Schauenstein blickt auf eine bewegte Heimatgeschichte zurück. Im Jahr 2022 feiern die Schauensteiner 800 Jahre Jubiläum und auch die 600. Wiederkehr der Stadtrechtserneuerung steht an. Landeshistoriker Dr. Adrian Roßner wirft in diesem Zusammenhang einen Blick in die spannende Geschichte der Stadt im Frankenwald.
Besiedelung des Frankenwaldes: Schwierige Anfänge
Die wichtigste Grundlage für Leben ist die Versorgungssicherheit. Übertragen auf das Hochmittelalter bedeutet das, dass sich Menschen vor allem dort niederließen, wo sie eine gewisse Grundversorgung durch die Landwirtschaft garantieren konnten. Bedenkt man, dass die Räume Frankenwald und Fichtelgebirge aufgrund der Höhenlage und einer – vorsichtig ausgedrückt – „semi-optimalen“ Geologie eher schlecht für den Anbau von Getreide geeignet sind und waren, erklärt das, warum beide als „Neusiedellande“ gelten.
Wenngleich es demnach durch archäologische Funde nachweisbar ist, dass bereits in der Bronzezeit Menschen hier lebten, darf nicht davon ausgegangen werden, dass sie lange hier blieben oder gar eine durchgehende Besiedlung erfolgte. Ganz im Gegenteil war unsere Heimat damals eher Durchzugsgebiet. Durch die gute Lage im Herzen des europäischen Kontinents entwickelte sich schnell eine wichtige Rolle als Drehkreuz für transregionale Verbindungen und so hatten sich bereits in der karolingischen Zeit (also im 9. Jahrhundert nach Christus) bedeutete Verkehrswege etabliert, die auch durch den Helmbrechtser Raum führten. Diese Wege zu schützen und vor allem an den neuralgischen Punkten wie Kreuzungen und Furten für eine gewisse Sicherheit der Reisenden zu sorgen, war Aufgabe der Walpoten, die, nachdem die Temperaturen ab dem Jahr 1000 gestiegen waren, die Region kolonisierten.
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Schawinstein, Wolfstriegel und Zollern
Die Existenz von Schauenstein geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf eine von den Walpoten begründete Befestigungsanlage zurück, wovon sich – als eine Deutung von vielen – auch der Ortsname ableiten könnte. „Schawinstein“ taucht 1230 erstmals im Zusammenhang mit einem Otto de Schawinstein auf. Es würde durchaus Sinn machen, den guten Blick von der Anhöhe, dem „Stein“, als Grundlage für die Benennung anzunehmen. Leider ist zu Otto nicht sonderlich viel bekannt, außer dass der Ansitz, den er sich auf einer Anhöhe errichtet hatte, 1357 den Herren von Wolfstriegel gehörte. Sie stellen einen lokalen Zweig der Herren von Schaumburg, die als Ministeriale der Andechs-Meranier auch im Hofer Land tätig gewesen sind. Als deren Stern zu sinken begann, traten neue Akteure auf, die ihren einstigen Machtbereich übernahmen: Die Vögte von Weida, Gera und Plauen (von denen sich der Name des bayerischen Vogtlandes ableitet) und die Hohenzollern.
(Lesen Sie hier mehr zum Mittelalter im Hofer Land)
Schauenstein wird Stadt
Bereits vor 1386 muss Schauenstein die Stadtrechte erhalten haben, da es, als die Wolfstriegel es den Zollern verkauften, entsprechend bezeichnet wurde. Wann genau es die begehrten Privilegien angetragen bekam, lässt sich jedoch leider nicht nachweisen. Dieser Umstand korrespondiert mit einer spannenden Entwicklung: Im Laufe des 14. Jahrhunderts kam es zu einer erneuten Abkühlung des Klimas und damit einhergehend zu einer Krise in der Landwirtschaft. Die Erträge sanken, was sich auch auf die Macht des Adels auswirkte. Immerhin fußte diese in erster Linie auf Landbesitz und auf den davon eingezogenen Zehntabgaben.
Während die Menschen sich vermehrt von der Landwirtschaft entfernten und das produzierende Handwerk zum neuen Mittelpunkt des Wirtschaftssystems wurde, blühten auch die Städte als wichtige Umschlagplätze für die hergestellten Waren auf. Nicht umsonst gilt das 14. Jahrhundert als Epoche der frühen Urbanisierung! Die Zollern als neue Machthaber, denen Schauenstein ab 1386 gehörte, führten diese Entwicklung fort. Sie gründeten zur Besserung Verwaltung der Region ein eigenes „Vogteiamt Schauenstein“, dessen Sitz sich auf dem Schloss befand, und erneuerten die Stadtrechte 1422 noch einmal offiziell.
Bergbau und Weberei
In den folgenden Jahrhunderten blühte Schauenstein auf und wurde zu einem der wirtschaftlichen Zentren des Frankenwalds. Insbesondere der Bergbau und die Weberei waren die wichtigsten Säulen des Handwerks geworden. Die Bedeutung der Eisenerzverhüttung ist übrigens auch am Wappen erkennbar: Der heute abgebildete „Mohr“ war ursprünglich ein in schwarz gekleideter Bergmann, der einen Steinbrocken in die Höhe hielt. Damit sollte der Ortsname „Schauenstein“ als „schau den Stein“ bildlich dargestellt und der Handwerkstradition Rechnung getragen werden. Die Weberei, die sich anfangs auf die Leinenproduktion konzentriert hatte, spezialisierte sich durch den Import von Baumwolle und die Verarbeitung von Schafwolle. Der bis heute existente Ortsteil „Schafhof“ deutet auf die Existenz einer eigenen Schafzucht hin, die man im 18. Jahrhundert sogar durch die Kreuzung mit Merino-Tieren zu verbessern suchte.
Schauenstein wird Industriestadt
Im 19. Jahrhundert war der Bergbau, wie an vielen Orten des Frankenwalds faktisch zum Erliegen gekommen. Trotz der Versuche des genialen Alexander von Humboldt in den 1790er Jahren, die zu einer finalen Blüte geführt hatten, waren die erzführenden Schichten in unerreichbare Tiefen gesunken und ihr Abbau rentierte sich schlicht nicht mehr. Insofern war es nun allein die Weberei, die den Menschen ein gewisses Auskommen garantierte. Kein Wunder, dass sie in den folgenden Jahrzehnten mehr und mehr in den Fokus von Maßnahmen der Wirtschaftsförderung rückte.
Nach dem Bau der Ludwig-Süd-Nord-Bahn, die den Import sächsischer Steinkohle erlaubte und in Hof zur Gründung der ersten Baumwollspinnerei in den 1850er Jahren führte, kamen Überlegungen auf, auch den Frankenwald mit einer Trasse zu erschließen. Durch die Frankenwaldbahn, ein gigantisches Infrastrukturprojekt, sollte der ländliche Raum an den „Weltmarkt“ angeschlossen und die Weberei industrialisiert werden. Schauenstein war dabei einer der großen Player: Immerhin hatte man längst erkannt, dass die Handweberei über kurz oder lang nicht mit der industriellen Konkurrenz aus Sachsen würde mithalten können. Daher forcierte man auch bei uns den Ausbau des Fabrikwesens.
Geprägt durch die Textilindustrie
1873 traten die Städte Münchberg, Helmbrechts, Schauenstein und Selbitz erstmals mit dem Vorschlag an die Münchner Regierung heran, eine Bahn durch den Frankenwald zu bauen und an die thüringische Grenze zu verlängern. Nach Jahren des Kampfes wurde schließlich eine Lokalbahntrasse nach Helmbrechts genehmigt und ausgeführt, Schauenstein erhielt aber vorerst keinen Anschluss.
Die Weberei war zwischenzeitlich mehrmals in die Krise geraten: Durch Kriege war der Import von Baumwolle in den 1860er Jahren beinahe unmöglich geworden. Das stellte die Menschen des Frankenwalds vor immense Probleme. Einen Ausweg suchte man durch die Ansiedlung „ausländischer Industrie“. Die aus Plauen stammende Stickerei und Feinnäherei „C. A. Waldenfels“ errichtete 1866 ein Zweigwerk in der Stadt. Damit profitierte sie von den günstigen Löhnen für die Arbeiter und sicherte ihnen das Einkommen.
(Hier gibt’s mehr Infos zur Industrialisierung des Hofer Landes)
Die verschwundene Fabrik
Unweit von Schauenstein befindet sich bei der Lehstenmühle ein einzigartiges Relikt der frühen Industrie: Ein mehrere Kilometer langer Wassergraben. Er wurde Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet, um eine „Holzschleiferei“ mit Wasserkraft zu versorgen. Sächsische Kaufleute hatten sie geplant, um günstige Rohstoffe für die Papierproduktion zur Verfügung stellen zu können. Mithilfe des Kanals sollte Wasser auf zwei gigantische Turbinen geleitet werden, die über Transmissionen die Maschinen antreiben sollten. Leider hatte man sich dabei aber komplett verkalkuliert: Da das Wasser im Kanal auch gestaut wurde, waren die Mauern dem Druck nicht gewachsen und gaben nach. Schon kurze Zeit nach der Eröffnung, spätestens um 1920, schloss die Fabrik ihre Pforten. Ihre genaue Geschichte bleibt bis heute ein Mysterium, doch zeigt der Kanal vom Erfindungsreichtum und dem Mut ihrer Gründer!
Im folgendem Video nehme ich Sie mit an diesen historischen Ort:
Anschluss an die Welt
C. A. Waldenfels war es schließlich auch, die am Beginn des 20. Jahrhunderts erneut Bewegung in die Planungen zum Bahnanschluss brachten. Der Transport von Kohle war über die schlecht ausgebauten Straßen immer aufwendiger und teurer geworden, sodass man damit begann, über eine Verlängerung der Strecke Münchberg-Helmbrechts nachzudenken. Die Kosten dafür wollten sich die Stadt Schauenstein (45%), die Stadt Helmbrechts (23%) und die Firma (10%) teilen. Parallel dazu hielten erste moderne Systeme in Schauenstein Einzug.
Seit 1906 war die Stadt elektrifiziert und nur ein Jahr später entstand ein neues Hochdruckleitungssystem für die Wasserversorgung. 1912 wurde die schließlich auch die Fortführung der Bahntrasse genehmigt. Doch konnte die Strecke aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs erst 1923/24 für den Verkehr freigegeben werden. Wenngleich die Bahn in den 1976 die Gleise rückbaute, hat sich Schauenstein bis heute als lebenswerte Industrie- und Tourismusstadt erhalten. Insbesondere das kernsanierte Schloss mit dem darin untergebrachten Feuermuseum lädt zu spannenden Erkundungen ein!
Mehr Infos zum Autor finden Sie hier.
[Bildquellen: Dr. Adrian Roßner, Stadt Schauenstein, Dagmar Müller]
Ein Kommentar
Ich finde es großartig, dass Sie sich mit der Geschichte Oberfrankens beschäftigen und so lesenswerte Beiträge im Internet zur Verfügung stellen.
Dafür möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken.
Ich bin in Schauenstein aufgewachsen und bin deshalb sehr an Informationen und Bildern
meiner Heimat interessiert.