Manchmal ist es die stille, kraftvolle Geschichte eines Einzelnen, die ein Restaurant zu dem macht, was es ist. So ist es bei Achi’s Restaurant, einem kulinarischen Juwel im Hofer Land, das nicht nur für seine authentische syrische Küche, sondern auch für den bewegenden Weg seines Gründers Ahmad Alahmad Alkadrow steht.
Aus Season wird syrische Küche
„Season bekommt einen neuen Chef.“ Das meldete die Frankenpost im März 2022. Ich muss gestehen: So richtig hatte ich das nicht mitbekommen. Selbst als wir in dem beliebten Restaurant essen waren, fiel mir nur auf, dass Geschäftsführer Eduard – Eddie – Stähle fehlte. Stattdessen wurden wir bei gewohntem Konzept in ansprechender Atmosphäre von seinem Schützling Ahmad – genannt Achi – empfangen.
Jetzt, da ich mit meinem Partner auf dem Weg zu Achi’s Restaurant bin, weiß ich schon deutlich mehr. Und ich bin unglaublich gespannt. Denn der von Eddie ausgebildete Ahmad hat inzwischen nicht nur den Mut gefasst, sein eigenes Konzept auf die Beine zu stellen. Hinter dem syrischen Restaurant steckt viel mehr, als nur der Sprung in die Selbständigkeit. Der steinige Weg bis hierhin ist eine inspirierende Self-Made-Geschichte eines Geflüchteten, die unbedingt erzählt werden muss.
Ein stilvolles syrisches Restaurant
Als wir das Restaurant betreten, bin ich völlig fasziniert, wie Achi es geschafft hat, das stilvolle, moderne Ambiente so anzupassen, dass der neue Hintergrund, die syrische Küche, ansprechend zur Geltung kommt. „Stay hungry, stay foolish“ – das Zitat von Steve Jobs durfte bleiben. Weil Achi solche Zitate schon immer mochte und auf seinem Handy speichert, erzählt er mir später.
Die syrische Küche von Achi reiht sich perfekt in unsere vielfältige Genussregion ein:
Junges Genusshandwerk: Die Meinel-Schwestern – Brauerinnen mit Herz
Höchster Genuss: Schneiders Gasthof „Zum Waldstein“ in Zell
Mut zum Fisch – Forellenräucherei Puchtler aus Friedmannsdorf
Wunderschöne Fotos, die das nahöstliche Thema widerspiegeln, zieren die Wände. Ein besonderes Highlight sind dabei die orientalischen Teppiche, die nun die Decken optisch aufwerten. Im Hintergrund hört man sanfte Klänge, zu denen eine zarte Frauenstimme ihre langsame Version von Bruce Springsteen’s „Hungry Heart“ singt. Ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus, denn die alten Elemente des Season, harmonieren perfekt mit dem neuen, orientalischen Interior.
Flucht aus Syrien
Ahmad empfängt uns freundlich und geleitet uns zu unseren Plätzen, die dank sommerlicher Temperaturen im Außenbereich sind. Dann erzählt er uns seine Geschichte. Achi ist erst 19 Jahre alt, als er 2015 ganz allein aus dem von Krieg zerrütteten Syrien flieht. Zu dieser Zeit wird sein Vater seit zwei Jahren vermisst, was bis heute so gelieben ist. Seine Mutter verlor der syrische Junge schon mit 6 Jahren.
Zwei Monate lang kämpft sich der junge Mann durch die unendlich lange Strecke – oft mit wenig mehr als seinem starken Willen, zu überleben. Was er dabei erlebt, beschreibt er selbst als „alles, was man sich nicht vorstellen kann“. Tagelange Märsche, bitterer Hunger, schlafen im Wald. Dabei wird er immer wieder betrogen und bestohlen. Die meiste Zeit ist er in Serbien unterwegs, wo er mehrmals ohne Geld da steht, weil seine Mitmenschen ihn belügen. Doch er überwindet jede noch so furchtbare Widrigkeit, schafft sogar die lebensgefährliche Überfahrt auf dem Schlauchboot und landet schlussendlich tatsächlich in einer Flüchtlingsunterkunft bei Nürnberg.
Auf der Flucht habe ich alles erlebt, was man sich nicht vorstellen kann (Ahmad Alahmad Alkadrow)
Die Erleichterung hält jedoch nur kurz an. „In dem Flüchtlingsheim waren verschiedenste Nationalitäten untergebracht. Drogen und Gewalt waren an der Tagesordnung“, erinnert sich der heutige Restaurantleiter. Achi will so schnell wie möglich weg um sich ein unabhängiges, friedliches Leben aufzubauen. Und so beginnt er erneut zu kämpfen. In den nächsten eineinhalb Jahren besucht er eine Berufsschule, wo er Deutsch lernt, Fächer wie Sozialkunde oder Mathematik hat. Dann zieht er nach Rehau, wo er Freundschaften schließt und in einem Café arbeiten darf.
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Ein Ausbildungsplatz ist die große Chance
Die zufällige Begegnung mit Eddie soll schließlich sein komplettes Leben auf den Kopf stellen. Doch diesmal meint es das Schicksal gut mit ihm – wenn auch nicht ohne weitere Kämpfe, die auf ihn warten. „Ein Freund von mir hat gerade für Eddie Suppen ausgefahren und fragte mich, ob ich mitfahren möchte. Ich sagte ja.“ An sein erstes Aufeinandertreffen mit dem Gründer des ehemaligen Season erinnert er sich noch genau. „Zuerst sind wir ihm kurz an der Kreuzung bei Media Markt mit dem Auto begegnet. Als wir dann am Restaurant eintrafen, schaute er aus dem Fenster und fragte mich, was ich so mache. Ich habe ’nichts‘ gesagt. Daraufhin meinte er, dann solle ich doch einfach mal zum Arbeiten vorbeikommen.“
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Achi stimmt sofort zu, erhält die Telefonnummer des damaligen Restaurantleiters und meldet sich sogleich bei ihm. Ohne ihn je arbeiten gesehen zu haben, bietet Eddie dem geflüchteten Syrer einen Ausbildungsplatz an. „Einfach nur, weil er anscheinend so viel Gutes von mir gehört hat.“ Eigentlich ein perfektes Szenario. Eigentlich. Denn das Arbeitsamt, bei dem Achi gemeldet ist, möchte lieber, dass er erst einmal noch ein Jahr einen Deutschkurs absolviert. Und das, obwohl zu der Zeit gar kein Deutschkurs angeboten wird. „Also habe ich meine Chance ergriffen, auf die Leistungen verzichtet und mich dort abgemeldet.“ Ein Risiko, das sich – dem Himmel sei Dank – vollends auszahlt.
Innerhalb von 3 Jahren, von 2017 – 2020, absolviert der Syrer seine Ausbildung als Restaurantfachmann, schließt sie erfolgreich ab. „Dabei habe ich tausendmal besser Deutsch gelernt, als in jedem Kurs“, erzählt er. Und nicht nur das: Achi lernt von einem der Besten im Hofer Land, wie man ein stilvolles Restaurant leitet. Eduard Stähle ist innovativer Macher, Genussmensch und Träumer. Bereitwillig gibt er sein Feuer an den Syrer weiter. Nur zwei Jahre später, als Eddie sich aus dem Restaurant zurückzieht, vertraut er seinem Schützling sein Baby an. Und so führt Achi das beliebte Konzept von 2022 bis 2024 fort. Währenddessen, im Jahr 2023, erlangt er endlich die Deutsche Staatsangehörigkeit.
Die syrische Küche ist ein kulinarisches Erlebnis
Seit drei Monaten allerdings erstrahlt das ehemalige Season in neuem, nahöstlichen Glanz. Der heute 28-Jährige hat ein weiteres Mal Mut gefasst und aus dem Lokal sein eigenes – Achi’s Restaurant – gemacht. Ein schickes Restaurant, in dem man sich durch die authentische, syrische Küche schlemmen kann. Mein Partner und ich haben der Erfolgsgeschichte des jungen Mannes so ergriffen gelauscht, dass wir die Probierteller, die Achi’s Mitarbeiter zwischenzeitlich serviert hat, bis jetzt nur bestaunt und beschnuppert haben. Allein das war ein herrliches Erlebnis für die Sinne. Denn die Teller, die vor uns stehen, sind nicht nur wunderschön bunt, die syrischen Speisen sind auch anschaulich, mit viel Bedacht arrangiert.
„Na dann, guten Appetit“, wünscht uns der Restaurantleiter und wendet sich nun seinen anderen Gästen zu. Äußerst gespannt machen wir uns über die Auswahl an Vor- und Hauptspeisen her. Denn ich muss gestehen: Wir, als alte Landmäuse, haben noch nie authentische, syrische Küche probiert. Doch schon nach den ersten Bissen wissen wir: Ab jetzt gehören diese herrlichen Speisen in unser Leben. Wir genießen jeden Happen so intensiv, dass wir schon Sorge haben, wir könnten die anderen Gäste mit unseren begeisterten „Mmmmmhs und Oooahs“ stören.
Vor uns breitet sich eine Vielfalt an syrischen Gerichten aus, die mit Liebe und Hingabe zubereitet werden. Klassiker wie Humus, Paprikacreme, Auberginencreme und orientalischer Frischkäse sind nur einige der Köstlichkeiten, die auf den Tisch kommen. Auch herzhafte Spieße von Hähnchen, Rind und Lamm duften auf den Tellern. Achi hat uns erzählt, dass das Fleisch mindestens einen Tag lang mariniert wird. Und das schmeckt man: Die verschiedenen Spieße sind unglaublich zart und aromatisch.
Außerdem dürfen wir verschieden gefüllte Teigtaschen probieren. Dazu esse ich die beste Falafel, die ich je gekostet habe. Bisher mochte ich die Spezialität nicht unbedingt. Jetzt könnte ich zehn Stück der knusprig frittierten Goldstücke verdrücken. Was mich besonders begeistert: Auch für Veganer und Vegetarier bietet die syrische Küche eine Menge Köstlichkeiten. Mit viel Gemüse, das kreativ verarbeitet und raffiniert gewürzt wird. Bei diesem Aroma würde es auch mir, als Fleischesserin, an nichts fehlen. Mein absolutes Highlight ist übrigens die orientalische Ajoli. Kurz gesagt: Achi’s Restaurant ist eines der besten Restaurants, in denen wir hier je gegessen haben.
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Eine Oase der syrischen Küche
Zubereitet hat die Speisen übrigens ein syrischer Koch. Achi’s Restaurant ist nämlich nicht nur ein Ort des guten Essens, sondern auch ein Treffpunkt für die syrische Gemeinschaft. Der Koch hat Berufserfahrungen aus dem Libanon, der Türkei und Deutschland mitgebracht. Die Gerichte, die hier serviert werden, sind ein Spiegel der reichen syrischen Küche – vom Lammspieß bis zum Rinderhackspieß, jedes Gericht erzählt eine eigene Geschichte. Etwas Vergleichbares gibt es im Hofer Land noch nicht. Viele Gäste reagieren deshalb auch mit begeisterter Resonanz. Bei uns habe so etwas gefehlt, sagen die Besucher aus dem Hofer Land und weit darüber hinaus. Und auch viele Stammgäste von Eddie sind dem Restaurant in der Ludwigstraße treu geblieben.
Gutbürgerlich Schlemmen kann man im Hofer Land schon lange:
Urlaub auf dem Bauernhof: Gaststätte Altes Haus in Gumpertsreuth
Haute Cuisine trifft Hausmannskost: Restaurant Harmonie in Lichtenberg
Geliebte Geigersmühle
Vielfältiges Essensangebot aus Nahost
Achi ist inzwischen verheirateter, frisch gebackener Familienvater. Trotz der langen Arbeitszeiten – oft nicht weniger als 12 Stunden pro Tag – versucht er noch Zeit für seine Familie zu finden. Für große Ausflüge im Hofer Land reicht es leider gerade noch nicht. „Freizeit bedeutet für mich, mit meiner Familie zusammen zu sein“, sagt er lächelnd. Inzwischen haben es auch seine beiden Brüder hierhergeschafft. Trifft die Familie zusammen, wird auch hier stundenlang gemeinsam gegessen.
Und was sagt der Blick in die Zukunft? Da wird Ahmad etwas geheimnisvoll. „Allzu viel will ich noch nicht verraten“, schmunzelt er. Nur so viel gibt er preis: „In Zukunft wollen wir vielleicht auch Wochengerichte im Restaurant anbieten, um die Vielfalt der syrischen Küche noch weiter zu zeigen. Außerdem können die Gäste jetzt auch mittags, von 11 – 14 Uhr bei uns essen.“
Achi’s Restaurant – viel mehr als nur syrische Küche
Zuletzt frage ich Achi nach seinen Zukunftswünschen. „Erfolg“, antwortet er, „wie mein Vater es uns beigebracht hat. Auch er war erfolgreicher Unternehmer, bevor der Krieg alles zerstört hat.“ Die Geschichte von Achi scheint also noch lange nicht auserzählt zu sein. Doch vielleicht braucht es nach diesen extremen Jahren auch einfach einmal ein wenig Raum zum Innehalten und stolz sein. Ich wünsche es Achi von Herzen.
Ein Besuch bei Achi’s Restaurant ist mehr als nur ein kulinarisches Erlebnis. Es ist eine Reise in eine andere Kultur, getragen von der inspirierenden Geschichte eines Mannes, der trotz aller Widrigkeiten seinen Traum verwirklicht hat.
(Fotos: Jennifer Müller)
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