, nicht digital:

STRANGER THAN PARADISE von Jim Jarmusch, E NACHTLANG FÜÜRLAND (EINE NACHTLANG FEUERLAND) von Clemens Klopfenstein und Remo Legnazzi, A NIGHTMARE ON ELM STREET von Wes Craven, MÄNNER von Doris Dörrie und DAS DEUTSCHE KETTENSÄGENMASSAKER von Christoph Schlingensief. 

Ein Filmfest von Filmemachern für Filmemacher. Mit Herz und von Herzen.

Auch wenn die aufregenden Zeiten der 60er und 70er Jahre vorbei sind, und neue, austauschbare Filmfestival zuletzt wie Pilze aus dem Boden schossen. Über all die Jahrzehnte blieb Hof ein familiärer, unprätentiöser Treffpunkt für Filmschaffende und Filmbegeisterte. Das macht das besondere Flair von „HOF“ bis heute aus.

Wenn Fachbesucher und Branchenvertreter über die Hofer Filmtage sprechen, fallen immer wieder diese Worte. So „familiär“ sei es hier, „intim“, „heimelig“ und besonders „herzlich“. Spürbar anders als auf anderen Festivals. Wo teils der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund steht und die Selbstdarstellung. Was aber macht denn ein Festival so herzlich? Das müssen die Menschen sein, die dieses Festival (aus)machen.

„In Hof habe ich mich sofort liebevoll aufgenommen gefühlt. Das kennt man so nicht von anderen Festivals.“ Regisseur Daniel Manns kam 2017 erstmals nach Hof, um sein Spielfilmdebut ZWISCHEN SOMMER UND HERBST zu zeigen.

„Gleich beim ersten Besuch mit meinem ersten Film in Hof habe ich mich so liebevoll aufgenommen gefühlt,“ erinnert sich der Regisseur Daniel Manns. „Und seitdem wuchs meine Begeisterung bei jedem Besuch und, je mehr ich über die Geschichte der Filmtage erfahren habe, noch mehr. Inzwischen sind viele aus dem Filmtage-Team zu Freunden geworden.“ Tatsächlich ist Daniel so von den Hofer Filmtagen, ihrer Bedeutung und der Atmosphäre begeistert, dass er an einem Filmprojekt über das Festival arbeitet.

Der Cine Center Hof e.V.: Ehrenamt rockt ein Filmfestival

Organisiert sind diese leidenschaftlichen Festivalmacher – wie könnte es im Hofer Land anders sein – als Verein. Jedes Team-Mitglied wird automatisch Vereinsmitglied im legendären Cine Center Hof e.V.

In der Festivalwoche Ende Oktober besteht das Team inzwischen aus 120 und 140 meist ehrenamtlichen Kräften. Sie verkaufen Tickets, hängen Plakate auf, führen Filme vor, buchen Hotels, betreuen die Gäste, helfen am Telefon, streamen Veranstaltungen online … und sind inzwischen Festival-Profis. Für eine Woche im Jahr. Viele kommen aus Stadt und Landkreis Hof. Manche sind längst weggezogen und kommen jedes Jahr für die Festivalwoche zurück. Doch auch viele Auswärtige haben Hof zu ihrer Festival-Heimat auf Zeit gemacht.

Dass viele Ehrenamtliche beschäftigt werden, ist absolut typisch für Filmfestivals und an sich keine Besonderheit. Die Quote der Ehrenamtlichen in Hof dürfte allerdings außergewöhnlich sich. Nur zwei Festangestellte arbeiten für dieses große, bedeutende Festival. Den Rest wuppen ein paar freie Mitarbeiter sowie vor allem hunderte Volunteers mit ihrer großen Leidenschaft für diese Herzenssache. Den hauptamtlichen künstlerischen Leiter, Thorsten Schaumann, lernen wir in diesem Beitrag auf Stadt Land Hof kennen. Die Organisationsleiterin Christine Walther wird hier portraitiert.

Typisch Hof: Ein ganz besonderes Publikum

Von Anfang an wurde bei den Hofer Filmtagen das Publikum mit eingebunden. Bei den hitzigen Diskussionen über Filme und Politik war es auf Augenhöhe mit den Filmschaffenden immer dabei. Es wurde sogar dazu animiert, als Publikum einen eigenen Film zu drehen, um sich „aus der Bevormundung durch die Künstler zu befreien“: den antiautoritären Publikumsfilm. Er wurde gedreht, indem man im Hofer Kinosaal eine filmende Kamera von Besucher zu Besucher gehen ließ. Das Ergebnis war inhaltlich leider wenig sehenswert.

Bis heute gibt es in Hof keine gesonderten Vorführungen für Presse oder Branche (außer notgedrungen einmalig im Corona-Jahr 2020). Keine exklusiven Glamour-Events. Keinen roten Teppich, auf dem für Fotos posiert wird. So zieht dieses zwanglose Miteinander, bei dem sich alles um Filme, nicht um Eitelkeiten dreht, Filmfans aus nah und fern in seinen Bann. Davon haben auch Betty und Rüdiger, Filmtage-Fans aus NRW, hier auf Stadt Land Hof erzählt.

Auch die Filmemacherinnen und Filmemacher schätzen die Nähe zum und den intensiven Austausch mit dem Hofer Publikum. Ob das Hofer Publikum das beste ist, oder das härteste, da gehen die Meinungen auseinander. Dass es ganz besonderes Publikum ist, da ist man sich einig. Besonders leidenschaftlich, besonders filmbegeistert. Und anders als manch selbsternannte Cineasten aus der Großstadt.

Im Bann der Hofer Filmtage

Ein Hofer, der bereits als Jugendlicher für die Filmtage Feuer fing, ist Gerhard Lindner. Ohne pathetisch klingen zu wollen, haben die Hofer Filmtage wohl sein Leben geprägt. „Seit meiner ersten Vorstellung im rappelvollen Kino war ich begeistert von der Atmosphäre bei den Filmtagen,“ erzählt der. „Inzwischen habe ich über 450 Vorstellungen bei den Filmtagen erlebt. Aber diesen ersten Film und das Kino werde ich nie vergessen: SISTERS, ein Psychothriller von Brian de Palma.“

„Inzwischen habe ich über 450 Vorstellungen bei den Filmtagen gesehen. Doch den ersten Film und das Kino werde ich nie vergessen. Das war so krass.“ Gerhard sah als Jugendlicher den Psychothriller SISTERS von Brian de Palma bei den Filmtagen. Heute wäre das aufgrund des Jugendschutzes wohl nicht mehr möglich.

Und noch so ein Highlight: Als filmbegeisterter Teenager wurde Gerhard nach einem lockeren Gespräch mit Monte Hellman vom Kultregisseur höchstpersönlich in eine eigentlich ausverkaufte Festival-Vorstellung eingeschleust. „Da dachte ich mir: Sowas gibt’s echt nur in Hof!“, erinnert er sich. Doch diese Geschichte mag er eigentlich gar nicht mehr erzählen, seit mal jemand auf die Idee kam, dass er dafür eigentlich noch 5 Mark nachzahlen müsste. Das Schöne daran: Solche Geschichten passieren auf den Hofer Filmtagen bis heute.

Noch ein Verein für die Filmtage: Fans, Freunde, Förderer

Allerdings hat Gerhard seine Schuld im Grunde doch längst beglichen. Im Jahr 2002 gründete er gemeinsam mit anderen Filmtage-Enthusiasten den Förderverein „Freunde der Internationalen Hofer Filmtage e.V.“.  Dort ist er seitdem im Vorstand als Kassenwart aktiv. Ziel des Fördervereins ist es, sich um das Archiv, also das Erbe der Filmtage, zu kümmern, das Festival ideell, finanziell und tatkräftig zu unterstützen sowie der Bevölkerung ganzjährig die Arbeit und die Bedeutung der Hofer Filmtage zu vermitteln. So steht es theoretisch in der Satzung des Vereins.

TIPP: Sich über die Geschichte der Internationalen Hofer Filmtage informieren und in der Filmdatenbank des Festivals stöbern kann man auf der Website des Fördervereins „Freunde der Internationalen Hofer Filmtage e.V.“

Ganz praktisch veranstalten die „Freunde“ Filmabende, vernetzen sich mit dem Hofer Stadtmarketing, dem Handel und der Stadtbücherei. Und organisieren Ausstellungen, wie zuletzt die Foto-Ausstellung „Different Views“ im Galeriehaus und im 55. Filmtage-Jahr die Ausstellung „55 Jahre Charme statt Glamour – Warum die Hofer Filmtage keinen roten Teppich brauchen“ im Museum Bayerisches Vogtland. Die Aktivitäten der „Freunde“ gehen Hand in Hand mit dem Cine Center Hof e.V., dem Veranstalter der Hofer Filmtage, der sich vor allem auf die eigentliche Festivalarbeit und die Zusammenarbeit mit Filmschaffenden und der Branche konzentriert.

Im vierköpfigen Freunde-Vorstand ist Gerhard derzeit der einzige, der nicht auch ehrenamtlich im Filmtage-Team arbeitet. Das hält er ganz bewusst so. Denn er will sein Lieblingsfestival vom Kinosessel aus genießen und Filme sehen bis zum Umfallen. Möglich ist das jedes Jahr in der letzten Oktoberwoche. Infos unter: www.hofer-filmtage.de. 

Bildquellen: Internationale Hofer Filmtage e.V. (Pressefotos), Freunde der Internationalen Hofer Filmtage e.V. (PR, Archiv), Dagmar Müller (privat)

Weiterlesen: Über Menschen aus dem Hofer Land, die einfach mal  anpacken und machen:

10 Jahre Filmwerk Helmbrechts: Ein soziokulturelles Kleinod feiert Geburtstag

Perle für Musikliebhaber: Internationaler Workshop „Alte Musik in Hof“

IN.DIE.musik // Open Air Festival in Hof

Guerilla-Verein Helmbrechts: Hausbesetzung für den guten Zweck

Warum die Welt auf’s Hofer Land blickt: Die Skater-Community um Martin Ehrenberger in Schwarzenbach an der Saale

Internationale Hofer Filmtage

Cine Center Hof e.V.
Veranstalter der Internationalen Hofer Filmtage
Website: Startseite | Internationale Hofer Filmtage (hofer-filmtage.com)

Freunde der Internationalen Hofer Filmtage e.V.
Förderverein
Website mit Filmdatenbank, Chronik und Historischem über die Hofer Filmtage:
Home – HOME OF FILMS (home-of-films.com)

Sonderausstellung „55 Jahre Charme statt Glamour – Warum die Internationalen Hofer Filmtage keinen roten Teppich brauchen“
Inhalte und zusätzliches Online-Material unter:
Ausstellung »55 Jahre Charme statt Glamour« – HOME OF FILMS (home-of-films.com)

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Dagmar Müller

Stadt Land Hof Autorin Dagmar Müller gehört seit 2007 zum Team der ehrenamtlichen Festivalmacher und -macherinnen. Seit 2019 engagiert sich zudem im Vorstand des Fördervereins Freunde der Hofer Filmtage e.V.