Heimatforscher Adrian Roßner begibt sich wieder auf die Suche nach der Seele des Hofer Landes: Woher kommt unsere regionale Kultur? Was hat sie geprägt? In einer kleinen Serie geht der bekannte Historiker auf Stadt.Land.Hof dieser Frage nach. Teil 3 beleuchtet die Entwicklung vom Handwerk hin zur Industrie. Und wir erfahren, was es mit den im regionalen Dialekt so vielzitierten „oldn Waafn“ auf sich hat.
Teil 1: Die „kleine Kultur“ und die Kultur im Kleinen – StadtLandHof
Teil 2: Das Mittelalter. Von Adligen, Plackern und Heckenreitern – StadtLandHof
Teil 4: Vom Siegeszug des Dampfes – auf den Spuren der Industriekultur – StadtLandHof
„Die oldn Waafn“ – Vom Handwerk zur Industrie
Als im Jahre 1523 die stolzen Burgen des Kleinadels im Hofer Land in Flammen aufgingen (wie es dazu kam, erzählt Teil 2 – „Mittelalter“ dieser Serie), endete nicht allein das Mittelalter. Es brach eine in vielerlei Hinsicht neue Zeit an: Die Epoche der Städte, die durch ausgedehnten Handel und das aufblühende Handwerk schnell zu den treibenden Kräften der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen wurden.
Die Geschichte des Handwerks im Hofer Land: Weberei, Bergbau, Köhlerei
Die Geschichte des Handwerks ist beinahe so alt wie die des Hofer Landes an sich. Aufgrund der relativ kalten Temperaturen und der felsigen Böden wurde die Landwirtschaft immer wieder von Krisen gebeutelt. Das führte zur Fokussierung der Menschen auf „Neben-Gewerke“. Vor allem der Flachs, eine recht widerstandsfähige Pflanze, deren lange Fasern man gut zu Garnen verspinnen konnte, verbreitete sich ab dem 14. Jahrhundert rasant. Und legte damit den Grundstein zur Entwicklung der für den Landkreis Hof derart bedeutenden Handweberei.
Kühle Temperaturen und felsige Böden sorgten im Hofer Land dafür, dass sich die Menschen neben der krisenanfälligen Landwirtschaft ein weiteres Gewerk suchten: Handwerksberufe.
Daneben fassten auch der Bergbau (vor allem im Frankenwald) und in dessen Bugwasser die Köhlerei Fuß. Aus Gründen der einfacheren Nachvollziehbarkeit soll der Blick dennoch auf die Weberei gerichtet bleiben, die sich bis in das 15. Jahrhundert hinein prächtig entwickelte.
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Das Zeitalter der Städte, der Märkte und der Geldwirtschaft
Einhergehend mit der Umstrukturierung von der subsistenten (also der selbstversorgenden) Landwirtschaft auf das verarbeitende Handwerk fand eine stückweise Öffnung der Landschaft statt. War sie vorher in erster Linie in Form kleinerer Dörfer und Weiler besiedelt worden, deren Bewohner meist unter sich blieben, nötigte der Verkauf der Produkte nun dazu, die Märkte in den größeren Ortschaften und Städten zu besuchen.
Die meisten Städte des Hofer Landes, wie Hof oder Münchberg, wurden im 14. Jahrhundert mit Privilegien wie dem Stadtrecht ausgestattet.
Zeitgleich ebnete diese Veränderung den Weg für die Geldwirtschaft, die das Wachstum der Handelszentren weiter vorantrieb. Nicht umsonst wurden die meisten Städte des Hofer Landes im 14. Jahrhundert mit umfassenden Privilegien ausgestattet, um ihre Position zu stärken (Hof erhielt das Stadtrecht 1319, Münchberg 1364) und zugleich zum stückweisen Machtverlust der Kleinadligen beizutragen.
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Das Hofer Land: Eine Region der Handwerker – und der Spezialisten
Anfang des 15. Jahrhunderts war das Hofer Land zu einer Handwerkerregion geworden, was zugleich mit einer Spezialisierung einherging: Hatten vorher oftmals Landwirte nebenbei die Weberei betrieben, gab es in den folgenden Jahrhunderten immer häufiger „reine Handweber“, die sich allein auf die Produktion konzentrierten und daher die alten Feldflächen aufgaben. Sie zogen sich in kleinere Häuser zurück, wie man sie bis heute im Oberfränkischen Bauernhofmuseum Kleinlosnitz oder auch verteilt in der Region erkennen kann: Diese „Trüpfhäuser“ zeichneten sich dadurch aus, dass die Grundstücksgrenze direkt an der „Trüpf“, also der Traufkante des Daches, verlief und lediglich ein kleines Gärtchen zum Anbau von Kräutern und Gemüse vorhanden war.
Es gab zunehmend reine Handweber, die nicht mehr als Landwirte tätig waren und keine landwirtschaftlichen Flächen mehr besaßen. Trüpfhäuser ohne Grundstück sind typisch für die Region.
Die von den Handwerkern aufgelassenen Feldflächen kauften die verbliebenen Landwirte auf, die dadurch auch ihren Stand stärken konnten. Das führte bis ins 19. Jahrhundert hinein zur Etablierung der „Ökonomen“, die fortan die Gesellschaft mit Lebensmitteln versorgten.
Schon damals: Global denken, regional produzieren
Dieses wirtschaftliche System fußte auf der Regionalität: Die Erzeugnisse der produzierenden Gewerbe wurden meist lokal oder in den größeren Handelsstädten verkauft, was schnell zu einer gewissen Sättigung des Marktes führte.
Burggraf Johann, Sproß der Hohenzollern und damit ab 1398 auch Markgraf in Brandenburg-Kulmbach, erkannte dieses Problem und fand eine beeindruckende Lösung: Über Venedig und Nürnberg ließ er Baumwolle aus dem fernen Indien importieren, die die lokal ansässigen Handweber anschließend verarbeiten sollten. Durch diesen neuen Rohstoff waren weitaus feinere Stoffe möglich, die auch auf einem ausgedehnten Markt vertrieben werden konnten.
Exkurs: Einen Blick in die Welt der oberfränkischen Handweber ermöglicht z.B. das Weberhaus Museum in Neudorf, Gemeinde Schauenstein, Landkreis Hof.
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Von der Handweberei hin zur international bedeutenden Textilregion
Da allerdings nicht jeder Weber das notwendige Kapital hatte, die teuren Rohstoffe zu kaufen oder die Verbindungen vorweisen konnte, die es zum Vertrieb der fertigen Produkte brauchte, schoben sich die „Verleger“ in das System ein. Sie „legten“ die Rohstoffe „vor“, kauften sie also in großen Mengen auf den Märkten ein und gaben sie an die Handweber weiter. Diese produzierten daraus die fertigen Gewebe, die sogenannten „Stauchen“, und gaben sie anschließend an die Verleger zurück, die sie auf den großen Messen in Nürnberg und Würzburg verkauften. Vom Erlös gaben sie den Handwebern einen prozentualen Anteil ab.
Aus diesem System heraus entwickelte sich schnell die treibende Kraft der Wirtschaft im Hofer Land: Durch das Know-How der Verleger und die gute Qualität, die die Handweber produzierten, waren die Stoffe aus der Region bald auch im Ausland heiß begehrt, was andererseits aber natürlich auch den Wettbewerb in immer neue Höhen trieb.
Stetige Innovationen und Verbesserungen waren notwendig, um mit der Konkurrenz aus Augsburg und Sachsen mithalten zu können. Zur Mitte des 18. Jahrhunderts führte der Hofer Verleger Rost schließlich die in Sachsen schon länger bekannten „Tüchlein“ ein, bei denen es sich um buntgewebte Waren handelte. Fortan wurden demnach nicht mehr die fertigen Stoffe am Stück gefärbt, sondern die Garne in allen möglichen Farben veredelt und anschließend zu kunstfertigen Mustern verwoben.
Exkurs: Der Geschichte der Textilindustrie in der Region widmet sich das Oberfränkische Textilmuseum in Helmbrechts im Landkreis Hof.
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Wandel der Gesellschaft: Das stolze Bürgertum prägt die Region
Die wirtschaftliche Veränderung hatte schließlich auch Auswirkungen auf die Gesellschaft: Am Beginn des 19. Jahrhunderts hatten sich die Verleger, die sich seither immer häufiger „Fabrikanten“ nannten, längst zur Elite entwickelt. Die wollte ihren Einfluss deutlich machen. Prachtvolle Kontore wie das „Püttner-Palais“ in Hof zeigen ihre Position ebenso, wie die in der Landschaft entstandenen Anlagen zum Lustwandeln. Dabei handelte es sich grob gesprochen um das Genießen der Freizeit, was in jener Zeit zum ersten Mal möglich geworden war.
Die Elite entdeckt die Freizeitkultur – und das Französische
Die „Bürger“, also die gesellschaftliche Führungsschicht, zog es in die Natur, um sich dort der göttlichen Schöpfung besonders nahe zu fühlen. Und wo immer die Realität nicht der eigenen Idealvorstellung entsprach, halfen sie nach. In der ganzen Region schossen damals Parkanlagen aus dem Boden, an deren Spitze klar der beeindruckende Hofer Theresienstein steht, den man im Anflug einer romantisierten Verklärung des Mittelalters sogar mit einer Burgruine bekrönte.
Auch die „Bürger-Gesellschaften“ entstammen der Vorstellung einer Abgrenzung der High Society von der normalen Bevölkerung und sogar in der Sprache wollte man sie sich absetzen. Französisch galt damals als Verkehrssprache wie das heutige Englisch und führte zur Übernahme verschiedener Lehnwörter in den Dialekt des Hofer Landes, die bezeichnenderweise allesamt Objekte aus dem bürgerlichen Umfeld umschreiben: Kanapee, Chaiselongue oder Trottoir seien nur als Beispiele genannt.
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Bis heute prägt die Tradition der Weber unseren regionalen Wortschatz
Andererseits aber hat sich in der bodenständigen Sprache auch ein klarer Verweis auf die Bedeutung des Weber-Handwerks erhalten: Noch heute kennt man das „Waafn“, die lockere Unterhaltung. Im Ursprung stammt das Wort von der „Weife“, einem Konstrukt, mit dessen Hilfe man die Länge eines Fadens berechnen konnte. Man wickelte ihn auf ein Rad, das bei jeder Umdrehung einen hölzernen Schnapper spannte. Gab der schließlich ein Geräusch von sich, wusste man, dass die richtige Länge aufgewickelt worden war.
Beim ‚Waafn‘ mit der Weife konnte man sich wunderbar unterhalten.
Da man daher beim „Waafn“ nicht selbst die Fadenlänge abzählen musste, konnte man sich währenddessen wunderbar unterhalten! Jene aber, die bei allzu lauten Gesprächen das Schnappen überhörten, wurden zu den „Schnappswaafn“ degradiert.
Landwirtschaft und Handwerk formen das Wirtschaftssystem des Hofer Landes
Das wirtschaftliche System des Hofer Landes ruht also auf der Landwirtschaft und dem Handwerk, die beide zugleich die bodenständige, „echte“ Kultur der Landschaft prägten. Im 19. Jahrhundert aber kam diese Struktur langsam an ihre Grenzen, als neue, mächtige Konkurrenten auf den Plan traten, die zu immer größeren Innovationen drängten. Mit diesen Eindrücken begann schließlich auch im Hofer Land der Siegeszug des Dampfes. Davon erzählt der nächste Teil der Serie.
Autor: Adrian Roßner
Redaktion: Dagmar Müller
Bilder: Adrian Roßner, Dagmar Müller, Stadt Hof, Pixabay
Serie: Adrian Roßner entdeckt die regionale Kultur des Hofer Landes:
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