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Schwarzenbach an der Saale – 700 Jahre Stadtgeschichte im Hofer Land

Heimatgeschichte, heute am Beispiel von Schwarzenbach an der Saale: Eine der Besonderheiten des Hofer Landes ist, dass man die Spuren seiner bewegten Vergangenheit an manchen Orten bis heute erkennen kann. Sofern man weiß, wonach man suchen muss. So bieten selbst moderne Städte, wie Schwarzenbach an der Saale, das 2022 sein 700-jähriges Bestehen feiern kann, die Möglichkeit, sich weit in die Geschichte zurückzubegeben. Landeshistoriker Adrian Roßner lädt Sie zu einer spannenden Spurensuche ein! 

Erste Besiedlung und mittelalterliche Ortsgründung

Es war im Jahr 1322 als „Swertzenbach“ (abgeleitet von der dunklen Farbe des Bachlaufs) erstmals urkundlich Erwähnung fand. Doch ist davon auszugehen, dass die kleine Siedlung weitaus älter ist: In der karolingischen Zeit, also dem 9. Jahrhundert, war das heutige Hofer Land großteils menschenleer. Man geht gemeinhin davon aus, dass nicht mehr als um die 1000 Personen in den kargen Landstrichen lebten, in denen aufgrund niedriger Temperaturen und einer insgesamt eher suboptimalen Geologie keine gewinnbringende Landwirtschaft möglich gewesen ist. Dennoch stellte die Region schon in jener Zeit ein wichtiges Handelsdrehkreuz dar. Zwei bedeutende Fernstraßen führten hindurch, die West und Ost (die via regii) und Nord und Süd (die via imperii) verbanden. Die unbefestigten Straßen gruben sich durch die stete Nutzung langsam in den Boden ein und bildeten, wann immer der winterliche Schnee, der sich in ihnen ansammelte, im Frühjahr schmolz und sie richtiggehend auswusch, sogenannte „Hohlwege“ aus.

Von Hohlweglauerern und Heckenreitern im Hofer Land

Diese teils bis heute in den Wäldern nachweisbare Struktur lud „Heckenreiter“ und „Hohlweglauerer“ ein, die Reisenden zu überfallen und auszurauben. Das brachte schlussendlich auch finanzielle Einbußen für den Kaiserhof mit sich: Stockte der Handel, gingen die Steuern zurück und das Budget schmolz. Es verwundert nicht, dass daher, kaum hatte sich das Klima ab dem 11. Jahrhundert erwärmt und das heutige Hofer Land damit „siedlungsfreundlich“ werden lassen, Menschen heraufgeschickt wurden, um die Straßen zu beschützen. An neuralgischen Punkten, wie an Flussquerungen und Kreuzungen, wurden dafür meist aus Holz bestehende „Turmhügel“ errichtet und die Umgebung zur Ansiedlung gerodet, wovon die Ortsnamenendungen „-reuth“ bis heute beredtes Zeugnis abliefern. Auch in „Seuckenreuth“, das später in Schwarzenbach aufging, befand sich einst eine solche Einrichtung, von der aus eine Furt durch die Saale überwacht werden konnte. (Lesen Sie hier mehr zur Frühgeschichte des Hofer Landes: Das Mittelalter. Von Adligen, Plackern und Heckenreitern)

Figuren der Heimatgeschichte: Der Schwarzenbacher Kleinadel

Nachdem es im Nordosten Oberfrankens insgesamt an die 250 dieser Turmhügel gab, mussten die Besiedlung und deren Ausbau entsprechend gesteuert werden. Das übernahmen höhergestellte, adlige Familien. Eines der frühesten im Hofer Land nachweisbaren Geschlechter waren die Herren vom Waldstein, die sich im 12. Jahrhundert auf dem nach ihnen benannten Berggipfel niedergelassen hatten. Getto, so der Name des Ahnherrn, hatte zwei Söhne: Rüdiger, aus dem sich das Geschlecht derer von Sparnberg (und in der nachfolgenden Generation die Familie von Sparneck) entwickelte. Und Arnold, der das Geschlecht von Hirschberg begründete.

Eben jene Hirschberger errichteten unweit des Turmhügels in Seuckenreuth den sogenannten „Oberhof“, eine Art Adelssitz, der erhöht über der Umgebung thronte und damit auch ihren Machtanspruch unterstrich. Parallel dazu existierte im „Unterhof“ das Pendant zum Seuckenreuther Turmhügel. 1381 erhielten die Hirschberger Schwarzenbach nebst Förbau und anderen Ländereien von den Burggrafen von Nürnberg zum Lehen, das sie bis 1570 behielten. In jenem Jahr kaufte der Hohenberger Amtmann Christoph von Rothschütz das Gebiet, gab es allerdings 1623 allerdings bereits an den markgräflichen Premierminister Kaspar Urban von Feilitzsch weiter. 1706 kamen die Güter schließlich, nach mehreren Zwischenschritten, in den Besitz der Grafen von Schönburg-Waldenburg. Diese wollten aus dem nach wie vor mittelalterlich geprägten Weiler einen Sommersitz machen. Dazu bauten sie den „Unterhof“ zum ansehnlichen Schloss aus, das sich bis heute in Gestalt des Rathauses mitten im Zentrum erhalten hat. 

Prosperierendes Handwerkerdorf an der Saale

Aufgrund seiner Lage an bedeutenden Altstraßen und der Saalefurt prosperierte Schwarzenbach bereits seit dem ausgehenden Mittelalter. In Folge verlieh Markgraf Christian von Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth dem kleinen Ort 1610 das Marktrecht. Diese Entscheidung ging mit einer wirtschaftlichen Neuausrichtung einher: Nachdem die Temperaturen ab dem 14. Jahrhundert langsam wieder gesunken waren, hatte die Landwirtschaft mit Ertragseinbrüchen zu kämpfen, was die Menschen ins Handwerk als „Nebengewerbe“ trieb.

Insbesondere die Weberei wurde damals zum wichtigen Faktor. Um die daraus entstehenden Produkte adäquat veräußern und damit den Handel stärken zu können, wurden bereits ab dem 14. Jahrhundert mehrere Dörfer zu Städten erhoben. Schwarzenbach erhielt diese höchste Würde damals noch nicht. Doch wenigstens Märkte konnten fortan abgehalten werden. Diese trugen zur Blüte des Ortes bei: 1618 existierten 38 Höfe, die einen Gesamtwert von 14.000 Gulden auf sich vereinten. Leider schlug das Schicksal zu und 1618 fielen „etlichen Häußern“ einem verheerenden Brand zum Opfer. Der Wiederauf- und Ausbau zog sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. (Hier wirft Adrian Roßner einen genaueren Blick auf die Handwerksgeschichte des Hofer Landes: Die oldn Waafn. Vom Handwerk zur Industrie )

Stadtrechte für Schwarzenbach und wirtschaftliche Blüte

Erst 1844 kam schließlich auch das „richtige“ Stadtrecht hinzu. Die Verwaltung hatte sich bereits mehrmals mit der Bitte um entsprechende Anerkennung an die königlich-bayerische Regierung gewandt und soll schlussendlich auf sehr ungewöhnliche Weise vom Entschluss der Staatsspitze mitbekommen haben, wie eine Anekdote erzählt. Demnach sei der Brief mit der Urkunde an die „Stadt Schwarzenbach an der Saale“ adressiert gewesen, was anfangs für eine gewisse Verwunderung beim Boten gesorgt hatte. 

Eisenbahn und Industrialisierung halten Einzug

Vier Jahre später begann die wirtschaftliche Blüte: Durch die Fertigstellung der „Ludwig-Süd-Nord-Bahn“, der ersten Magistralverbindung im Königreich Bayern, erhielt 1848 auch Schwarzenbach Anschluss an das modernste Verkehrssystem seiner Zeit, über das die heiß begehrte Kohle aus dem Zwickauer Revier importiert werden konnte. In der Folge entwickelte sich nun auch hier die Großindustrie, die vor allem in der Porzellan- und Textilherstellung tätig war. Die Fabriken Oscar Schaller und Co. (gegründet 1882 und später Teil des Winterling-Konglomerats) und die 1906 eröffnete Firma „Johann Kronester“ fertigten feines Tischporzellan für das erstarkte Bürgertum wie auch für die industrielle Stadtgesellschaft.

Blick in den Steinbruch „Felsa“ am Waldstein, der eine zeitlang zum Granitwerk „Künzel & Schedler“ in Schwarzenbach/Saale gehörte (Slg. Adrian Roßner)

Im nahen Martinlamitz war bereits 1856 eine Eisengießerei entstanden, deren Produkte (unter anderem Träger aber auch Zierrat wie Straßenlaternen und Leuchten) dazu dienten, die neue „Urbanität“, die Selbstwahrnehmung der Menschen im Hofer Land, zum Ausdruck zu bringen. Diese griff auch in Schwarzenbach um sich: Bis 1900 stiegen die Einwohnerzahlen stetig an und erreichten schließlich die beeindruckende Zahl von 4185 Personen. Für deren Versorgung ging 1893 eine erste Hochdruckwasserleitung in Betrieb und 1905 weihte man eine Gasanstalt ein. Zum Betrieb der modernen Fabriken lieferte die Firma „Fickert“ entsprechende Spezialmaschinen. 

(Einen detaillierten Ausflug durch die Industriegeschichte unternimmt Adrian Roßner hier mit Ihnen: Vom Siegeszug des Dampfes. Auf den Spuren der Industriekultur)

Granit und Textil

Auch in der Granitproduktion gab es Impulse aus Schwarzenbach: Wilhelm Grimm, der 1859 eine Steinhauerei gegründet hatte, stieg durch Einführung der Granitschleiferei zu einem der wichtigsten Lieferanten für Baumaterialien auf. Ebenso gehört die Firma „Künzel & Schedler“, die unter anderem Steinbrüche am Waldstein betrieb, dazu: Gegründet 1847 konnte sie 1888 bereits 300 Mitarbeiter vorweisen. 

Elementar für den wirtschaftlichen Aufschwung des gesamten Raums war indes die Textilindustrie, die in Schwarzenbach/Saale eng mit dem Namen Sandler verbunden ist: 1879 in Hof gegründet verlagerte Christian Heinrich Sandler seine Fabrik zur Herstellung von Watte 1899 in die Lamitzmühle nach Schwarzenbach, um die Wasserkraft nutzen zu können. Im Fokus standen damals Produkte für die Polstermöbelherstellung. Mittlerweile hat sich die international tätige Sandler AG von Schwarzenbach aus zu einem der 20 größten Vliesstoffhersteller der Welt entwickelt!

Daneben existierten mit der Weberei Goller und der 1856 als kleinem Handwerksbetrieb gegründeten Färberei Lorenz Summa tonangebende Fabriken ihrer Zeit. Und die herausragende Kompetenz in Sachen Textil lebt in Schwarzenbach an der Saale bis heute fort.

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Vom Doggder bis hin zu Erika Fuchs

Schlussendlich sei auch auf die Hefefabrikation hingewiesen, die in Schwarzenbach zur Ausprägung einer lokalen Besonderheit führte. Am 30. August 1862 gründete Georg Giegold eine gleichnamige Fabrik zur Herstellung von Spiritus und Hefe, die die älteste Produktionsstätte dieser Art in Bayern darstellt. In den 1920er Jahren suchte man nach einer Möglichkeit, die anfallenden Nebenprodukte zu verwerten, was zur Kreation eines Kräuterlikörs führte, der bis heute als „Doggder“ in jedem Schwarzenbacher Haushalt steht, um bei Wehwehchen und Magenverstimmungen zum Einsatz zu kommen. 

Die Geschichte Schwarzenbachs an der Saale führt damit exemplarisch durch die Vergangenheit des Hofer Landes von der ersten Besiedlung bis zum industriellen Aufschwung. Und sie weist durch moderne Ideen und Innovationen, wie das zu Ehren der Disney-Übersetzung Erika Fuchs errichtete Museum für Sprachkunst, auch in eine spannende Zukunft der Region.

Das Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale ist Deutschlands einziges Museum für Comic und Sprachkunst. Es wurde zu Ehren der Übersetzerin der Donald-Duck-Hefte gebaut, die in Schwarzenbach lebte. (Foto: Erika-Fuchs-Haus)

 

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Stadt Schwarzenbach an der Saale

Die Stadt Schwarzenbach an der Saale, Heimat von knapp 7.000 Einwohnern, liegt im nördlichen Fichtelgebirge an der Bayerischen Porzellanstraße sowie an der Straße der deutschen Sprache.

https://www.schwarzenbach-saale.de/

2 Kommentare

  • Hallo Herr Roßner,

    mein Name ist Markus Greim, ich bin der Urenkel von Dr. Erwin Goller dem späteren Eigentümer
    der Fichtelgebirgs Granitwerke Künzel, Schedler u. Cie.
    Meine Eltern sind in Schwarzenbach/S. bzw. Münchberg aufgewachsen.
    Meine Mutter Angelika, war eine geborene Kreiner, Enkelin von Erwin Goller.
    Ich habe einige Bilder von den Granitwerken im Laufe der Zeit zusammengetragen. Die beiden Bilder auf ihrer Seite kannte ich noch nicht. Darf ich fragen woher die kommen?

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Adrian Roßner